Urteil des Europäischen Gerichtshofs Jobabsage muss nicht begründet werden

Stand: 19.04.2012 13:19 Uhr

Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, abgelehnten Stellenbewerbern Gründe zu nennen. Das hat der EuGH entschieden. Die Richter urteilten aber auch: Das kann vor Gericht als Indiz für eine Diskriminierung gelten. Geklagt hatte eine Frau, die sich von einem bayerischen Unternehmen benachteiligt fühlte.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Es ist ein Urteil mit möglicherweise weitreichenden Folgen für Stellenbewerbungen. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigen zwar, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, einem abgelehnten Bewerber die Gründe für die Entscheidung mitzuteilen. Aber die Verweigerung von Informationen kann als Indiz dafür gewertet werden, dass ein Bewerber diskriminiert wurde.

In der EU ist jede Art von Benachteiligung wegen des Geschlechts, des Alters oder der ethnischen Herkunft bei Einstellungsverfahren verboten. Allerdings müssen abgelehnte Bewerber, die sich diskriminiert fühlen, bei einer Schadensersatzklage konkrete Tatsachen vorbringen. Was in der Praxis schwierig bis unmöglich ist, denn der europäische Gesetzgeber räumt Stellenbewerbern nicht das Recht ein, in die Unterlagen des Bewerbungsverfahrens Einsicht zu nehmen.

Aber da öffnet der EuGH jetzt eine Hintertür: Die Tatsache, dass ein Unternehmen jede Auskunft verweigert, kann von den Gerichten als ein solcher konkreter Hinweis auf Diskriminierung gewertet werden. Und dann ist das Unternehmen verpflichtet, nachzuweisen, dass alles mit rechten Dingen zuging.

Wegen Alter, Geschlecht und Herkunft abgelehnt?

Im konkreten Fall geht es um eine jetzt 50-jährige gebürtige Russin, die sich zweimal vergeblich bei einem bayerischen IT-Unternehmen auf die ausgeschriebene Stelle einer Software-Entwicklerin beworben hat. Sie wurde nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl sie über eine geeignete Qualifikation für die Stelle verfügt. Die Frau vermutet daher, dass sie wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer russischen Herkunft nicht berücksichtigt wurde. Und sie verklagte die Firma auf Schadenersatz und auf die Herausgabe der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers, um nachweisen zu können, dass sie eigentlich besser qualifiziert war.

Die deutschen Gerichte lehnten diese Klage in erster und zweiter Instanz ab, der Bundesgerichtshof legte den Fall schließlich dem obersten europäischen Gericht vor.

Nach dem heutigen Urteil liegt der Ball aber wieder bei den deutschen Gerichten. Die müssen entscheiden, ob im konkreten Fall genügend Indizien für eine Diskriminierung vorliegen. Denn die Europarichter wählen eine sehr vorsichtige Sprache: Es könne lediglich nicht ausgeschlossen werden, dass die Auskunftsverweigerung durch die Firma einen Hinweis auf Diskriminierung darstellt. Ob damit tatsächlich die Position von abgelehnten Stellenbewerbern gestärkt wird und - so fürchtet es die Industrie - Bewerbungsverfahren für die Unternehmen wesentlich umständlicher werden, das muss nun die juristische Praxis zeigen.

Rechtssache C-415/10