Interview

ARD-Wetterexpertin Silke Hansen im Interview "Dieser Sommer war zu warm"

Stand: 31.08.2011 00:40 Uhr

Der kalendarische Sommer geht noch ein paar Wochen, aber für die Meteorologen endet er heute. ARD-Wetterexpertin Silke Hansen erklärt im Interview mit tagesschau.de, wie warm, sonnig oder nass es in den vergangenen drei Monaten war - und warum es in der Bilanz gar kein so schlechter Sommer war.

tagesschau.de: Gefühlt war es ein ungewöhnlich kühler Sommer. Meteorologisch auch?

Silke Hansen: Nein, meteorologisch war der Sommer zu warm - auch wenn es sich ganz anders angefühlt hat. Genau genommen war er im bundesweiten Schnitt ein halbes Grad zu warm und damit gab es seit 1993 keinen Sommer mehr, der zu kühl war.

"Wir sind ein bisschen verwöhnt"

tagesschau.de: Fühlte sich aber anders an.

Hansen: Wir sind, glaube ich, einfach alle ein bisschen verwöhnt. Jeder erinnert sich noch an den Sommer 2003, als wir alle ganz fürchterlich unter der Hitze gelitten haben. Sowas behält man in Erinnerung und denkt, so ähnlich müßte es doch immer sein. Viele vergessen, dass das kein gewöhnlicher Sommer war. Der war viel zu warm.

tagesschau.de: Wie sieht denn so ein gewöhnlicher Sommer aus?

Hansen: Ein gewöhnlicher mitteleuropäischer Sommer ist weit weg von dem, was wir 2003 erlebt haben. Er hat Sonne, Regen und durchschnittliche Temperaturen um 16 Grad.

Sonne machte sich rar

tagesschau.de: Das passt schon besser zum Wetter in Hamburg in diesem Sommer.

Hansen: Aber das ist nur ein Gefühl. In Hamburg war es tatsächlich zu warm. Im Schnitt lag die Temperatur bei 17,1 Grad, also mehr als ein halbes Grad höher als gewöhnlich (16,5 Grad). Dass man nicht das Gefühl hatte, es wäre zu warm, lag sicher daran, dass es zu nass und zu schattig war. In diesem Sommer fielen rund 300 Liter Regen pro Quadratmeter und damit gut 80 Liter mehr als sonst. Die Sonne machte sich auch rar. 618 Stunden hätten es mindestens sein müssen, 503 Stunden sind es gewesen.

tagesschau.de: Gab es auch Orte, die in diesem Sommer von der Sonne verwöhnt wurden?

Hansen: Rheinfelden am Hochrhein hat es in diesem Sommer ganz gut getroffen: Da gab es mit 688 Stunden den bundesweit meisten Sonnenschein und mit 36,7 Grad auch die höchste Temperatur in diesem Sommer. Ganz schlecht lief es in diesem Sommer für Oy-Mittelberg-Petersthal: Da fielen 713 Liter pro Quadratmeter. Dazu braucht man gewöhnlich mindestens zwei Sommer.

Wohl nicht signifikant mehr Gewitter

tagesschau.de: Niederschlag gab es reichlich in den letzten drei Monaten. Reichte das in der Summe, um die Dürre des Frühlings auszugleichen?

Hansen: Das Problem beim Regen ist, dass man ihn nicht immer gleich gut brauchen kann. Der Frühling war so trocken, das hat in der Landwirtschaft große Schäden angerichtet. Dass es jetzt viel geregnet hat, bringt den Landwirten wenig. Was verdorrt ist, ist ja halt hin und lässt sich nicht jetzt mit Regen wieder beleben. Im Gegenteil: Der viele Regen hat zum Teil noch mehr Schäden angerichtet.

tagesschau.de: Dem Laien kam es vielerorts so vor, als ob ungewöhnlich viele Gewitter und Stürme übers Land gezogen sind. War an dem?

Hansen: Eine genaue Gewitterstatistik gibt es leider nicht. Aber ja, es gab natürlich schon Jahre mit deutlich weniger Gewittern. Heute nehmen wir Gewitter und vor allem auch Unwetter aber auch ganz anders wahr. Wenn es vor 25 Jahren ein heftiges Gewitter gab, dann wussten das die Leute im Dorf und wer mal mit der Verwandtschaft oder Freunden telefoniert hat, wusste es vielleicht auch. Wenn es heute ein Gewitter gibt, weiß und sieht es gleich ganz Deutschland. Wo es keine Kamerateams gibt, die Bilder einfangen, helfen Twitter und YouTube weiter. In der modernen Kommunikationsgesellschaft bleibt kein Gewitter mehr verborgen. Das fühlt sich dann auch einfach nach mehr Unwetter an.

tagesschau.de: Können Sie aus diesem Sommer schon auf Herbst und Winter schließen?

Hansen: Nein. Prognosen, die länger als ein paar Tage gehen, sind völliger Unfug. Wie der Herbst oder Winter wird, kann keiner sagen.

Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de

Das Interview führte Silke Hansen, HR