Boris Palmer an einem Rdnerpult

Die Einladung von Tübingens OB Palmer zu einer Konferenz an der Frankfurter Uni sorgte schon im Vorfeld für Kritik - und tatsächlich kam es dort zum Eklat. Die Veranstalterin gibt sich überrascht - und erntet dafür noch mehr Kritik.

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Susanne Schröter: "Ich bin so sauer"

Susanne Schröter an einem Rednerpult
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Update 01.05.2023: Palmer kündigt Auszeit an und verlässt Grüne

Boris Palmer kündigte am Montag eine Auszeit an, wie der SWR berichtete. In einer Erklärung heißt es demnach, es sei ihm klar, dass es so nicht weitergehe. Er werde daher professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und den Versuch machen, seinen Anteil an diesen zunehmend zerstörerischen Verstrickungen aufzuarbeiten. Wie diese Auszeit konkret aussehen soll, wollte Palmer auf SWR-Nachfrage nicht erläutern.

Wenig später teilte Palmer mit, dass er bei den Grünen ausgetreten sei. Seine Parteimitgliedschaft hatte zuletzt geruht.

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Der Eklat begann bereits vor der Konferenz: Mehrere Dutzend Demonstrierende vor dem Gebäude auf dem Universitätsgelände in Frankfurt konfrontierten Tübingens umstrittenen Oberbürgermeister Boris Palmer am Freitagabend damit, dass dieser bei Facebook das N-Wort verwende.

Eine Aufnahme der Szene stellte unter anderem der Publizist Ruben Gerczikow ins Netz, der zu Antisemitismus recherchiert. Ein Schwarzer fragt Palmer, ob er ihm das Wort ins Gesicht sagen wolle, woraufhin Palmer das N-Wort erneut wiederholt.

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"Palmer betreibt Shoa-Relativierung"

Die Demonstrierenden skandieren "Nazis raus", Palmer stimmt mit ein und sagt: "Ich will keine Nazis in diesem Land." Auf die Kritik der Demonstrierenden antwortet Palmer: "Ich habe ein Wort gesagt, und ihr sagt 'Nazi' zu mir. Das ist nichts anderes als der Judenstern."

In den sozialen Medien löste diese Äußerung eine Welle der Empörung aus. Gerczikow vom American Jewish Comittee Berlin twitterte, damit betreibe Palmer "Shoa-Relativierung und will sich als Opfer darstellen".

Schirmherr der Frankfurter Konferenz unter dem Titel "Migration steuern, Pluralität gestalten - Herausforderungen und Konzepte von Einwanderungspolitiken" war Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Organisiert wurde die Veranstaltung vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam. Dessen Direktorin ist die Ethnologin Susanne Schröter, die bereits im Vorfeld für die aus Sicht einiger Uni-Beschäfigten und Studierenden einseitige Auswahl der Referenten kritisiert worden war.

Moderator legt Moderation nieder

Schröter leitete Palmers Vortrag im Saal mit der Frage ein, was draußen passiert sei. Palmer führte aus und sagte, er benutze das N-Wort. Der "simple Sprechakt" gebe keinerlei Auskunft, ob die Person "ein Nazi ist oder nicht". Palmer wiederholte das N-Wort auch während seiner Rede mehrfach.

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Empörung über Palmer-Auftritt an Frankfurter Uni

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Moderiert wurde die Veranstaltung vom Kulturwissenschaftler Adrian Gillmann. Als Schröter "zum Programm übergehen" und ihm die "Moderation zurückgeben" wollte, erklärte Gillmann, das N-Wort habe zu Unterdrückung und Gewalt geführt - und er sei nach Palmers Ausführungen "zu emotional, um die Moderation fortzuführen". Er verließ die Bühne mit den Worten: "Ich möchte mit Ihnen, Herr Palmer, nichts mehr zu tun haben."

"Wer Palmer einlädt, bekommt Palmer"

Palmers Ausführungen kommentierte Schröter während der Veranstaltung nicht. Am Samstagvormittag twitterte sie, sie distanziere sich "nachdrücklich" von den Äußerungen Palmers. Sein Verhalten habe die "sehr gute und differenziert geführte Tagung schwer beschädigt und ist nicht akzeptabel".

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Zahlreiche Twitter-Nutzerinnen und Nutzer warfen Schröter allerdings Unglaubwürdigkeit vor - darunter auch der Publizist Max Czollek. Meinungsfreiheit zu fordern und bei ihrer Überschreitung keine Zivilcourage zu zeigen, sei "eine Form (kalkulierter) Kompliz*innenschaft". Czollek betonte: "Wer Palmer einlädt, bekommt Palmer."

