Streit um Flüchtlingsobergrenze Österreichs Kurs setzt Merkel unter Druck

Stand: 22.01.2016 21:10 Uhr

Österreich macht, was die CSU für Deutschland seit Wochen fordert: Das Land kündigt eine Obergrenze für Asylbewerber an. Merkel-Kritiker sehen die Kanzlerin jetzt unter Zugzwang. Und erhöhen den Druck auf sie.

Die Ankündigung Österreichs, Obergrenzen für Asylbewerber einzuführen, hat den Kritikern der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Auftrieb verliehen. "Ich begrüße die Vorgehensweise Österreichs", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Sie ist ein deutlicher Fingerzeig, dass auch wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher."

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte: "Wenn Ende März auch bei uns die Zahl der Ankommenden wieder steigt und wir eine Entwicklung wie im vorigen Jahr bekommen, wird Deutschland seinen Kurs korrigieren müssen."

Die Regierungskoalition in Österreich und die Ministerpräsidenten des Landes hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, dass bis Mitte 2019 nur noch höchstens insgesamt 127.500 Asylbewerber nach Österreich kommen dürfen. Für das laufende Jahr sind 37.500 vorgesehen. Das wären rund 50.000 weniger als 2015. Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist noch offen.

CSU: Signal aus Österreich "sehr ernst nehmen"

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte dazu auf, das Signal aus Österreich "sehr ernst" zu nehmen. "Es ist jetzt eine echte Brücke, denn wenn Österreich eine solche Obergrenze beschließt, muss Deutschland auch eine solche Obergrenze beschließen", sagte er dem TV-Sender RTL am Rande der CSU-Winterklausur in Wildbad Kreuth. "Deswegen ist es jetzt wichtig, dass wir die europäische Einigung erreichen und zwar dadurch, dass wir alle in Europa den gleichen Weg gehen. Der heißt: Begrenzung der Zuwanderung mit einer Obergrenze."

Der Dissens zwischen Kanzlerin Merkel und der CSU über die Flüchtlingspolitik war am Mittwoch auf der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion offen zutage getreten. Merkel wies die Forderung nach einem schnellen Kurswechsel und der Festlegung einer Obergrenze erneut zurück. CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich nach dem Merkel-Auftritt enttäuscht. "Es gab keine Spur des Entgegenkommens. Wir gehen da politisch auf schwierige Wochen und Monate zu." Er schloss jedoch aus, dass die CSU die Koalition aufkündigen werde. Die CSU wolle weiterhin "in die CDU hineinwirken", sagte Seehofer in den tagesthemen.

SPD: Ankündigung Österreichs ist ein Hilferuf

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die Ankündigung aus Österreich einen Hilferuf. Er mache klar, dass Deutschland, Schweden und Österreich die Flüchtlinge nicht alleine aufnehmen könnten. "Umso dringlicher ist es jetzt, endlich für sichere Außengrenzen zu sorgen", sagte Oppermann dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Das müsse bald passieren, sonst zerbreche Europa.

SPD-Parteivize Ralf Stegner warnte erneut vor "Scheinlösungen". Die CSU vermittele den falschen Eindruck, man könne einfach einen Schalter umlegen und den Flüchtlingszustrom begrenzen. "Es macht doch keinen Sinn, öffentlich ständig über Plan B, C oder D zu spekulieren. Wir müssen gemeinsam Antworten finden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die von Österreich angekündigte Obergrenze ist aus seiner Sicht kein Vorbild für Deutschland. Grenzschließungen lehnt die SPD ebenfalls ab. "Europas starke Wirtschaft hängt von offenen Grenzen ab", sagte Stegner.

FDP: Die Kanzlerin muss jetzt Farbe bekennen

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sieht die Kanzlerin nach dem Vorstoß Österreichs unter Zugzwang: "Die Entscheidung zwingt die Bundeskanzlerin, Farbe zu bekennen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Frau Merkel muss uns nun erklären, warum Österreich eine solche Grenze einführen kann, Deutschland aber nicht. Das führt doch ihre sämtlichen Erklärungen ad absurdum."

Die österreichische Regierung hatte gestern erklärt, sie werde bis Mitte 2019 nur noch höchstens insgesamt 127.500 Asylbewerber ins Land lassen. Für das laufende Jahr sieht der Beschluss noch 37.500 Flüchtlinge vor. Das wären rund 50.000 weniger als 2015. Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist noch offen. Außerdem ist unklar, ob der Schritt mit EU-Recht vereinbar ist.

Nach der Erklärung hatten mehrere Balkan-Staaten angekündigt, weniger Flüchtlinge durchreisen zu lassen. Serbien und Kroatien wollen nur noch Flüchtlinge einreisen lassen, die in Deutschland oder Österreich Asyl beantragen möchten.