Interview

Interview zum CDU-Grundsatzprogramm "Der Begriff konservativ hat sich gewandelt"

Stand: 08.05.2007 18:32 Uhr

Der Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm wird in der CDU "kontroverse Diskussionen" auslösen. Das prognostiziert der Vorsitzende der Jungen Union, Mißfelder, im Interview mit tagesschau.de. Er stehe aber hinter Familienministerin von der Leyen und ihrer Familienpolitik.

Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union, hat sich dafür eingesetzt, dass im Entwurf zum CDU-Grundsatzprogramm der demografische Wandel und die Generationengerechtigkeit ein eigenes Kapitel erhalten. Er rechnet nach der Vorstellung des Entwurfes mit "kontroversen Diskussionen" innerhalb seiner Partei, erklärt er im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Herr Mißfelder, was heißt konservativ heute noch?

Philipp Mißfelder: Konservativ zu sein, ist eher eine Geisteshaltung, eine Herangehensweise, wie ich die Wirklichkeit wahrnehme und welche Schlussfolgerungen ich daraus ziehe. Konservative im Sinne eines Links-Rechts-Schemas, wie das früher der Fall war, gibt es heute kaum noch. Ich würde mich selber als Konservativen bezeichnen. Trotzdem plädiere ich engagiert für mehr Ganztagsschulen und einen verstärkten Ausbau von Kindertagesstätten. Denn ich glaube, dass sich die Lebenswirklichkeit von jungen Frauen und Männern verändert hat. Insofern hat sich am Begriff konservativ, bezogen auf die Familienpolitik, auf jeden Fall sehr viel gewandelt.

tagesschau.de: Wo sind betont konservative Elemente im Entwurf zum Grundsatzprogramm zu finden?

Mißfelder: Das klare Bekenntnis zu Ehe und Familie spielt eine sehr große Rolle. Ein wichtiges Element des Konservativismus war immer die pragmatische Orientierung an der Wirklichkeit. Beispielsweise auch dort familiäre Strukturen anzuerkennen, wo kein Trauschein vorhanden ist, gehört aus meiner Sicht selbstverständlich zu einer modernen Politik.

Kontroverse Diskussionen um Familienpolitik

tagesschau.de: Im Entwurf steht, die Familie sei das wichtigste Gut und auch die Ehe wird besonders geschützt. Auf der anderen Seite einigt sich die CDU auf ein Familiensplitting und andere Vorschläge von Familienministerin von der Leyen. Ist das nicht widersprüchlich?

Mißfelder: Viele in der Union tun sich damit schwer. Es gibt deshalb auch kontroverse Diskussionen, die öffentlich geführt werden. Das haben wir ja auch schon erlebt, gerade, wenn es um die Familienpolitik von Frau von der Leyen ging. Dagegen habe ich aber auch nichts. Wir brauchen eine offene Debatte. Am Ende muss allerdings stehen, dass wir auf die Lebenswirklichkeit junger Menschen eingehen. Das Entscheidende ist, bedarfsgerechte Angebote zu schaffen. Viele junge Frauen wollen arbeiten, sich selbst verwirklichen und trotzdem einen Kinderwunsch realisieren. Das geht nur mit besserer Betreuung.

tagesschau.de: So wie das Programm jetzt formuliert ist, drohen da nicht Grabenkämpfe?

Mißfelder: Ich glaube nicht, dass alles bisher ausgefochten ist. Ich finde es gut, wenn in einer Volkspartei wie der CDU über ein Grundsatzprogramm intensiv diskutiert wird. Wir müssen nachher aber auch gemeinsam die Beschlüsse glaubwürdig vertreten.

Patriotismus als Leitkultur

tagesschau.de: Im Entwurf fällt das Stichwort Leitkultur. Was bedeutet das?

Mißfelder: Wir haben uns im Programm darauf verständigt, dass wir eine Diskussion darüber wollen, was unsere Gesellschaft zusammenhält, was über das Einzahlen ins Steuersystem oder in die sozialen Sicherungssysteme hinausgeht. Das ist auch gerade vor dem Hintergrund der Integrationsdebatte wichtig. Es reicht nicht, sich nur an die Gesetze zu halten. Es braucht zum Beispiel auch Patriotismus, und zwar mehr als den reinen Verfassungspatriotismus. Deutschland ist ein lebenswertes Land, sonst würden nicht so viele Menschen gerne zu uns kommen. Es lohnt sich daher, sich in die Gesellschaft einzubringen.

tagesschau.de: Wo im Entwurf findet sich die Junge Union wieder?

Mißfelder: Wir haben durchgesetzt, dass es ein eigenes Kapitel zum demografischen Wandel gibt. Das sehe ich als ganz großen Erfolg an, weil wir die Themen demografischer Wandel und Generationengerechtigkeit in den vergangenen Jahren sehr stark für uns besetzt haben. Mit Generalsekretär Roland Pofalla haben wir sehr gut zusammen gearbeitet. Das wäre zu Zeiten von Norbert Blüm nicht möglich gewesen. Viele in der Union haben vor 15 Jahren noch gesagt: ‚Der demografische Wandel wird schon nicht so schlimm werden. Kinder kriegen die Leute sowieso.’

Unterstützung für die Bundesfamilienministerin


tagesschau.de: Mit was kann sich die Junge Union so gar nicht anfreunden im Entwurf?

Mißfelder: Wir werden auf jeden Fall den Bereich von Frau von der Leyen, die Familienpolitik, sehr stark verteidigen. Darüber wird es sicherlich Diskussionen geben. Deshalb sage ich, wir sind mit dem Entwurf zufrieden, aber wir werden natürlich darum kämpfen, dass die familienpolitischen Aussagen so bleiben und dann auch in konkretes Regierungshandeln umgesetzt werden. Das Wichtigste ist, nicht nur auf Parteitagen zu beschließen, dass wir für das Familiensplitting sind – das haben wir schon Anfang der 80er Jahre gesagt –, sondern es nachher auch durchzusetzen.

Das Interview führte Anja Mößner, tagesschau.de