Hintergrund

Untersuchungen des Bildungsministeriums Schrecken Studiengebühren ab?

Stand: 20.10.2008 15:16 Uhr

18.000 Abiturienten des Jahrgangs 2006 haben wegen Studiengebühren nicht angefangen zu studieren - das zeigt laut einem Medienbericht eine Studie des Bildungsministeriums. Ministerin Schavan widersprach: Man werte noch aus - die Auswirkungen der Gebühren seien aber "nicht beträchtlich".

Bundesbildungsministerium Annette Schavan hält die Anzahl derjenigen, die wegen Studiengebühren auf ein Studium verzichten "nicht für beträchtlich". Sie reagierte damit auf die Veröffentlichung einer eigentlich noch unter Verschluss gehaltenen Studie.

Schavan bestätigte, es gebe in ihrem Haus zu dem Thema zwei Untersuchungen - eine Befragung des Abitur-Jahrgangs 2006 und eine Studienanfängerbefragung aus dem Jahr 2007. Beide würden ausgewertet und in etwa vier Wochen veröffentlicht.

Aus den Studien wisse sie, dass für 91 Prozent der Studienanfänger Gebühren bei der Studienentscheidung keine entscheidende Rolle spielten, sagte Schavan. Im Jahr 2006 hatten 415.000 junge Menschen die Schule mit einer Studienberechtigung verlassen, 2007 waren es 432.500.

Eine Ministeriumssprecherin sagte, "die negative Tendenz" der ersten Studie werde "aus der Gesamtschau nicht bestätigt".

Mehr Abiturienten, weniger Einschreibungen

Die Abiturientenbefragung liegt der Deutschen Presse-Agentur dpa vor. Demnach haben vom Abiturienten-Jahrgang 2006 bis zu 18.000 junge Menschen wegen der neuen Gebühren kein Studium aufgenommen.

Im Vergleich zu 2003 habe es im vergangenen Jahr wegen der starken Jahrgänge bundesweit zwar 17 Prozent mehr junge Menschen mit Hochschulreife, gleichzeitig aber fünf Prozent weniger Studienanfänger gegeben, heißt es. Im Jahr 2003 hatte es mit 377.500 Neueinschreibungen an den deutschen Hochschulen einen Erstsemesterrekord gegeben.

2007 gab es mit 358.670 Anfängern knapp 19.000 Neueinschreibungen weniger. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Studienberechtigten um mehr als 63.000 auf 432.500.

"Erhebliche Verunsicherung"

Insbesondere Frauen und junge Menschen aus bildungsfernen Elternhäusern verzichten der Untersuchung zufolge wegen der Gebühren häufiger auf das Studium. Dagegen lassen sich Kinder aus Akademikerfamilien "deutlich seltener in ihrer Hochschulwahl beeinflussen", stellt das Hochschul-Informations-System (HIS) in der Studie fest. Die Gebührendebatte habe unter Abiturienten und jungen Menschen mit Fachhochschulreife zu "erheblicher Verunsicherung" beigetragen - auch in Ländern, die noch keine Gebühren verlangen.

2006 hatten erst zwei Bundesländer - Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - Gebühren verlangt. Danach folgte die Einführung in weiteren unionsgeführten Ländern. In Hessen wurden die Gebühren nach der jüngsten Landtagswahl wieder abgeschafft.

Keine Wanderbewegung

Weiter heißt es in der Studie, es gebe keine wesentliche Abwanderung von Studien-Interessierten von "Gebühren-" in "Nicht-Gebührenländer". Trotzdem wollten immer weniger Ost-Abiturienten im Westen studieren, wo Gebühren verlangt werden.

Die Studie stützt sich laut dpa auf die Befragung von 5240 repräsentativ ausgewählten Studienberechtigten des Jahrgangs 2006 und auf regelmäßige Abiturienten-Untersuchungen des HIS. Das Institut mit Sitz in Hannover arbeitet im Auftrag von Bund und Ländern sowie der Hochschulrektorenkonferenz.

"Ergebnisse nicht vertuschen"

SPD-Chef Franz Müntefering sagte, es habe "keinen Sinn, einen großen Bildungsgipfel zu veranstalten, wenn man auf der anderen Seite Studienzugänge durch Studiengebühren schwer macht".

Der Bildungssprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, erklärte: "Es kann nicht sein, dass das Bildungsministerium eine Studie zu den Auswirkungen von Studiengebühren unter Verschluss hält, nur weil darin Erkenntnisse sind, die nicht ins Bild passen."