Die häufigsten Fragen zur Milliardenreform Wer profitiert vom Rentenpaket?

Stand: 19.05.2014 13:58 Uhr

Die Union versprach vor der Wahl die Mütterrente, die SPD die Rente ab 63. Resultat ist das Rentenpaket, über das nun der Bundestag berät. Wer kann künftig mit 63 in Rente gehen? Und wer zahlt die Rechnung? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die Union versprach vor der Wahl die Mütterrente, die SPD die Rente ab 63. Resultat ist das Rentenpaket, über das nun der Bundestag berät. Wer kann künftig mit 63 in Rente gehen? Und wer zahlt die Rechnung? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die Bundesregierung hat ein Rentenpaket vorgelegt, das aus vier Elementen besteht. Insgesamt soll es bis zum Jahr 2020 rund 60 Milliarden Euro kosten. Bis einschließlich 2018 sollen die Mehrkosten aus den Rentenkassen getragen werden, danach sind Zuschüsse aus Steuermitteln geplant. Die einzelnen Bestandteile des Rentenpakets sind:

Mütterrente: Ab 1. Juli 2014 werden Frauen und Männern, die vor 1992 ihre Kinder bekommen haben, zwei Erziehungsjahre bei der Rente anerkannt werden. Vorher war es nur eins. Dadurch erhöht sich deren Rente pro Kind im Westen monatlich um 28,61 Euro, im Osten um 26,39 Euro brutto.

Abschlagsfreie Rente ab 63: Wer 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, wird ab 1. Juli 2014 ohne Abzüge bereits mit 63 Jahren in Rente gehen können - und nicht erst mit 65. Zeiten im Arbeitslosengeld I (oder dem Vorgängermodell) werden als Beitragsjahre gezählt. Die letzten zwei Jahre vor Renteneintritt sollen nicht berücksichtigt werden. Dafür wird ein sogenannter "rollierender Stichtag" eingeführt. Zudem will die Koalition eine Arbeitsgruppe zur Einführung einer Flexi-Rente einsetzen. Analog zur Rente mit 67 soll die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente bis zum Jahr 2032 schrittweise wieder auf 65 Jahre angehoben werden.

Erwerbsminderungsrente: Wer aus Krankheitsgründen vorzeitig in Rente gehen muss, wird besser als bisher gestellt sein. Die sogenannte Zurechnungszeit wird um zwei Jahre angehoben. Das wirkt sich so aus, als ob ein Betroffener bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres in die Rente eingezahlt hätte. Das entspricht einem Plus von 45 Euro im Monat.

Erhöhung des Reha-Budgets: Zur Vermeidung von Frühverrentungen sollen die bislang gedeckelten Mittel für Rehabilitationsleistungen schrittweise bis 2017 erhöhrt werden. Dies soll der demografischen Entwicklung Rechnung tragen: Immer mehr Angehörige der geburtenstarken Jahrgänge erreichen das reha-intensive Alter ab 45 Jahren.

Wen betrifft die Mütterrente?

Theoretisch betrifft die Mütterrente auch Väter, die mehrere Jahre nicht erwerbstätig waren, um ihre Kinder zu betreuen. Tatsächlich profitieren aber vor allem Frauen von der Neuregelung - es sind rund 9,5 Millionen. Künftig werden die Erziehungszeiten von Eltern, die vor 1992 Kinder bekommen haben, stärker angerechnet. Statt einem Jahr werden nun zwei Erziehungsjahre anerkannt.

Diese Regelung gilt auch für Eltern, die bereits in Rente sind. Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit zwecks Kindererziehung unterbrochen haben, bekommen dafür ab 1. Juli dieses Jahres monatlich pro Kind einen zusätzlichen Betrag von pauschal 28,14 brutto im Westen und 25,74 brutto im Osten.

Was kostet die Mütterrente?

