Bernard Madoff

Zehn Jahre Madoff-Urteil Lehrstück über Leichtgläubigkeit und Gier

Stand: 28.06.2019 08:21 Uhr

Er narrte Promis wie Steven Spielberg ebenso wie Bankenprofis und Kleinanleger: Vor zehn Jahren wurde Bernard Madoff zu 150 Jahren Haft verurteilt. Es ist eine Geschichte über die Leichtgläubigkeit und Gier der Anleger – aus der sich auch heute noch etwas lernen lässt.

Von Angela Göpfert, boerse.ARD.de

Auf eine vorzeitige Entlassung wegen guter Führung braucht Bernard Lawrence Madoff nicht zu hoffen. Am 29. Juni 2009 wurde der damals 71-Jährige wegen Anlagebetrugs zu 150 Jahren Haft verurteilt. Mit einer Schadenssumme von 65 Milliarden Dollar ist der Fall Madoff einer der größten Betrugsfälle der Geschichte.

Zehn Jahre später wartet das Gros der 4.800 Geschädigten immer noch auf Schadenersatz. Madoffs Sohn Mark nahm sich zwei Jahre nach der Verhaftung seines Vaters das Leben. Und Bernard Madoff? Der ist im Knast eine ganz große Nummer.

Der "Held" Bernie Madoff

Für die Insassen im Staatsgefängnis Butner im US-Bundesstaat North Carolina sei Madoff ein Held, betont der Journalist Steve Fishman, der mit seiner Audiodokumentation "Ponzi Supernova" für Furore sorgte. Ganz einfach, weil keiner in Butner mehr Geld gestohlen habe als Madoff.

Tatsächlich ist der Fall Madoff mit Blick auf die Schadenssumme von 65 Milliarden Dollar wahrlich spektakulär – einzigartig ist er nicht. Denn Madoff bediente sich eines rund 100 Jahre alten Finanztricks.

Charles Ponzi und sein Trick

Benannt nach seinem italienischen Erfinder Charles Ponzi (1882 bis 1949), ist das Ponzi-Schema dabei ebenso einfach wie effektiv. Im Zentrum steht eine Institution, wie zum Beispiel Madoffs Hedgefonds, in die Anleger investieren können.

Der Anbieter lockt dabei mit hohen Renditen, die er – auf dem Papier – regelmäßig bestätigt. Da die Anleger mit der hohen Rendite zufrieden sind, ziehen sie in der Regel keine Gelder ab, sondern investieren im Gegenteil sogar noch mehr.

Die Finanzkrise und das Kartenhaus

Falls einige Anleger doch ausbezahlt werden möchten, ist auch das kein Problem – solange die Geldzuflüsse durch andere Anleger größer sind. Der Betrug fliegt meist erst dann auf, wenn viele Anleger ihr Geld zur gleichen Zeit einstreichen möchten – und sich dann herausstellt, dass das dafür nötige Geld schlicht nicht vorhanden ist. So wie 2008, als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zahlreiche Alt-Investoren bei Madoff ihr Geld einforderten und neue Anleger ausblieben.

Doch wie konnte Madoff Prominente wie Steven Spielberg und Zsa Zsa Gabor, Stiftungen wie die des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, aber auch ausgebuffte Finanzprofis wie Führungsleute der Investmentbank Merrill Lynch jahrzehntelang so täuschen?

Aufsichtsbehörden haben versagt

Nun, alle an der Wall Street kannten "Bernie". Er hatte einen guten Ruf, galt als vertrauenswürdig. Als ehemaliger Verwaltungsratschef der US-Technologiebörse Nasdaq war Madoff bestens vernetzt in Wirtschaft, Politik und Aufsichtsbehörden.

Letztere haben im Fall Madoff übrigens eklatant versagt. Ein Whistleblower namens Harry Markopolos hatte die US-Börsenaufsicht SEC bereits im Jahr 2000 mit Hinweisen über Madoffs Betrug versorgt. Passiert ist acht Jahre lang – nichts. Der Madoff-Skandal führte aber dazu, dass in der Finanzreform von 2010 mehrere Schutzmechanismen für Hinweisgeber eingeführt wurden.

Madoff? Welcher Madoff?!

Fakt ist aber auch: Ohne das Streben der Anleger nach dem schnellen einfachen Geld hätte es das System Madoff nicht gegeben. Voreilige Häme für die "naiven" und "gierigen" Anleger ist dennoch fehl am Platz.

Denn viele Anleger wussten gar nicht, dass ihr Geld bei Madoff gelandet war. Nicht wenige hörten den Namen Madoff das erste Mal 2008 nach seiner Verhaftung. Wie war das möglich?

Banken und Hedgefonds als Verstärker

Ganz einfach: Die Anleger hatten ihr Geld an Vermögensverwalter oder Fonds gegeben, damit diese es für sie an der Börse investierten. Doch diese legten es nicht selber an, sondern steckten es lieber in Madoff-Fonds, um sich die fantastisch hohen Renditen zu sichern. Interne Kontrollen? Fehlanzeige!

Der Fall Madoff ist damit letzten Endes auch ein Fall systematischen Branchenversagens. Ohne das gewaltige institutionelle Vertriebsnetz wäre Madoff ein lokaler Schwindler geblieben. Groß gemacht haben ihn erst die Banken und Hedgefonds.

Ein Lehrstück für den Privatanleger

Einen Vorwurf müssen sich die Madoff-Opfer allerdings gefallen lassen: Sie haben nicht die nötigen Anstrengungen unternommen, um herauszufinden, worin sie ihr Geld genau investiert hatten.

Und so ist Madoffs Geschichte nicht nur eine Geschichte über einen Kriminellen, sondern auch eine Geschichte über die Leichtgläubigkeit und Verführbarkeit der Menschen – und damit ein Lehrstück für den Privatanleger.

Anleger sollten immer so lange Informationen und Transparenz einfordern, bis sie wirklich verstanden haben, was mit ihrem Geld geschieht. Denn der nächste Bernard Madoff wartet bestimmt schon an der nächsten (Börsen-)Ecke.