Prognose zu Brexit-Folgen für Deutschland Erste Auswirkungen schon in 2016

Stand: 04.07.2016 12:13 Uhr

Wenn Großbritannien aus der EU austritt, hat das auch Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt. Das Prognos-Institut hat nun erste Zahlen herausgegeben. Besondere Brexit-Probleme könnten Firmen wie Air Berlin und der Drogeriekette Müller ins Haus stehen.

Der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union könnte bereits in diesem Jahr negative Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Das hat eine Untersuchung des Prognos-Instituts ergeben. Jedoch halten sich die Auswirkungen in Grenzen: Die Experten rechnen damit, dass die Zahl der Erwerbstätigen ab sofort bis zum Jahr 2025 um rund 70.000 Menschen zurückgehen wird. Aktuell gibt es in Deutschland rund 43 Millionen Erwerbstätige. "Die Verluste nehmen bis 2025 zu, danach verringern sie sich allmählich wieder", heißt es darin.

Problem für Air Berlin und Drogeriekette Müller

Problematisch ist der Brexit für viele Unternehmen: Es drohen Zölle, viel Bürokratie und eine Verteuerung der hiesigen Exporte durch den Verfall des britischen Pfunds.

Besonders hart könnte ein Brexit auch für deutsche Unternehmen werden, die nach britischem Recht als "Limited" (Ltd) oder "Public Limited Company" (PLC) gegründet wurden. Dazu zählen etwa die Holdings der Drogeriekette Müller oder der Fluggesellschaft Air Berlin. Ihre Rechtsform würde nach einem Brexit nicht mehr ohne weiteres anerkannt, sagte die Bayreuther Gesellschaftsrechtlerin Jessica Schmidt. Grundlage für die Anerkennung sei nämlich die Niederlassungsfreiheit, wonach Unternehmen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vertretungen gründen dürfen.

"Wenn es Großbritannien in den Verhandlungen über einen Austritt nicht gelingt, die Niederlassungsfreiheit beizubehalten, wäre das ein Riesenproblem für die fast 10.000 Limiteds in Deutschland", erklärt die Expertin. Ohne Anerkennung der britischen Rechtsform würden die Gesellschafter nämlich zunächst persönlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Um dem zu entgehen, müssten sie sich etwa in eine GmbH umwandeln. Das aber sei kompliziert und teuer.

Britische Wirtschaft droht massiver Einbruch

Aber auch Großbritannien selbst könnte schon bald unter dem "Brexit" leiden. Das Prognos-Institut geht davon aus, dass die britische Wirtschaft infolge des Brexit massiv schrumpfen wird. Zwar seien die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der Brexit-Entscheidung gegenwärtig noch sehr unsicher, in einem "plausiblen Szenario", das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, rechnet Prognos aber damit, dass die britische Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 rund 15 Prozent niedriger liegen würde als ohne Austritt aus der EU.

Im Einzelnen geht das Institut unter anderem davon aus, dass bereits bis Ende 2016 die britischen Unternehmensinvestitionen um zehn Prozent einbrechen werden. Ab 2018 würden zudem Handelserleichterungen für Großbritannien gegenüber EU-Ländern und Drittstaaten wegfallen. "Neue Handelsabkommen werden zu ungünstigeren Konditionen ausgehandelt werden müssen." Ferner werte das britische Pfund ab, so dass Importpreise steigen, was wiederum die Inflation antreibe.

Deutsche Staatsbürgerschaft für Briten

Um den negativen Folgen zu entkommen, hat der Vorsitzende der Deutsch-Britischen Parlamentariergruppe im Bundestag britische Bürger zur Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft ermuntert. "Wir sollten ihnen dabei keine Steine in den Weg legen", sagte der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer der "Bild"-Zeitung. "Die Briten beweisen mit diesem Schritt, wie attraktiv die EU und die Vorteile, die sie allen Mitgliedern bietet, wirklich sind." Er könne es "gut nachvollziehen", wenn Briten nun einen deutschen Pass beantragten.

Das Brexit-Votum hat bereits zu einem steilen Anstieg von Anträgen britischer Bürger auf die Staatsbürgerschaft des Nachbarlands Irland geführt. Die Antragsteller wollen damit nach Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union sicherstellen, als Iren weiter EU-Bürger bleiben zu können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24-Wirtschaft am 04. Juli 2016 um 15:00 Uhr.