Veranstalterin "deprimiert" über "unmögliches Verhalten"

"Ich habe Palmer nicht eingeladen, weil er sich zum N-Wort äußert", rechtfertigte sich Schröter am Samstag in einem Interview mit dem hr. Zur Frage, warum sie Palmer im Saal auf den Vorfall vor dem Gebäude ansprach und ihn dadurch auf der Bühne das N-Wort reproduzieren ließ, sagte Schröter, sie habe ihm die Möglichkeit geben wollen, "zu schildern, um was es eigentlich ging". Das sei ihre Rolle als Veranstalterin. Seine Erklärung sei allerdings "unterkomplex" gewesen.

Die "ausgezeichneten Vorträge" der anderen Referenten seien durch Palmer "mit einem Federstrich zunichte gemacht" worden. Sie sei "wirklich deprimiert" und "so sauer", sagte Schröter. "Es ist mir unverständlich, dass man sich provozieren lässt von demonstrierenden Studenten und dann einen Kampf anfängt und sämtliche Vorurteile bestätigt." Palmer habe "überhaupt kein Gespür für Anstand".

Uni-Präsident erwartet die Entschuldigung

Frankfurts Uni-Präsident Enrico Schleiff hatte zuvor gefordert, Schröter müsse "Verantwortung übernehmen und klar öffentlich Stellung zu den Vorfällen beziehen, um die Glaubwürdigkeit des Ziels des wissenschaftlichen Diskurses, mögliche Wege für eine integrative Migrationspolitik zu diskutieren, wieder herzustellen".

Menschen protestieren mit Schildern, auf denen "Rassismus ist keine Wissenschaft" steht, gegen eine Tagung an der Frankfurter Goethe-Universität

Schleiff betonte: "Jede explizite oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen unakzeptabel und wird an und von der Goethe Universität nicht toleriert." Das gelte gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe. Palmers "Rechtfertigungsversuche der Verwendung des von ihm gewählten Wortes" während der Tagung verurteile er aufs Schärfste, betonte Schleiff. "Daher erwarte ich nicht nur eine öffentliche Entschuldigung von Herrn Palmer an die von seiner Beleidigung betroffenen Personen, sondern auch an die jüdische Gemeinschaft und gegenüber der Goethe-Universität."

Der Mitschnitt der Veranstaltung war am Samstagvormittag auf dem Youtube-Kanal des Forschungszentrums Globaler Islam abrufbar, am Mittag jedoch nicht mehr. Die Gründe konnte Schröter auf Nachfrage zunächst nicht erklären.

Justizminister: Beiträge von Palmer indiskutabel

Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU), der in einem Grußwort zu Beginn der Konferenz am Freitagvormittag dazu aufgerufen hatte, die "komplexe Debatte über Einwanderung und Integration" nicht den "lautstarken Rändern links wie rechts" zu überlassen, twitterte am Samstagvormittag: "Die Wortwahl und die Beiträge von Boris Palmer an der Universität Frankfurt sind indiskutabel."

Derartige Provokationen leisteten "Spaltung, Ausgrenzung und Rassismus Vorschub". Poseck betonte: "Sie schaden in einer Debatte, die mit Sensibilität und Ernsthaftigkeit zu führen ist."

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Redner: rassistisch und verletzend

Auch Redner Ahmad Mansour distanzierte sich von Palmer. Bereits während der Konferenz kritisierte er die Verwendung des N-Wortes. Er twitterte am Samstag, das N-Wort sei rassistisch und verletzend. "Deshalb halte ich es für falsch insgesamt, aber vor allem im Kontext einer Tagung über Migration und Integration, so ein Wort zu verwenden", betonte der Psychologe.

An der Konferenz nahmen außerdem unter anderem der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, und der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, teil.

Uni-Mitarbeiter kritisieren "einseitige Betrachtung des Islams"

Der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni Frankfurt hatte die Veranstaltung bereits vorab scharf kritisiert. Der AStA warf den Veranstaltern unter anderem eine einseitig ausgewählte Referentenliste vor und organisierte eine "Gegenkonferenz".

Der AStA verwies auch auf einen Offenen Brief einiger wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Goethe-Uni. Darin äußern diese vorab ihre Bedenken. Es seien "mehrere Personen des öffentliches Lebens geladen, die sich in den letzten Jahren auf zahlreichen Kommunikationswegen rechtsoffen und explizit rassistisch geäußert haben. Die Veranstaltung biete diesen eine Plattform, kritisierten die Uni-Mitarbeiter weiter.

Schröters "einseitige Betrachtung des Islams und der Migration" reproduziere "rassistische und islamfeindliche Bilder und Stereotype". Indem die Universität die Veranstaltung ausrichte, werde sie ihrer Verantwortung des Schutzes von "marginalisierten Menschen und Menschengruppen" nicht gerecht.

Palmers Mitgliedschaft bei den Grünen ruht

Palmer war im Oktober vergangenen Jahres als Tübinger Oberbürgermeister wiedergewählt worden. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt - auch von seinen damaligen grünen Parteikolleginnen und -kollegen. Ein Parteiausschlussverfahren endete vor einem Jahr mit dem Kompromiss, dass Palmer seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende dieses Jahres ruhen lässt.

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