Es ist der teuerste Posten im neuen Rentenpaket. Rund 6,7 Milliarden Euro pro Jahr soll die Mütterrente voraussichtlich kosten. Insgesamt ist das Rentenpaket mit etwa neun bis elf Milliarden Euro jährlich veranschlagt. Finanziert werden soll das Paket in den kommenden vier Jahren aus den Rentenkassen, ab 2019 beteiligt sich der Bund mit zusätzlichen Geldern aus Steuermitteln.

Was sagen Kritiker?

Zu den schärfsten Kritikern gehört der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische. Er monierte schon vor Wochen insbesondere die Finanzierung aus den Rentenkassen. Diese hätte "gravierende finanzielle Auswirkungen", so Rische. Zudem wäre sie "ordnungspolitisch falsch und rechtlich unzulässig". Nur eine Finanzierung aus Steuermitteln gewährleiste, dass alle an der Finanzierung beteiligt würden - auch diejenigen, die nicht gesetzlich rentenversichert seien, wie beispielsweise Ärzte oder Anwälte, die über Berufsverbände rentenversichert seien, oder diejenigen, deren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt.

Auch der Sozialbeirat der Bundesregierung sprach sich gegen die Reformpläne aus. In seinem Jahresbericht für 2013 kritisierte das Gremium besonders die Finanzierung aus den Reserven der Rentenkassen. Mittelfristig seien höhere Beiträge zur Rentenversicherung notwendig, um die Mehrausgaben bewältigen zu können. Das hätte zur Folge, dass die jährlich im Juli übliche Rentenerhöhung geringer ausfallen könnte.

Wen betrifft die Rente ab 63?

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren gibt es bereits seit 2012. Seitdem wird die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt stufenweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hat, durfte auch weiterhin mit dem 65. Geburtstag in Rente gehen. Diese Regelung soll künftig auch schon für 63-Jährige gelten.

Welche Jahrgänge profitieren besonders?

Nutznießer sind vor allem jene, die 1952 und in den Jahren danach geboren wird. Allerdings wird der Vorteil von Jahrgang zu Jahrgang kleiner: Wer 1953 geboren wurde, kann erst mit 63 Jahren und zwei Monate abschlagsfrei in Rente, für den 1954er-Jahrgang sind es 63 Jahre und vier Monate, usw. Für alle, die 1964 oder später geboren sind, bleibt alles beim alten: Sie können erst mit 65 Jahren in Rente, wenn sie keine Abschläge in Kauf nehmen wollen.

Welche Jahrgänge erleiden Nachteile?

Alle anderen. Besonders hart trifft die Rentenreform die jüngere Generation, deren Rentenbeiträge stärker als ohnehin vorgesehen steigen werden. Das zeigt sich auch darin, das die für dieses Jahr eigentlich geplante Beitragssenkung von 18,9 auf 18,3 Prozent zurückgenommen wurde. Doppelt bitter: Die "Rente mit 63" gilt für diejenigen, die die "Rente mit 63" im Wesentlichen finanzieren, nicht (siehe oben). Übrigens zählen auch die heutigen Rentner zu den Leidtragenden der Reform: Denn je mehr Menschen in Rente sind (also künftig vor allem mehr 63- und 64-Jährige), desto weniger Geld aus der Rentenkasse bleibt für jeden einzelnen Ruheständler übrig. Die Rentenanpassungen würden "gedämpft", heißt es dazu im Gesetzentwurf des Bundesregierung.

Welche Zeiten zählen für die 45 Beitragsjahre mit?

  • Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung,
  • Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus selbstständiger Tätigkeit
  • Wehr- oder Zivildienst
  • Pflege von Angehörigen
  • Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes
  • Zeiten, in denen Arbeitslosengeld oder Teilarbeitslosengeld bezogen wurde
  • Krankengeldbezug
  • Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wurde
  • Zeiten des Bezugs von Leistungen bei beruflicher Weiterbildung
  • Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld und Winterausfallgeld
  • Zeiten des Bezugs von Insolvenzgeld (Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers)
  • Ersatzzeiten, also zum Beispiel Haftzeiten in der DDR in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 30. Juni 1990, soweit die Versicherten rehabilitiert wurden.

