EU-Kommission gibt offenbar Widerstand auf Pkw-Maut könnte doch bald kommen

Stand: 04.11.2016 04:28 Uhr

Pünktlich zum CSU-Parteitag kam die Nachricht: Die Pkw-Maut, ein Kernprojekt der CSU und ihres Verkehrsministers Dobrindt, könnte doch noch kommen - wenn auch anders als zunächst geplant. Eine Überraschung. Ein Durchbruch? SPD und Grüne sind skeptisch.

Im Streit mit der EU über die Pkw-Maut zeichnet sich nun doch eine Einigung ab - eine gute Nachricht für Verkehrsminister Alexander Dobrindt pünktlich zum CSU-Parteitag, der heute in München beginnt. Eine Kommissionssprecherin sagte, es gebe weitreichende Fortschritte in den Verhandlungen und bestätigte damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung. Man sei zuversichtlich, letzte Fragen noch im November klären zu können. Auch Dobrindt bestätigte dies. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, "wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht".

Ist die Brüsseler Klage vom Tisch?

Die Pkw-Maut sollte eigentlich Anfang 2016 starten. Das Gesetz ist längst beschlossen, es liegt aber auf Eis, weil die Brüsseler Behörde Deutschland wegen der Pläne vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hat und bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte.

"Die Ankündigung der Europäischen Kommission, von der Klage abzuweichen, ist schon eine faustdicke Überraschung. Warum nun Herr Juncker davon abrückt, erschließt sich mir persönlich nicht", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Ismail Ertug, dem ARD-Hörfunk.

Günstigere Vignetten für Pendler

Nach Dobrindts Plänen soll die Abgabe für In- und Ausländer gelten. Inländer sollen aber über die Kfz-Steuer entlastet werden. Die EU-Kommission hatte kritisiert, dies führe faktisch zu einer Befreiung von der Maut. Sie sah darin eine Diskriminierung ausländischer Autofahrer. Zudem seien die Kurzzeitvignetten in einigen Fällen zu teuer.

Nach Informationen der "Bild"-Zeitung könnte ein Kompromiss nun so aussehen, dass es zusätzlich zu den geplanten Mautstufen günstigere Kurzzeitvignetten für Pendler aus dem Ausland gibt. Außerdem könnte auf die sogenannte 1:1-Kompensation bei der Kfz-Steuer verzichtet werden. Die neuen Pläne sehen nach Angaben aus Kommissionkreisen vor, die Steuerentlastung an den Schadstoffausstoß zu koppeln.

Diskutiert wird hier offenbar, dass Besitzer besonders umweltfreundlicher Autos sogar etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen könnten als sie Maut zahlen. Das könnte als Umweltförderung deklariert werden und damit ein Stück weiter von einer direkten Maut-Kompensation wegrücken. Das bereits beschlossene Gesetz müsste in den entsprechenden Punkten geändert werden.

Wie wird "umweltfreundlich" definiert?

"Wenn es so weit kommen soll, dass diese Kompensation nicht für alle deutschen Autofahrer erfolgen soll, sondern nur für diejenigen die  ‚umweltfreundliche‘ Autos fahren, dann frage ich mich wiederum, wer wie ‚umweltfreundlich‘ definiert", gab EU-Parlamentarier Ertug zu Bedenken.

Auch die Grünen reagierten skeptisch auf den Durchbruch im Maut-Streit. Entweder werde das Modell vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern oder deutsche Autofahrer würden draufzahlen, weil es keine 1:1-Kompensation für sie geben werde, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Berliner Zeitung". "Damit wäre das zentrale Versprechen von Union und SPD gebrochen", so Hofreiter.

ADAC warnt vor Mehrbelastung für deutsche Autofahrer

Der ADAC pochte auf Einhaltung der Zusagen für deutsche Autofahrer. Sollte eine Maut tatsächlich Realität werden, müsse es verbindliche Garantien geben, forderte ein ADAC-Sprecher. "Keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, keine Ungerechtigkeiten zwischen den europäischen Autofahrern und jede Mehreinnahme muss zweckgebunden in die Zukunft der Mobilität investiert werden." Nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags von Union und SPD sollen deutsche Autofahrer nicht draufzahlen müssen.

Noch ist nicht klar, wie der Maut-Kompromiss am Ende genau aussehen soll - und wie rechtlich wasserdicht er ist. Doch bei der Kommission hält man eine Einigung noch in diesem Monat für möglich.

Kernprojekt der CSU im Wahlkampf

Die Maut ist allerdings auch innenpolitisch äußerst umstritten. Im Bundestagswahlkampf 2013 war sie ein Kernprojekt der CSU. Innerhalb der Koalition sieht vor allem die SPD das Vorhaben kritisch, auch CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel hatte es ursprünglich abgelehnt.

Die CSU hatte als Argumente angeführt, die Maut bringe dringend benötigte Mittel für den Straßenbau. Zudem sei sie eine Frage der Gerechtigkeit, da es auch in vielen Nachbarländern Deutschlands eine Maut gebe. Die Kritiker der Maut-Pläne verweisen unter anderem auf den hohen bürokratischen Aufwand, dem geringe Einnahmen gegenüberstünden, sowie auf mögliche negative Effekte in den Grenzregionen

Mit Informationen von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel

Kernpunkte zur geplanten Pkw-Maut

- Die Pkw-Maut soll für inländische Autobesitzer auf Autobahnen und Bundesstraßen gelten, für Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen.
- Die Kosten richten sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos - im Schnitt sollen sie bei 74 Euro im Jahr liegen. Für Ausländer soll es zudem eine Kurzzeitmaut geben.
- Belastet werden unter dem Strich nur Ausländer. Inländer bekommen ihr Geld durch eine Senkung der Kfz-Steuer zurück.
- Kontrolliert werden soll durch einen elektronischen Abgleich mit dem Autokennzeichen, eine Klebevignette wie etwa in Österreich gibt es also nicht.

Kai Küstner, K. Küstner, ARD Brüssel, 03.11.2016 23:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 03. November 2016 um 22:15 Uhr.