Nach Aufdeckungen durch "Offshore-Leaks" Nun empören sich alle über Steueroasen

Stand: 04.04.2013 15:48 Uhr

Nachdem Journalisten Briefkastenfirmen in Steueroasen aufgedeckt haben, fordert die Opposition Konsequenzen in der EU - denn auch hier gibt es steuerliche Lockangebote. Auch die Bundesregierung dringt auf ein härteres Vorgehen. Die Staatsanwaltschaften in NRW sehen in den Enthüllungen "wenig Neues".

Nach der spektakulären Aufdeckung Tausender Briefkastenfirmen in Steueroasen auf der ganzen Welt durch ein internationales Recherchenetzwerk sieht die Opposition in Deutschland die Bundesregierung in Zugzwang.

Steuerhinterziehung und Steuerbetrug seien keine Kavaliersdelikte, sondern kriminell, erklärte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Der Kampf gegen Steueroasen müsse auf internationaler Ebene geführt werden. Deutschland müsse dabei Vorreiter sein und mehr tun. "Wir sollten härtere Strafen für jene Finanzinstitute einführen, die zum Steuerbetrug einladen oder daran mitwirken", sagte Steinbrück. "Im äußersten Fall kann es auch um den Entzug der Banklizenz gehen."

"Steueroasen erschüttern Vertrauen"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble müsse den Kampf gegen Steueroasen im Kreise seiner EU-Ministerkollegen "ganz oben auf die Tagesordnung setzen", forderte der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. Es gehe dabei nicht nur um außereuropäische Steueroasen, sondern auch um steuerliche Lockangebote innerhalb der EU. Solche Angebote müssten unterbunden werden, weil Steueroasen auf Dauer das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft erschütterten.

Auch die Grünen fordern die Bundesregierung zum Kampf gegen Steueroasen auf. Nötig sei ein europäischer Steuerpakt, mit dem steuerliche Standards festgelegt werden und so das "Steueroasen-Unwesen" überwunden werde, sagten Fraktionschef Jürgen Trittin und der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Gerhard Schick.

Grüne kritisieren Merkel

Trittin und Schick kritisierten, bisher setze Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Eurokrise hauptsächlich auf einen harten Sparkurs. "Dabei prellen europäische Bürger und Unternehmen den Fiskus laut EU-Kommission um jährlich eine Billion Euro", monierten sie. Europa müsse Licht in "dieses Schattenreich der Finanzindustrie" bringen. Steueroasen seien häufig Keimzelle für Finanzkrisen.

Die Linkspartei wertete die Enthüllungen als Versagen der Regierung im Kampf gegen Steueroasen. "Die Steuermafia ist mitten unter uns", erklärte Vizeparteichefin Sahra Wagenknecht. Sie forderte, dass Kapitalerträge künftig nicht niedriger besteuert werden dürften als Einkünfte aus Arbeit. Doppelbesteuerungsabkommen mit unkooperativen Staaten müssten sofort gekündigt werden.

Die EU-Kommission erneuerte ihre Forderung nach einem verbesserten Vorgehen der Europäer. "Wir haben dazu am 6. Dezember 2012 30 Maßnahmen vorgeschlagen", sagte ein Sprecher in Brüssel. Die Kommission hatte unter anderem empfohlen, Steuerparadiese besser zu identifizieren und auf nationale "Schwarze Listen" zu setzen. "Wir möchten, dass sich die Mitgliedstaaten darauf festlegen, was ein Steuerparadies ist."

Bundesregierung will mit G8 gegen Steueroasen vorgehen

Die Bundesregierung drängt nach eigenen Angaben bereits im Kreis der G8-Staaten auf ein härteres Vorgehen gegen Steueroasen. Bis Juli will die Industrieländerorganisation OECD einen Katalog mit konkreten Handlungsempfehlungen vorlegen. Experten schätzen, dass in Offshore-Finanzzentren Vermögenswerte im zweistelligen Billionen-Bereich vor den Behörden der Herkunftsländer versteckt werden.

Die Debatte wurde ausgelöst durch umfangreiches Material über geheime Geschäfte in Steueroasen, das an mehrere internationale Medien gelangt ist. Eine anonyme Quelle habe einen Datensatz mit 2,5 Millionen Dokumenten dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington anonym zugespielt. Darin werden 130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern aufgelistet, darunter Hunderte Deutsche, die ihr Vermögen in zehn Steueroasen angelegt haben sollen.

Staatsanwaltschaften: Bisher kein Anlass für Ermittlungen

Die Staatsanwälte in Düsseldorf und Bochum sehen vorerst keinen Anlass für Ermittlungen. "An den angeblichen Enthüllungen ist wenig Neues - und dass die Berichterstattung in eine nachrichtenarme Zeit fällt, ist wohl auch kein Zufall", sagte ein Bochumer Behördensprecher. Die Staatsanwaltschaft, die im Zusammenhang mit den von deutschen Fahndern erworbenen Daten von Schweizer Banken Ermittlungen geführt hatte, sagte, bisher sei dort kein Verfahren im Zusammenhang mit den aufgedeckten Fällen anhängig. Mit den dort beschriebenen Stiftungskonstrukten habe sich die Anklagebehörde aber in der Vergangenheit beschäftigt und unter anderem im Zusammenhang mit Stiftungsmodellen in der Schweiz und Liechtenstein ermittelt.

Auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf sieht vorerst keinen Anlass zu ermitteln. "Wir werden das Ganze weiter beobachten", sagte ein Behördensprecher. "Soweit die Berichterstattung konkreter wird und sich Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit unserer Staatsanwaltschaft ergeben, werden wir gegebenenfalls auch Ermittlungsverfahren einleiten."

Eine Briefkastenfirma zu betreiben sei zunächst einmal nicht strafbar. "Es kommt immer darauf an, wofür man das Unternehmen nutzt", sagte der Sprecher. Überschneidungen mit den Ermittlungen zu deutschen Steuersündern in der Schweiz sehe er dem ersten Eindruck nach nicht. "Hier ergibt sich noch konkret nichts, dass Leute ihre Steuern nicht erklärt haben. Dafür ist die Berichterstattung noch sehr allgemein."