Interview

Präsident des Deutschen Mieterbundes Die Mietpreisbremse greift, aber ...

Stand: 01.06.2015 00:52 Uhr

Für den Deutschen Mieterbund kann die Einführung der Mietpreisbremse ab 1. Juni nur ein erster Schritt sein. Präsident Rips erklärt im Interview mit tagesschau.de, warum die Deckelung der Mieten allein nicht ausreicht, um den Wohnungsmarkt zu entspannen.

tagesschau.de: Nur Berlin führt die Mietpreisbremse zum 1. Juni ein. Warum ist man in anderen Bundesländern noch nicht so weit?

Franz-Georg Rips: Berlin ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingestiegen. In weiten Teilen der Hauptstadt ist die Wohnsituation ja besonders schwierig. In den Bundesländern außer Berlin laufen die Prüfungen. Zum einen gilt es, die Marktsituation zu erfassen. Die Mietpreisbremse kann nur dann greifen, wenn vorher eine angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt festgestellt wird.

Zum anderen müssen die Bundesländer auch für Rechtssicherheit sorgen. Die Mietpreisbremse wird von Teilen der anbietenden Wohnungswirtschaft wie Vermietern und Bauträgern scharf angegriffen, die im Zweifel auch gegen gedeckelte Mieten klagen werden. Zum Beispiel wird dann behauptet, die Lage sei nicht angespannt.  Dafür gilt es sich zu wappnen.

Franz-Georg Rips (Archivbild vom 06.12.2012)
Zur Person

Seit 2007 ist Franz-Georg Rips Präsident des Deutschen Mieterbunds. Der Jurist engagiert sich im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Bundesverband und im Kuratorium der Stiftung Warentest. Zwischen 2009 und 2012 war Rips Bürgermeister von Erftstadt in der Nähe von Köln.

tagesschau.de: Wird die Mietpreisbremse tatsächlich dazu führen, dass die Mieten weniger schnell steigen?

Rips: Nach unserer Einschätzung ja. Zum ersten Mal ist in Deutschland eine Deckelung der Mieten bei einer Wiedervermietung möglich, also bei einer Wohnung, die schon mal vermietet war. Wir sind davon überzeugt, dass das zum Teil explosive Ansteigen von Mieten zumindest besser in den Griff zu kriegen ist.

Was spiegelt der Mietspiegel wider?

tagesschau.de: Neue Mieten dürfen um nicht mehr als zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete steigen. Wie sinnvoll ist dieser Maßstab?

Rips: Das Mietpreissystem in Deutschland ist an die ortsübliche Vergleichsmiete geknüpft. Deswegen war es grundsätzlich richtig, die Vergleichsmiete heranzuziehen, um überteuerte Mieten festzustellen. Allerdings ist anzunehmen, dass in Zukunft mehr darüber gestritten wird, wie die Vergleichsmiete errechnet wird und wie sich der Mietspiegel zusammensetzt.

Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert die ortsübliche Vergleichsmiete nach den Mieten, die im gleichen Ort oder in einer vergleichbaren Gemeinde in den vergangenen vier Jahren gezahlt worden sind, und zwar für eine Wohnung vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage. Ortsübliche Vergleichsmieten werden am besten in einfachen und qualifizierten Mietspiegeln ausgewiesen.

Dabei unterscheiden sich die Spiegel in ihren Anforderungen. Für den einfachen Mietspiegel gibt es keine einheitlichen Kriterien. Durchgesetzt hat sich aber, dass dort Kaltmieten ausgewiesen werden. Qualifizierte Mietspiegel sind so zu erstellen, dass die angewandten Ermittlungsmethoden dokumentiert werden und nachvollziehbar und überprüfbar sind.

tagesschau.de: Was sagt der Mietspiegel überhaupt aus?

Rips: Mietspiegel sind immer auf die jeweiligen Orte bezogen. Sie gelten nie bundesweit. Meiner Meinung nach können Mietspiegel auch nicht rein statistischen Prinzipien folgen. Was eine gute Wohnlage ausmacht, kann individuell sehr verschieden sein. Der eine bevorzugt den Kindergarten in der Nachbarschaft, der andere kann gut darauf verzichten.

Die Höhe der Miete in den einzelnen Städten und damit auch in den einzelnen Mietspiegeln variiert sehr stark. Zu berücksichtigen ist zum Beispiel auch, wie sehr der Markt für Mietwohnungen sich entwickelt hat. Berlin hatte und hat da einen gewissen "Nachholbedarf". Hier waren die Mieten über sehr lange Zeit vergleichsweise günstig. Im Vergleich zu München oder Stuttgart sind sie es immer noch. Das liegt aber auch daran, dass die privaten Haushalte in Berlin über weniger Kaufkraft verfügen.

tagesschau.de: Immobilienmakler sollen zukünftig von dem bezahlt werden, der sie beauftragt. Das ist in der Regel der Vermieter. Wer prüft das nach?

