Partei-Vize Rieger gestorben NPD verliert wichtigsten Finanzier

Stand: 29.10.2009 22:30 Uhr

Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Jürgen Rieger ist tot. Wie seine Familie der Nachrichtenagentur DPA mitteilte, erlag Rieger in einem Berliner Krankenhaus mit 63 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls. Die Familie wollte sich nicht weiter äußern und bat um Respekt für die Trauerzeit. "Er war nicht nur ein rechtsorientierter Anwalt, sondern auch ein sehr liebenswerter Vater", schrieben die Angehörigen. Allerdings hatten ausgerechnet Riegers "Kameraden" am wenigsten Rücksicht auf die Familie genommen. 

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Bereits am Dienstag verbreitete der NPD-Kreisverband Unna/Hamm die Nachricht, Rieger sei verstorben. Auch in Internet-Foren meldeten sich Neonazis zu Wort und verkündeten Riegers Ableben. Postwendend begannen die Rechtsextremisten über das Vermächtnis Riegers zu spekulieren. 

Kein Wunder, denn der vermögende Anwalt galt als wichtigster Kreditgeber für seine Partei. Immer wieder soll Rieger die Wahlkämpfe der NPD mitfinanziert haben. Geld, das die Bundes-NPD offenbar zum Agieren braucht. Die Kassen sind nach dem Skandal um den verurteilten Ex-Schatzmeister Erwin Kemna weitestgehend leer. Und während die Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern finanziell üppig ausgestattet sind, über ganze Mitarbeiter- und Beraterstäbe verfügen, steht der Parteizentrale in Berlin-Köpenick nur wenig Geld zur Verfügung.

Integrationsfigur für Militante

Riegers Ableben wird die Machtbalance in der Partei erneut verschieben. Der Neonazi-Anwalt war für NPD-Chef Udo Voigt von größter Bedeutung, um sich gegen die mächtigen Fraktionschefs aus Dresden und Schwerin zu behaupten. Diese hatten im Frühjahr den Aufstand gegen Voigt geprobt, scheiterten aber - vorerst. Rieger war eine Integrationsfigur für die Szene der militanten Neonazis, die nach dem gescheiterten NPD-Verbot scharenweise in die Partei eintraten, teilweise ganze Landesverbände übernahmen. Diesen Flügel konnte Parteichef Voigt durch Rieger hinter sich bringen.

Einflussreiche Parteistrategen, vor allem in Sachsen, fordern allerdings schon länger, nach außen möglichst bürgerlich aufzutreten - und das Krawall-Image abzustreifen. Rieger, der wegen seines Arier- und Heidenkults auch in der Szene umstritten war, stand dieser strategischen Modernisierung entgegen. "Jürgen Rieger war ein streitbarer Mann, der kein Blatt vor den Mund genommen hat. Besonders auch, seit er sich in den letzten Jahren der Parteipolitik zugewandt hatte, polarisierte er", schreibt  der langjährige Neonazi-Kader Christian Worch in einem Nachruf. 

Was wird aus den Immobilien?

Weitere Aufregung gibt es in der Szene, da die Neonazi-Bewegung wichtige Immobilien verlieren könnte. Der vermögende Rieger, der auch NPD-Landeschef in Hamburg war, besaß Häuser und alte Gewerbeobjekte in mehreren Bundesländern. Sollte Rieger sein Testament nicht eindeutig zu Gunsten der NPD oder einer anderen Organisation aufgesetzt haben, könnten die Immobilien weg sein. Denn die Angehörigen Riegers sollen dem neonazistischen Treiben kritisch gegenübergestanden haben. 

Rieger hatte mehrfach mit angeblichen oder tatsächlichen Kaufabsichten für größere Immobilien bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Zuletzt wollte Rieger angeblich in der niedersächsischen Gemeinde Faßberg ein Hotel erwerben. In Wolfsburg wollte er ein "Kraft-durch-Freude"-Museum eröffnen. Diese Pläne dürften nun hinfällig sein.

Strippenzieher der Szene

Rieger galt als besonders umtriebiger Strippenzieher im "Nationalen Widerstand". Neben seiner Tätigkeit in der NPD sowie dem Handel mit Immobilien vertrat er als Anwalt auch zahlreiche Neonazis und Holocaust-Leugner vor Gericht. Zudem verfügte er über enge Kontakte nach Skandinavien, besonders nach Schweden, wo er ebenfalls eine Immobilie besaß. 

Trotz der Erschütterungen, die Riegers Tod in der NPD auslösen wird: Ein baldiges Ende der Neonazi-Partei erscheint unwahrscheinlich. Dieses war schon mehrfach vorausgesagt worden, doch nach dem Wahljahr 2009 hat sich die Partei weiter als ostdeutsche Regionalpartei gefestigt. Zwar reichte es bei der Bundestagswahl nur zu 1,5 Prozent der Stimmen, doch in Ostdeutschland holte sie im Durchschnitt etwa drei Prozent. Und in Sachsen gelang ihr der Wiedereinzug in den Landtag.

Zudem konnte die NPD die Zahl der Sitze in Kommunalparlamenten auf mehr als 300 verdoppeln. Die NPD verfügt in einigen Regionen mittlerweile über eine Stammwählerschaft. Der braune Aufbau wird weitergehen - auch ohne Rieger.