Kommentar

Euro-Krise China kann Europa nicht retten

Stand: 02.11.2011 11:58 Uhr

Es könnte so einfach sein: Europa braucht dringend Geld und China scheint es zu haben. Da könnten doch die Chinesen in den europäischen Rettungsschirm investieren. Doch die Realität ist auch in diesem Fall weitaus komplizierter, meint Ruth Kirchner. Denn Hilfe aus China hat einen hohen Preis.

Ein Kommentar von Ruth Kirchner

Von Ruth Kirchner, ARD-Hörfunkstudio Peking

Es könnte so einfach sein: Europa braucht dringend Geld und China scheint es zu haben - in Form seiner gewaltigen Devisenreserven. Da könnten doch die Chinesen in den europäischen Rettungsschirm investieren, und allen wäre geholfen.

Doch die Realität ist wie so oft weitaus komplizierter. In Europa hat man Angst vor dem chinesischen Geld und dem Einfluss, den sich Peking damit erkaufen könnte. Und in China traut man den Europäern schon lange nicht mehr zu, ihre Schuldenkrise wirklich in den Griff zu bekommen. Öffentlich beteuert Chinas  Führung zwar immer wieder ihr Vertrauen in die Eurozone, aber über symbolische Gesten geht die Politik der Chinesen nicht hinaus. Auch schon bevor die Griechen ein Referendum zum jüngsten EU-Rettungsplan ankündigten, distanzierte man sich in der Volksrepublik deutlich von allzu großen Begehrlichkeiten seitens der Europäer.

Ruth Kirchner, R. Kirchner, ARD Peking, 02.11.2011 04:47 Uhr

Zugleich werden die anti-europäischen Stimmen lauter. Von "politischer Inkompetenz" ist in den staatlichen Medien zu lesen. Von Unehrlichkeit und Engstirnigkeit im Westen im Allgemeinen und in Europa im Besonderen. Sicher, China hat ein Eigeninteresse an einer stabilen Eurozone, die EU ist schließlich der größte Handelspartner der Chinesen. Und wenn es den Europäern schlecht geht, leidet auch Chinas Wirtschaft, denn dann sinken die Exporte ins Euroland. Daher ist in China derzeit wenig Schadenfreude zu spüren angesichts der europäischen Malaise.  

Aber wegen der ungewissen Zukunft der Eurozone macht es aus chinesischer Sicht wenig Sinn, weitere Devisenreserven im europäischen Rettungsschirm zu parken. Denn die Außenhandelsüberschüsse kann China ja nicht beliebig ausgeben. Es geht für Peking vor allem darum, das Geld langfristig, sicher und mit guter Rendite anzulegen. Deshalb hat sich China ja auch in der Vergangenheit deutlich zurückgehalten, was den Ankauf von Staatsanleihen aus europäischen Schuldenstaaten angeht.

Peking setzt lieber auf sichere Anleihen - etwa auf deutsche. So wäre es also auch jetzt vermessen zu glauben, China könne Europas Rettung sein. Zumal in China angesichts Europas Schwäche lauter als zuvor politische Forderungen erhoben werden - nach Marktzugängen, nach dem Abbau von Handelshemmnissen, nach Anerkennung als Marktwirtschaft. Gegenseitigkeit ist das neue Schlagwort auf chinesischer Seite.

Vergessen wird dabei von China schnell, dass Gegenseitigkeit, Gleichbehandlung  und Marktzugang ja auch für europäische Unternehmen in China gelten müssten. Und damit ist es in vielen Branchen bekanntermaßen nicht so weit her. Will sagen: China kann Europa nicht retten. Hilfe aus China hätte tatsächlich einen politischen Preis - weit über die derzeitigen gegenseitigen Abhängigkeiten hinaus. Und Europa täte sicher gut daran, ein bisschen weniger begehrlich auf die chinesischen Devisenüberschüsse zu schielen.

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