Streit über Konsequenzen aus der Finanzkrise Merkel weist Banker in die Schranken

Stand: 20.11.2009 16:40 Uhr

Bundesregierung und Bankenbranche streiten offen über die richtigen Konsequenzen aus der Finanzkrise. Spitzenpolitiker warnten davor, leichtfertig zur Normalität zurückzukehren. Kanzlerin Merkel warf Teilen der Finanzwirtschaft vor, schon wieder eine "ziemlich große Lippe" zu riskieren.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben Banken und Finanzinstitutionen ins Gewissen geredet. "Der Finanzsektor darf nicht vergessen, dass er der Realwirtschaft zu dienen hat und nicht umgekehrt", sagte Europas oberster Währungshüter auf dem Europäischen Bankenkongress in Frankfurt am Main.

Merkel forderte die Banken in scharfer Form zu mehr Verantwortung bei der Krisenbewältigung auf. Nachdem die akute Gefahr vorbei sei, riskiere manch einer im Finanzsektor schon wieder "eine ziemlich große Lippe", sagte Merkel vor Führungskräften der Wirtschaft in Berlin. Merkel wies auch die Forderung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nach einem Notfallfonds für in Schieflage geratene Banken zurück.

"Nicht über das Ziel hinaus schießen"

Ackermann verteidigte seinen Vorschlag auf dem Bankenkongress: Die Finanzwirtschaft allein wäre mit der Rettung einer Großbank schlicht überfordert. Er fürchtet schärfere Vorschriften für die Branche: "Gerade in einer Phase fragiler Wirtschaftsentwicklung muss man auch den Preis sehen, wenn man zu weit gehen würde." Würden die Banken zu sehr an die Kandare genommen und gezwungen, viel mehr Eigenkapital zu halten als nötig, könne dies zu neuen Problemen führen, etwa zu einer Kreditverknappung. Deshalb dürften Politik und Aufsichtsbehörden nicht über das Ziel hinausschießen.

"Schärfere Regeln werden kommen"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, die Regeln für die Geldhäuser würden erst dann verschärft, wenn sich die Lage nachhaltig stabilisiert habe. "Nur sollte niemand auf Zeit spielen in der Hoffnung, schärfere Regeln würden gar nicht kommen. Sie werden kommen." Die Krise habe klar gemacht, dass Selbstverpflichtung und Selbstregulierung der Finanzindustrie nicht ausreichten.

"Die richtigen Schlüsse ziehen"

EZB-Präsident Trichet warnte vor dramatischen gesellschaftlichen Folgen, sollte die Finanzbranche nicht bereit sein, aus den vergangenen zwei Jahren die richtigen Schlüsse zu ziehen. "Unsere Demokratien werden eine so umfangreiche Unterstützung des Finanzsektors mit dem Geld des Steuerzahlers nicht zweimal akzeptieren."

"Stur bleiben"

Bundesbank-Präsident Axel Weber betonte, die Aufsicht werde sich nicht von der Lobbyarbeit für möglichst wenige und laxe Regeln beeindrucken lassen. "Wir kümmern uns nicht darum, was gesagt wird, weil wir sie schlicht umsetzen werden. Wir müssen sehr stur bleiben, schließlich haben wir die größte Krise in der Nachkriegsgeschichte erlebt." Regierungen und Notenbanken hatten im Kampf gegen die Krise milliardenschwere Konjunkturprogramme auf die Beine gestellt und dem Finanzsystem Liquidität in nie gekanntem Ausmaß zur Verfügung gestellt. Um künftige Krisen zu begrenzen, sollen die Regeln für die Branche verschärft werden. Die neuen Vorschriften sehen strengere Eigenkapitalanforderungen, eine Begrenzung von Boni und eine strengere Aufsicht vor.