SMS, E-Mail, Chatroom Das Ende der Rechtschreibung?

Stand: 07.09.2006 13:51 Uhr

"Hi leutz, komm späta. fanta, lg p.“ Es muss schnell gehen und darf nicht viel Platz kosten: Moderne Kommunikationswege per SMS oder Chat erfordern eine verkürzte Sprache. Drohen Rechtschreibung und Grammatik der Verfall? Experten geben Entwarnung.

Von Lena Wundenberg und Sibrand Siegert für tagesschau.de

Josef Kraus ist seit 30 Jahren im Schuldienst, hat Generationen von Schülern durch die Klassenräume wandern sehen. Seiner Meinung nach verarmt der Wortschatz der Schüler ebenso wie die grammatikalische Exaktheit. „Dafür sind aber viele Faktoren verantwortlich, nicht nur SMS und E-Mails. Die Schüler lesen vor allem weniger als früher. Darunter leidet ihr Sprachgefühl“, beobachtet der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

Verlotterte Rechtschreibung

Im Gegensatz zu Briefen und E-Mails wird in SMS und im Chatroom so geschrieben, wie gesprochen wird. Rechtschreibung ist nebensächlich. Über Kommasetzung nachzudenken dauert zu lang. Ganze Sätze sind unnötig, um sich zu verstehen. Wer doch wissen möchte, wie ein Wort korrekt geschrieben wird, verlässt sich auf das Korrekturprogramm von "Word“ und anderen Textverarbeitungsprogrammen. Im Zweifel wird gegoogelt und die Internet-Mehrheit entscheidet, ob es "Delphin“ oder "Delfin“ heißt. Kritiker sorgen sich, dass die Sprache verlottert und offizielle Briefe bald so schludrig geschrieben werden wie eine SMS.

Aufschrei nach Aufsatz

So sorgte vor drei Jahren in Großbritannien ein Schulaufsatz für Schlagzeilen. Ein Mädchen hatte ihren Text mit zahlreichen Abkürzungen aus dem Einmaleins der Handysprache dekoriert. Vom SMS-Wahn und dem Verfall der Rechtschreibung war daraufhin zu lesen. "Doch es ist nicht so, dass wir früher eine glasklare Sprache hatten und die Technik dann alles kaputt gemacht hätte,“ sagt der Sprachwissenschaftler Michael Tewes. Am Deutschen Seminar der Universität Hannover beschäftigt er sich mit Sprache und Kommunikation in neuen Medien. "Durch die Sprache in SMS und E-Mail fand sogar eine Bereicherung statt“, meint er.

Smileys beispielsweise ermöglichen, beim Schreiben Gefühle zu zeigen. Ironie, Trauer, Freude – die Mimik des Smileys verrät die eigene Gefühlslage. Und die fänden sich jetzt auch schon in handgeschriebenen Briefen, beobachtet Tewes. Auch andere Formen des SMS-Verkehrs haben sich mittlerweile in offiziellere Schreiben eingeschlichen. Statt mit freundlichen Grüßen heißt es kurz: MfG.

Ein Satz in einem Wort

Kurz und knapp geht es auch in Chatrooms zu. Ganze Satzteile werden in einem Wort zusammengefasst. "N8“ heißt "Nacht", *liebevollknuddel* steht für "Ich knuddel dich liebevoll". Auch Satzzeichen werden weglassen, Großschreibung kostet zu viel Zeit. "Einige Leute schreiben seitdem auch in E-Mails radikal alles klein. Es wäre interessant zu untersuchen, ob das auch Einfluss auf das Briefe schreiben hat", sagt Tewes.

Im Moment können die meisten Menschen aber durchaus unterscheiden, ob sie gerade einen offiziellen Brief oder eine SMS schreiben. Daran passen sie an, ob sie auf Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck achten oder schreiben, wie es ihnen gerade in den Kopf kommt. Aus der SMS "Hi leutz, komm späta. fanta, lg p.“ würde im Brief "Liebe Freunde, ich komme etwas später. Ich fahre noch tanken. Liebe Grüße, Peter.“