Fragen und Antworten Was ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz?

Stand: 09.11.2009 10:02 Uhr

Die Bundesregierung drückt aufs Tempo - noch in diesem Jahr soll das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" verabschiedet werden. Ab dem 1. Januar 2010 können sich Bürger und Unternehmen dann auf Entlastungen in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro freuen. tagesschau.de zeigt, wer vom neuen Gesetz besonders profitiert.

Wer profitiert am meisten?

Familien gehören zu den Gewinnern des Gesetzentwurfs. So sollen die Steuerfreibeträge für jedes Kind von derzeit 6024 auf 7008 Euro steigen. Davon profitieren allerdings vor allem Besserverdienende, weil nur sie eine so hohe Summe im Rahmen ihrer Steuererklärung geltend machen können. Konkret bedeutet das, dass erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen in Höhe von mehr als 63.391 Euro der Steuervorteil durch den Freibetrag höher ist als das Kindergeld. Das Finanzamt nimmt künftig am Ende des Jahres eine sogenannte "Günstigerprüfung" vor und stellt damit fest, ob das Kindergeld oder der Freibetrag der Familie mehr bringt. 

Da Familien mit geringerem Einkommen von der Erhöhung der Steuerfreibeträge nichts haben, soll zum Ausgleich das Kindergeld um 20 Euro angehoben werden. Für das erste und zweite Kind zahlt der Staat damit vom kommenden Jahr an monatlich 184 Euro, für das dritte 190 Euro und für jedes weitere je 215 Euro. Für eine Familie mit zwei Kindern macht das im Jahr beispielsweise 480 Euro mehr im Jahr.

Insgesamt sollen durch das neue Gesetz Familien jährlich etwa 4,6 Milliarden Euro mehr in der Tasche haben.

Was ändert sich für Erben?

Freuen können sich auch bestimmte Erben. Der Gesetzentwurf von Union und FDP sieht vor, Geschwister sowie Nichten und Neffen erbschaftssteuerlich künftig besser zu behandeln. Sie sollen in den Genuss geringerer Steuersätze kommen. Anstatt der bisher geltenden 30 bis 50 Prozent Erbschaftssteuer soll der Tarif nur noch 15 bis 43 Prozent betragen - abhängig von der Höhe des geerbten Vermögens.  370 Millionen Euro können die so begünstigten Verwandten jährlich mehr vom Erbe behalten.      

Auch Firmenerben kommen besser weg. Vergünstigungen bei der Erbschaftssteuer sind zwar weiterhin an den Erhalt von Arbeitsplätzen gekoppelt, doch die einzuhaltende Frist wird verkürzt und die Mindestlohnsumme verringert. Bislang müssen Erben den Betrieb sieben Jahre fortführen und auf eine zusammengezählte Lohnsumme von 650 Prozent kommen, um nur 15 Prozent der sonst fälligen Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Künftig reichen fünf Jahre und 400 Prozent. Wenn also vor Eintritt des Erbfalls durchschnittlich 100 Millionen Euro an Löhnen gezahlt wurden, muss der Erbe in den fünf Jahren 400 Millionen Euro an Löhnen zahlen.

Verpflichtet sich der Unternehmenserbe den Betrieb sieben Jahre fortzuführen und in der Zeit auf eine Lohnsumme von 700 Prozent zu kommen, muss er gar keine Erbschaftssteuer bezahlen. Bisher muss die Lohnsumme über zehn Jahre halten. Für Erben kleiner Betriebe gilt die Lohnregel nicht.

Insgesamt schlagen allein diese Änderungen mit rund 50 Millionen Euro zu Buche.

Werden Übernachtungen jetzt günstiger?

Für den Staatshaushalt teuer werden auch die geplanten Steuererleichterungen für die Betreiber von Hotels, Pensionen oder Gasthöfen. Statt 19 Prozent sollen auf die Kosten der Übernachtung in Zukunft nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer anfallen. Die Berechnung des Bundesfinanzministeriums sieht alleine dadurch Einnahmeausfälle von rund einer Milliarde Euro vor. Experten bezweifeln allerdings, dass durch die geplanten Änderungen die Übernachtungspreise in Deutschland spürbar sinken werden. Sie gehen davon aus, dass das eingesparte Geld vorwiegend für dringend notwendige Modernisierungen ausgegeben wird.

Was ändert sich für Unternehmen?

Überdies sieht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zahlreiche Änderungen der noch von der Großen Koalition 2008 verabschiedeten Unternehmenssteuerreform vor. So soll unter anderem die Möglichkeit für Firmen vereinfacht werden, Verluste steuermindernd geltend zu machen.

Auch die Bestimmungen zum Abzug von Zinsaufwendungen ("Zinsschranke") sollen gelockert werden. Die bislang geltenden strengeren Bestimmungen waren vor allem im Zuge der Wirtschaftskrise von den Unternehmen als starke Belastung kritisiert worden. Zusammengerechnet können sich die Unternehmen so über Steuernachlässe von rund 2,4 Milliarden Euro freuen.

Die Landwirtschaft soll ebenfalls vom neuen Gesetzt profitieren. Die Förderung von Biokraftstoffen wird nicht wie geplant vermindert. Für die Erzeuger des Biosprits macht das ein Plus von 127 Millionen Euro.

Wer soll das bezahlen?

Darüber gibt es naturgemäß Streit. Denn die prognostizierten Steuerausfälle von rund 8,4 Milliarden Euro müssen  - neben dem Bund - auch von Ländern und Gemeinden getragen werden. Die Länderhaushalte belastet das mit bis zu 2,3 Milliarden Euro, die der Gemeinden mit bis zu 1,6 Milliarden Euro.

Vor allem die SPD-Ministerpräsidenten wollen da nicht mitspielen. Der neue Bundesratspräsident, Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) warnte gar vor einer "Überforderung der Länder". Dem widersprach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er sicherte den Ländern eine faire Lastenverteilung zu. Allzu viel Spielraum hat er allerdings nicht. Nach der jüngsten Steuerschätzung nimmt der Staat allein im im Jahr 2010 rund eine Milliarde Euro weniger ein, als bislang prognostiziert wurde.