Rips: Das können nur die Vertragsbeteiligten. Allerdings müssen wir jetzt schon feststellen, dass versucht wird, die Regelung zu umgehen. Da wird dann statt der Provision eine Bearbeitungsgebühr erhoben oder eine Küche oder anderes Mobiliar bei der Anmietung mit verkauft. Das ist rechtlich nicht zulässig.

Manche Makler verschleiern auch den Vermieter als Auftraggeber, in dem sie viele Wohnungen anbieten, aus denen sich der Mieter dann eine aussucht und den Makler "beauftragt", Kontakt mit dem Vermieter aufzunehmen.

Erst zahlen, dann beschweren

tagesschau.de: Was kann ich als Mieter tun, wenn klar wird, dass diese Regel unterlaufen werden soll? Vor allem in Großstädten sind Wohnungssuchende ja oft  in der schlechteren Position.

Rips: Wer darauf angewiesen ist, eine Wohnung zu finden, wird im Zweifel erst mal zahlen müssen. Sollte sich herausstellen, dass der Vorgang nicht rechtens ist, muss der Mieter seine Rückforderungsansprüche geltend machen. Ansprechpartner sind hier die Mietervereine. Wir in der Dachorganisation des Deutschen Mieterbundes verstehen uns hier durchaus als Marktwächter.

tagesschau.de: Befürchtet wird, dass durch die Mietpreisbremse Wohnraum noch knapper wird, weil sich Vermieten nicht mehr lohnt und Wohnungen deshalb verkauft werden. Halten Sie das für wahrscheinlich?

Rips: Nein. Seit zwei Jahren wird über die Mietpreisbremse diskutiert. Wir haben aber seitdem nicht feststellen können, dass der Bau von Mietwohnungen erkennbar eingeschränkt wurde. Die Erstvermietung von neugebauten Wohnungen ist ja ohnehin nicht von der Mietpreisbremse betroffen. Das halten wir für falsch, ist aber so geregelt.

Das Interview führte Ute Welty, tagesschau.de

Wer führt wann die Mietpreisbremse ein?

Baden-Württemberg: Derzeit werden die betroffenen Gebiete bestimmt. Dabei richtet sich der Fokus auf Groß- und Universitätsstädte. Geplant ist der Start für Sommer.
Bayern: Noch ist unklar, wo die Mietpreisbremse gelten soll.
Berlin: Die Mietpreisbremse gilt ab 1. Juni für die gesamte Stadt.
Brandenburg: Es wird geprüft, ob und wo eine Begrenzung sinnvoll ist. Entschieden wird darüber laut Infrastrukturministerium im Laufe des Jahres.
Bremen: Die Mietpreisbremse soll in der Stadt eingeführt werden. Geplant ist das für Mitte des Jahres. In Bremerhaven wird es keine Mitpreisbremse geben.
Hamburg: Der Senat will die Bremse flächendeckend einführen. Dagegen wehren sich Vermieter. Derzeit laufen Gespräche, die "zeitnah" einen Kompromiss finden wollen.
Hessen: Ein Starttermin ist nicht bekannt. Zuletzt hatte vor allem Frankfurt auf eine Mietbegrenzung gedrängt. 
Mecklenburg-Vorpommern: Das Land hat bisher keine Pläne geäußert, eine Mietpreisbremse einzuführen. 
Niedersachsen: Die Einführung wird wohl bis 2016 dauern. Womöglich wird zuvor per Gutachten geprüft, in welchen Städten die Miete gedeckelt wird.
Nordrhein-Westfalen: Laut Bauministerium könnte die Regelung im Frühsommer in Kraft treten. Betroffene Gebiete werden mit einem Gutachten ermittelt.
Rheinland-Pfalz: Die Mietpreisbremse soll ab Sommer in den drei Unistädten Mainz, Trier und Landau greifen.
Saarland: Im kleinsten Flächenland gibt es wahrscheinlich keine Mietpreisbremse. Laut Justizministeriums wird das aber noch geprüft. Auf
dem Wohnungsmarkt gebe es tendenziell ein Überangebot.
Sachsen: Im Freistaat sind die Prüfungen noch nicht abgeschlossen. Wenn das Gesetz in Kraft ist, müssen Kommunen ihren Bedarf beim Innenministerium anmelden.
Sachsen-Anhalt: Das Land will keine Mietpreisbremse und beklagt bis zu 12 Prozent Leerstand.
Schleswig-Holstein: Bis Jahresende soll klar sein, wo die Regelung eingeführt wird.
Thüringen: Wenn die Kommunen wollen, könnte die Verordnung bis zur Sommerpause auf dem Weg sein, hieß es zuletzt beim Infrastrukturministerium. Als angespannt gilt der Wohnungsmarkt in Erfurt, Weimar und Jena.