Diese Regelung gilt nicht für Zeiten, in denen Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II bezogen wurde. Langzeitarbeitslose profitieren somit nicht von der Neuregelung. Auch Schul- und Studienzeiten werden nicht berücksichtigt.

Was kostet die Rente ab 63?

Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) werden die Beitragszahler durch diese Neuregelung mit erheblichen Mehrkosten belastet. Die Kosten der Rente ab 63 sollen von jährlich 1,9 Milliarden Euro auf 3,1 Milliarden im Jahr 2030 steigen.

Was sagen Kritiker?

Männer profitieren deutlich stärker als Frauen. Da Frauen ihre Erwerbsbiografie öfter unterbrechen um Kinder zu erziehen, aber maximal zwei Erziehungsjahre angerechnet werden, erreichen zurzeit nur 0,5 Prozent der Frauen die notwendigen 45 Beitragsjahre. Die Profitierenden der Rente ab 63 sind zu 85 Prozent Männer. Zudem haben Versicherte mit besonders vielen Versicherungsjahren ohnehin deutlich höhere Rentenansprüche als andere.

Viele Kritiker stören sich aber vor allem daran, dass die in den späten 50-ern geborenen "Baby-Boomer" einseitig zulasten der Jüngeren profitieren. Der Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus F. Zimmermann, sprach im Interview mit tagesschau.de von einem "Verrat an der jüngeren Generation, die ohnehin in Zukunft erhebliche Lasten zu tragen haben wird".

Zudem gibt es technische Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Arbeitslosengeld (inzwischen ALG I) und Arbeitslosenhilfe (inzwischen ALG II), insbesondere für die Jahre von 1978 bis 2001. Denn die Daten, ob jemand Arbeitslosengeld oder -hilfe bezog, löscht die Bundesagentur für Arbeit nach fünf Jahren.

Wer profitiert von der Erwerbsminderungsrente?

Wer aus gesundheitlichen Gründen vermindert oder gar nicht mehr arbeiten kann, soll mehr Rente bekommen. Die Rente der Betroffenen wird so berechnet, als ob sie mit ihrem früheren durchschnittlichen Einkommen bis 62 in die Rentenkasse eingezahlt hätten, also zwei Jahre länger als bisher. Das bringt brutto ein Plus von bis zu 40 Euro im Monat.

Die letzten vier Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung können künftig unberücksichtigt bleiben, wenn sie - etwa wegen gesundheitsbedingter Reduzierung der Arbeitszeit - bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens negativ zu Buche schlagen würden.

Auch dieser Teil des Rentenpaketes tritt zum 1. Juli 2014 in Kraft.

Was kostet die Erwerbsminderungsrente?

Für höhere Erwerbsminderungsrenten werden Mehrausgaben in Höhe von 2,1 Milliarden Euro veranschlagt.

Was sagen Kritiker?

2012 bezog bereits jeder fünfte Neurentner eine Erwerbsminderungsrente. Gleichzeitig waren die Erwerbsminderungsrenten selbst deutlich gesunken. Waren es 2001 noch 676 Euro monatlich, lag der Betrag 2012 um fast 70 Euro niedriger. Eine Ursache dafür ist, dass unter 60-jährige auch dann Rentenabschläge zahlen müssen, wenn sie selbst Rente beziehen. Die Partei Die Linke kritisiert, dass dies im Rentenpaket unverändert bleibt.

Was bedeutet die Erhöhung des Reha-Budgets?

Die Erhöhung des Budgets für Rehabilitation ist als temporäre Maßnahme angelegt. Grund ist, dass die Baby-Boomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, ein Alter erreicht haben, in dem sie häufiger auf Reha-Maßnahmen angewiesen sind. Durch Rehabilitation soll Frühverrentung vorgebeugt werden.

Die Bundesregierung will nun das Reha-Budget an die Bevölkerungsentwicklung anpassen. In diesem Jahr noch soll das Budget um 100 Millionen Euro erhöht werden. Das zusätzliche Budget steigt auf 233 Millionen Euro im Jahr 2017. Danach soll es schrittweise wieder abgebaut werden, bis die Baby-Boomer in Rente gegangen sind.