EU-Studie zum Menschenhandel Mehr Opfer, weniger verurteilte Täter

Stand: 14.04.2013 06:19 Uhr

In der Europäischen Union werden einer Studie zufolge immer mehr Menschen als Prostituierte oder Zwangsarbeiter ausgebeutet. Demnach ist die offizielle Zahl der Opfer von Menschenhandel zwischen 2008 und 2010 um 18 Prozent gestiegen, während die Zahl der verurteilten Menschenhändler um 13 Prozent gesunken ist.

In der Europäischen Union werden laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" immer mehr Menschen als Prostituierte oder Zwangsarbeiter ausgebeutet. Das Blatt beruft sich auf die erste umfassende EU-Studie zum Thema Menschenhandel. Demnach ist die offizielle Zahl der Opfer von Menschenhandel zwischen 2008 und 2010 um 18 Prozent von 6309 auf 9528 gestiegen. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström werde den Bericht am Montag in Brüssel vorstellen.

Der Studie zufolge schaffen es die EU-Mitgliedsländer offenbar nicht, das Problem der organisierten Kriminalität in den Griff zu bekommen. Die Zahl der verurteilten Menschenhändler ist laut dem Bericht in dem untersuchten Zeitraum von 1534 im Jahr 2008 auf 1339 im Jahr 2010 gesunken, das entspricht 13 Prozent. In Deutschland gingen die Verurteilungen sogar um 15 Prozent zurück, von 155 auf 131, wie es weiter heißt.

Deutschland setzte EU-Richtlinie bisher nicht um

Malmström äußerte sich "sehr enttäuscht" darüber, dass "trotz der alarmierenden Tendenzen nur wenige Länder die EU-Richtlinie von März 2011 gegen Menschenhandel umgesetzt haben" Diese Kritik richtet sich auch gegen Deutschland: Die Bundesregierung hat die Vorgaben aus Brüssel bisher nicht gesetzlich umgesetzt, weil sich Union und FDP nicht auf ein schärferes Strafrecht einigen konnten.

Im April 2011 hatte der Europäische Rat eine neue EU-Richtlinie gegen Menschenhandel erlassen, welche den alten Beschluss aus dem Jahr 2002 ersetzt. Die neue Richtlinie erweitert die Definition von Menschenhandel und sieht vor, diesen härter zu bestrafen.

Ein Sprecher von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte der "Welt am Sonntag", das Ministerium habe bereits vor Monaten einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser führe zu einer "Ausdehnung der Menschenhandelsstrafbarkeit", wie es die Richtlinie vorsehe. Das CSU-geführte Innenministerium will bei diesem Thema strengere Regeln im Strafrecht einführen. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" hat es allerdings noch keinen eigenen Entwurf für ein Gesetz vorgelegt.

Nur fünf EU-Länder dabei

Bisher haben erst fünf von 27 Mitgliedsländern die EU-Richtlinie vollständig umgesetzt, wie die "WamS" berichtet. "Es ist schwer vorstellbar, dass in unseren freien und demokratischen EU-Ländern Zehntausenden Menschen die Freiheit entzogen wird, dass sie gehandelt werden wie Waren", sagte Malmström der Zeitung. "Doch das ist die traurige Wahrheit: Menschenhandel ist überall um uns herum, näher als wir denken." Die Kommissarin forderte die säumigen Staaten auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Zehntausende Opfer

Laut der EU-Studie wurden von 2008 bis 2010 in der EU offiziell 23. 623 Opfer von Menschenhandel registriert. 68 Prozent waren Frauen, zwölf Prozent Mädchen, 17 Prozent Männer und drei Prozent Jungen. Zwei von drei Betroffenen wurden demnach zur Prostitution gezwungen. Andere wurden als Arbeitskräfte ausgebeutet, zu Straftaten gezwungen oder dazu, sich ein Organ entnehmen zu lassen. 61 Prozent der Opfer kamen demzufolge aus EU-Ländern, vor allem aus Rumänien und Bulgarien, gefolgt von Afrika und Südamerika.