
Merkels Sommerpressekonferenz "Europa hat Hausaufgaben nicht gemacht"
Stand: 29.08.2017 14:06 Uhr
Bundeskanzlerin Merkel sieht ihre aktuelle Flüchtlingspolitik als Fortsetzung ihres "Wir schaffen das" vor zwei Jahren. In ihrer Sommerpressekonferenz forderte sie mehr Solidarität in der EU in der Flüchtlingspolitik - und fand deutliche Worte mit Blick auf die Türkei.
Die Aufnahme von Flüchtlingen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 sei "richtig und wichtig" gewesen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer alljährlichen Sommerpressekonferenz - auch mit Blick auf ihr "wir schaffen das" vor zwei Jahren. Damals habe eine humanitäre Ausnahmesituation bestanden.
Nun habe sich die Situation im Vergleich zu 2015 verändert, aber das Thema der Flucht sei immer noch zentral, so Merkel: "Ein Problem, das für die Europäer vor ihrer Haustür stattfindet." Sie trat dem Eindruck entgegen, sie habe sich von ihrer Willkommenspolitik für Flüchtlinge verabschiedet. Die von ihr angeregten Schritte gegen Schlepper, für mehr Entwicklungshilfe und eine humanitäre Unterbringung in Libyen seien "dem gleichen Geist entsprungen" wie die Hilfe für Flüchtlinge im Sommer 2015.
Sommerpressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel
tagesschau 14:00 Uhr, 29.08.2017, Tom Schneider, ARD Berlin
"Brauchen Kontingente für legale Migration"
Europa habe jedoch seither seine "Hausaufgaben" nicht gemacht: Das Dublin-Abkommen, nach dem das Land für Asylsuchende zuständig ist, in dem diejeingen in Europa zuerst angekommen sind, funktioniere nicht mehr. Ebenso gebe es kein funktionierendes Verteilungssystem.
Merkel wiederholte ihre Kritik an EU-Staaten, die sich gegen eine "faire Verteilung" der Flüchtlinge in Europa sträubten. "Es kann nicht sein, dass Europa Solidarität nur dann zeigt, wenn es einigen hilft." Länder wie Italien und Griechenland, wo zurzeit die meisten Flüchtlinge und illegalen Migranten ankommen, dürfe man nicht alleine lassen.
"Über den Tellerrand schauen"
Jetzt müsse man zudem die Fluchtursachen bekämpfen. Die Suche nach langfristigen Maßnahmen sei "davon geleitet, dass wir uns eben nicht einfach abschotten und einfach so weiter machen können", betonte die Kanzlerin. Die Europäer könnten nur dann in Wohlstand und Sicherheit leben, "wenn wir über den Tellerrand schauen und uns mit unserer Nachbarschaft und mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung befassen".
Außerdem bekräftigte sie ihr Bestreben, Kontingente für legale Migration schaffen zu wollen. Mit der Vereinbarung des Migrationsgipfels in Paris "sind wir wieder einen Schritt vorangekommen", sagte Merkel zum gestrigen Treffen. Es sei nun eine Partnerschaft mit afrikanischen Staaten entstanden, die jedoch noch weiterentwickelt werden müsse.
"Komplizierte Phase in deutsch-türkischen Beziehungen"
Bei einem Thema fand Merkel recht klare Worte: den Beziehungen zur Türkei. Hier wünsche sie sich bessere Beziehungen, "aber das hat mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu tun - die sehen wir gerade in der Türkei nicht gewährleistet".
Sie verlangte erneut die Freilassung der in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch inhaftierten Deutschen: "Unsere Forderung heißt ganz eindeutig, dass Menschen, die dort inhaftiert sind, freigelassen werden", so Merkel. Sie verwies unter anderem auf die Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu sowie den Berliner Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner. Ihnen wird Unterstützung von Terroristen vorgeworfen. Aktuell seien die deutsch-türkischen Beziehungen deshalb in einer "komplizierten Phase".
Wahlkampf, Dieselaffäre, Euro
Neben der Migrations- und Flüchtlingspolitik und der Türkei kamen auch viele andere Themen zur Sprache: Im Hinblick auf den Wahlkampf musste sie sich auch einige kritische Fragen gefallen lassen. Warum wollte sie die Regeln für das TV-Duell diktieren? Warum sind Kanzleramtsmitarbeiter auch im CDU-Wahlkampf tätig - sind die Bereiche getrennt?
Wegen der Dieselaffäre kündigte Merkel für November einen zweiten Dieselgipfel mit der Autoindustrie zur Reduzierung von Schadstoffemissionen an. Schritt für Schritt solle erreicht werden, dass keine Fahrverbote in Städten notwendig seien und zugleich Umweltvorschriften eingehalten würden.
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