Kommentar

Kommentar zu Tschechiens EU-Ratspräsidentschaft Miesmacher, Saboteure und Populisten

Stand: 30.06.2009 21:18 Uhr

Europas Chaosfaktor gibt den EU-Vorsitz ab: Tschechiens Ratspräsidentschaft blamierte das Land bis auf die Knochen. Die Strippenzieher, die die Regierung stürzten und die EU führungslos machten, wussten nicht einmal, was sie tun. Staatspräsident Klaus erledigte mit seinen Querschüssen den Rest, meint Christina Janssen.

Ein Kommentar von Christina Janssen

Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag

Wenn man wissen möchte, wie es um Tschechien bestellt ist, dann sollte man den Berg Blanik besuchen. Unter dem grünen Hügel südlich von Prag liegen angeblich die Ritter der tschechischen Heldensagen begraben. Und in schlechten Zeiten, so die Legende, erstehen sie auf, schwingen sich auf ihre Rösser und eilen den in Bedrängnis geratenen Tschechen zu Hilfe.

Ständige Störfeuer von Vaclav Klaus

Wo waren sie nur im vergangenen halben Jahr? Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft hätte Anlass genug geboten, sich aus den mittelböhmischen Erdlöchern herauszubequemen. Die ständigen Störfeuer des EU-Kritikers Vaclav Klaus erweckten den Eindruck, die Tschechen seien Europas Skeptiker und Miesmacher. Dabei sind viele von Klaus mindestens so genervt wie das restliche Europa. In Prag wird schon offen darüber diskutiert, wie man den, sagen wir, etwas exzentrischen Burgherrn des Amtes entheben könnte.

Dann der monatelange und von Populisten auf traurigem Niveau geführte Streit um den Lissabon-Vertrag: Er raubte denen, die sich eigentlich um die Ratspräsidentschaft kümmern sollten und wollten, Zeit, Kraft und Nerven. Die Opposition spielte verrückt, fuchtelte aus vergleichsweise nichtigen Anlässen mit Korruptionsvorwürfen herum und schaffte es schließlich, das Land bis auf die Knochen zu blamieren: mit dem Sturz der Regierung von Mirek Topolanek, der - wenn man Insidern glauben darf - nicht einmal ernsthaft beabsichtigt war. Plötzlich stand die EU führungslos da und Tschechien als europäischer Chaosfaktor.

Fader Nachgeschmack

Topolaneks Nachfolger, Interimspremier Jan Fischer, hat zwar alles daran gesetzt, den verheerenden Eindruck zu mildern. Und das auch mit Erfolg. Doch es bleibt ein fader Nachgeschmack und die Frage, ob die Prager Strippenzieher überhaupt wussten, was sie da tun.

Die Absurdität all dieser Vorgänge zu erklären, ist fast unmöglich. Tschechien war mit großen Ambitionen angetreten. Das Land war gut auf die Ratspräsidentschaft vorbereitet und hatte mit der Energie- und der Wirtschaftspolitik die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Im ukrainisch-russischen Gasstreit konnte Mirek Topolanek als Ratspräsident erfolgreich vermitteln. Und im Disput mit Nicolas Sarkozy über den neuen europäischen Protektionismus ging er als Sieger vom Platz. Nicht diejenigen, die die Ratspräsidentschaft zu meistern hatten, haben versagt, sondern all jene, die ihren Erfolg sabotiert haben.

Klaus ist der Verlierer

Dass die Ritter aus den alten Sagen da nicht einschritten, kann eigentlich nur einen Grund haben: Der Blanik ist der Lieblingsberg des tschechischen Präsidenten. Als das Land 2004 den EU-Beitritt feierte, blieb Klaus den Festlichkeiten fern. Er verbrachte den Abend auf seinem Berg, dem Blanik. Und dort hat er mit den Rittern offenbar ein ernstes Wörtchen gesprochen. Einzig gute Nachricht: Die Tschechen nehmen ihm das wirklich übel. Klaus Popularitätswerte sind in den vergangenen Wochen drastisch gesunken.

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