Das Haus der Regierung, Aserbaidschan

Wahl in Aserbaidschan Lob für eine demokratische Farce

Stand: 11.02.2020 15:40 Uhr

Dass die Parlamentswahl in Aserbaidschan manipuliert wurde, haben viele Beobachter bestätigt. Doch Medien in dem Land zitieren deutsche Besucher, darunter AfD-Abgeordnete, die den Ablauf loben.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Es sind teils groteske Szenen, die auf Videos von der Parlamentswahl am Sonntag in Aserbaidschan zu sehen sind. Da stopfen Wähler bündelweise Wahlscheine in die Urnen, Gruppen älterer Frauen fahren von einem Wahllokal zum nächsten, um immer aufs Neue abzustimmen. Wähler finden die Namen toter Angehöriger in den Wählerverzeichnissen.

Die internationale Wahlbeobachterorganisation der OSZE stellte "erhebliche verfahrenstechnische Verstöße beim Zählen und Registrieren der Stimmen am Wahltag" fest und äußerte Zweifel, ob die Resultate ehrlich zustande gekommen waren. Sie besagen, dass die Regierungspartei "Neues Aserbaidschan" im Parlament weiter die absolute Mehrheit hat und dass nur einer der unabhängigen Kandidaten ein Mandat erhielt.

"Nichts zu verbergen"

Um das Ergebnis zu legitimieren, zitierten regierungsnahe und russische Medien ausländische Gäste: "Ich bin sehr angenehmen überrascht, wie offen alles organisiert ist. Es gibt sehr viele Beobachter. Das zeigt, dass die Regierung Transparenz demonstrieren will und nichts zu verbergen hat", sagte der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Uli Henkel der Agentur Interfax-Aserbaidschan zufolge.

Sein Fraktionskollege Ulrich Singer wurde von einer regierungsnahen aserbaidschanischen Website mit einem Lob für die "freundlichen Menschen" zitiert. Es habe keine Beschwerden über Manipulationen während ihrer Besuche in vier Wahllokalen gegeben.

Empörung über Aussagen

Bei Bürgern aus Aserbaidschan sorgten solche Aussagen für Empörung, erst recht, als sich herausstellte, wie Henkel in Deutschland auftrat. Als er sich 2018 um den Posten des Landtagsvizepräsidenten bewarb, wurde bekannt, dass der bayerische Verfassungsschutz ihn zweitweise wegen Aussagen beobachtete, die als extremistisch zu werten seien und zum Hass motivierten.

Zudem habe Henkel den Verein "Volksbegehren e.V." unterstützt, in dem auch Rechtsextreme aktiv seien, so eine Antwort des Bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen.

Die aserbaidschanische Regierung beschreibt die AfD als rechtsextrem. Mehrere Parteimitglieder stehen auf einer Einreiseverbotsliste des Außenministeriums, darunter der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter und der brandenburgische Landtagsabgeordnete Andreas Kalbitz. Sie hatten 2019 Regierungsvertreter in Berg-Karabach getroffen, das vom Nachbarn Armenien besetzt gehalten wird. Andere AfD-Politiker und der Rechtsextreme Manuel Ochsenreiter stehen auf der Liste, weil sie dort 2017 bei einem Referendum als Beobachter auftraten.

"Wahl war eine Farce"

Während also zwei AfD-Politiker die Wahl lobten, schrieben die AfD-Bundestagsabgeordneten Paul Viktor Podolay und Christoph Neumann in einer Pressemitteilung von Oligarchen, Korruption und unterdrückter Opposition im Land. "Dies haben wir am Sonntag mit eigenen Augen sehen können." Sie hätten mehrere Wahllokale besucht. Dort sei geschummelt und betrogen worden. "Die Wahl war eine Farce", schrieb Podolay im Gegensatz zu den Aussagen seiner beiden bayerischen Kollegen in aserbaidschanischen Medien.

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijews beim Ost-Gipfel in Brüssel. (24.11.2017)

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijews beim Ost-Gipfel in Brüssel. (24.11.2017)

Er und Neumann waren Mitglied der Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. "Die Abgeordneten aller anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages sind dieser internationalen Aufgabe erneut ferngeblieben", rügten sie.

EU-Parlament schickt keine Beobachter

Das EU-Parlament hatte erst gar keine Beobachter geschickt und die Abgeordneten gewarnt, dass sie nicht im Namen der EU sprechen dürften, falls sie doch vor Ort sein sollten. Dass die Parlamentswahl nicht demokratisch vonstatten gehen würde, hatte sich im Dezember nach einer Lokalwahl mit zahllosen Unregelmäßigkeiten bereits abgezeichnet.

Außerdem war es immer wieder vorgekommen, dass europäische Parlamentarier von ihren wenigen Eindrücken am Wahltag auf den gesamten Wahlprozess schlossen und mit positiven Äußerungen letztlich die autoritäre Führung unterstützten und die demokratisch gesinnte Opposition schwächten, was diese immer wieder beklagte.

Ermittlungen wegen Bestechung

Berüchtigt ist Aserbaidschan zudem für Lobbying mit teuren Geschenken und Reisen für Politiker in den USA und in Europa. Vor einer Woche ließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt das Bundestagsbüro der CDU-Abgeordneten Karin Strenz sowie weitere Büros und Wohnungen in Deutschland und Belgien durchsuchen. Strenz wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

Beschuldigt wurden auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner und laut "Tagesspiegel" ein Rechtsanwalt aus Bayern. Die Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal im Europarat, bei dem sich einem Untersuchungsbericht zufolge zahlreiche Abgeordnete für Aserbaidschan einsetzten. Strenz hat Zutrittsverbot zum Europarat.

Auf Einladung der Regierung?

Für Aufsehen in Aserbaidschan sorgte der Auftritt eines ehemaligen deutschen Diplomaten bei einer Pressekonferenz in Baku. Aserbaidschanischen Medien zufolge dankte der ehemalige Staatssekretär Wolf-Ruthart Born der Regierung für die Einladung zur Wahlbeobachtung. Diese sei demokratisch verlaufen.

Mit ähnlichen Worten zitierten die Medien einen ebenfalls anwesenden ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten sowie eine Journalistin. Ob sie korrekt zitiert wurde und auf wessen Einladung sie in Aserbaidschan war, wollte die Reporterin auf Anfrage nicht angeben. Sie verwies auf die Einschätzungen der Wahlbeobachtermission der OSZE. Die zuständige Sprecherin Katya Andrusz teilte aber mit aber: Für die OSZE seien weder die Journalistin, der ehemalige SPD-Abgeordnete noch Lemme und Born, noch die beiden bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten in Aserbaidschan akkreditiert gewesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. Februar 2020 um 09:10 Uhr.