Armin Laschet
Kommentar

Corona-Hotspot Fehlende Notbremse in Gütersloh

Stand: 22.06.2020 15:59 Uhr

Im Kreis Gütersloh ist die Marke von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner längst drastisch gerissen. Doch NRW-Ministerpräsident Laschet weigert sich, die nötige Konsequenz zu ziehen.

Ein Kommentar von Andreas Reuter, ARD Berlin

Die Verabredung von Anfang Mai war eindeutig: Es gibt Corona-Lockerungen, aber wir führen eine Notbremse ein: Wenn irgendwo im Land die Lage wieder eskaliert, dann wird genau dort hart durchgegriffen. Mit einem strengen Lockdown für den betroffenen Landkreis. So das Versprechen der Ministerpräsidenten.

Als Richtschnur wurde eine Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche festgelegt. Diese Marke ist im Kreis Gütersloh rund um die Fleischfabrik Tönnies längst deutlich gerissen. Und jetzt zeigt sich, was das Versprechen wert ist: gar nichts.

Immer mehr Infektionen

Der Kreis Gütersloh und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sehen, wie der Corona-Infektionszug immer mehr Fahrt aufnimmt und zu entgleisen droht, aber die Notbremse ziehen sie nicht. Armin Laschet sagt, das Infektionsgeschehen sei bei Tönnies klar lokalisierbar. Ja geht es noch? 7000 Mitarbeiter, von denen sich jeder fünfte angesteckt hat? Beschäftigte, die an über 1000 Standorten wohnen, in etlichen Ortschaften, weit um die Schlachtfabrik herum. Das soll klar lokalisierbar sein? 1300 Infizierte, die erst seit Freitag unter Quarantäne stehen, sich vorher frei bewegen konnten. Wer weiß denn, wen die vorher schon alles angesteckt haben?

Erfahren werden wir das wegen der langen Inkubationszeit erst im Lauf der nächsten zwei Wochen. Aber dann könnte es für eine wirksame Eindämmung schon zu spät sein. Die Corona-Verantwortung zurück an die Länder: Das gilt seit Mai. Jetzt zeigt sich, wie problematisch das ist. Solange in Berlin alles gemeinsam beschlossen wurde, konnten die Landesfürsten die Schuld nach Berlin schieben und daheim für mehr Lockerungen eintreten. Nun stehen Ministerpräsidenten und Landräte im Zweifel selbst als Buhmänner da, wenn sie vor Ort wieder harte Beschränkungen verhängen müssen.

Handeln, bevor es zu spät ist

Und wie man jetzt sieht, schreckt mancher davor zurück, da wirklich konsequent einzugreifen, womöglich aus Angst vor Prügel vom eigenen Wahlvolk. Ironisch, dass es jetzt ausgerechnet Armin Laschet trifft, den selbsternannten Corona-Lockerer der Nation. Und dennoch - er darf jetzt nicht mehr lange prüfen und abwägen, sondern muss hart durchgreifen. Sich daran halten, was er Anfang Mai versprochen hat. Und einen strengen Lockdown über den Kreis verhängen. Denn wenn er zu lange damit zögert, droht dieses Schicksal dem ganzen Land.

Redaktioneller Hinweis

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 2 in "NDR 2 Kurier um 5" am 22. Juni 2020 um 17:00 Uhr.