Regierungserklärung Merkels zur Eurokrise "Die Politik hat jedes Vertrauen verspielt"

Stand: 02.12.2011 09:58 Uhr

Kanzlerin Merkel hat vor Erwartungen gewarnt, die Schuldenkrise könne schnell gelöst werden. "Es gibt keinen Befreiungsschlag", sagte sie in einer Regierungserklärung. Es gehe nun darum, Konstruktionsfehler beim Euro zu beheben. Die Politik habe jegliches Vertrauen verspielt. Die EU befinde sich in einer schweren Krise.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat davor gewarnt, auf ein baldiges Ende der Euro-Krise zu hoffen. In einer Regierungserklärung sagte sie, die Bewältigung sei ein Prozess, der Jahre dauern werde. "Es gibt keinen Befreiungsschlag", betonte sie vor dem Bundestag.

Europa befinde sich in seiner vielleicht schwersten Krise. Grund dafür sei, dass die "Politik jedes Vertrauen verspielt" habe. Die Europäer seien sich aber einig, wie die die Konstruktionsfehler beim Euro überwunden werden könnten. Es werde nur über Einzelheiten, nicht aber über das Ganze gestritten.

Erforderlich sei nun eine Fiskalunion mit "starken Durchgriffsrechten" - zumindest für den Euroraum. Dazu müsse die Unabhängigkeit der Notenbanken geschützt und die Unabhängigkeit der nationalen und europäischen Gerichte gesichert bleiben.

Erneut lehnte Merkel eine Debatte über gemeinsame europäische Anleihen ab. Diese Debatte erübrige sich, solange es keine wirksame Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte gebe.

Welche Beschlüsse die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel am kommenden Freitag anstreben, ließ Merkel offen. Details werde sie mit allen in den kommenden Tagen mit allen Beteiligten besprechen.

Merkel kam mit ihrer Rede einer Bitte der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Bündnis90/Die Grünen, Frank Walter Steinmeier und Jürgen Trittin, nach. Diese hatten sie zu einer Erklärung vor dem EU-Gipfel aufgefordert.

In seiner Antwort warf Steinmeier Merkel vor, ein Stabilitätsrisiko für Europa zu sein. Merkel habe in ihrer Regierungserklärung am Kern der Sache vorbeigeredet. Niemand werfe ihr vor, dass es die Krise gebe. "Aber wie sie mit ihr umgehen, das geht auf keine Kuhhaut", sagte Steinmeier.

Merkel trage mit Wankelmütigkeit und Entscheidungslosigkeit Mitverantwortung dafür, dass nichts stabiler geworden sei. Die Kanzlerin habe bislang alle Bastionen geräumt, die sie einmal in der europäischen Diskussion über die Beilegung der Krise eingenommen habe. Daher fehle es ihr an jeder Glaubwürdigkeit. Selbst wohlmeinende europäische Nachbarn seien inzwischen gegen Deutschland aufgebracht, kritisierte der SPD-Fraktionschef weiter.

FDP-Fraktionschef Brüderle sprach sich für Änderungen der EU-Verträge aus, um die Haushaltsdisziplin in den Euro-Staaten besser zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren. Wie die Kanzlerin lehnte er gemeinsamen Anleihen der Euroländer ab.

Bleibt es beim Nein zu Euro-Bonds?

Diesen Aussagen misstraut Grünen-Fraktionschef Jürgen Tritten. Er warf der Bundesregierung vor, der Bevölkerung die Unwahrheit über Euro-Bonds zu sagen. Da die Europäische Zentralbank in großem Umfang Staatsanleihen überschuldeter Länder wie Spanien und Italien aufgekauft habe, gebe es längst eine gemeinsame europäische Haftung für Schulden.

Trittin plädierte dafür, den Euro-Schutzschirm EFSF mit einer Banklizenz auszustatten und ihm damit Zugriff auf Mittel der Europäischen Zentralbank zu geben. Jetzt sei geboten, Ländern wir Italien oder Spanien Möglichkeiten der Refinanzierung zu geben.

Für die Linkspartei vertrat Fraktionschef Gregor Gysi die Ansicht, nicht Staatsverschuldung sei die Ursache der Krise, sondern die Macht von Banken, Versicherungen und Fonds. Der "einzig mögliche Weg" aus der europäischen Krise sei, große Geldinstitute wie die Deutsche Bank zu verkleinern und öffentlich-rechtlich zu organisieren.