Interview

Interview mit dem TV-Journalisten John Goetz ''BND-Agenten haben für die USA Aufträge erledigt''

Stand: 13.01.2006 11:18 Uhr

Nach Recherchen des ARD-Magazins Panorama halfen Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) den Amerikanern beim Auskundschaften eines Bombenziels in Bagdad.Am 7. April 2003 sollen sie das Umfeld eines Gebäudes inspiziert haben, in dem die USA den damaligen irakischen Machthaber Saddam Hussein vermuteten. Der BND dementiert diese Darstellung. tagesschau.de sprach mit dem Journalisten John Goetz, der die Geschichte für "Panorama" recherchiert hat, über die Verwicklung des BND in den Irak-Krieg und über die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste.

tagesschau.de: Nach Darstellung des BND haben die beiden deutschen Agenten den USA lediglich bei der Identifizierung von Zielen geholfen, die ausdrücklich nicht bombardiert werden sollten so genannten "non targets", wie zum Beispiel Schulen oder Krankenhäuser. Sie haben aber zumindest einen Fall recherchiert, wo deutsche Agenten den USA ein Ziel zur Bombardierung lieferten. Wie stichhaltig ist diese Information?

John Goetz: Meine Quelle, ein ehemaliger hochrangiger Pentagon-Mitarbeiter, hat sehr konkrete Kenntnisse über die Bombardierung vom 7. April 2003. Was sehr für ihn spricht, ist die Tatsache, dass er sowohl die Namen dieser Mitarbeiter wusste, als auch deren militärischen Grad, wie auch weitere, operative Details der Aktion. Wir haben die Angaben in den vergangenen Monaten geprüft, und sie stimmen haargenau.

Während unserer monatelangen Recherchen haben wir natürlich auch mit verschiedenen BND-Mitarbeitern gesprochen. Aber erst gestern um 14.00 Uhr kam von der Pressestelle des BND die offizielle Sprachregelung, die Agenten hätten nur bei der Identifizierung der "non targets" mit den USA zusammengearbeitet. Zuvor hatte das keiner der BND-Mitarbeiter, mit denen wir gesprochen haben, erwähnt.

tagesschau.de: Ist die Erklärung des BND also durch Ihre Recherchen nicht gedeckt?

Goetz: Wir haben unsere Quelle noch einmal mit der Erklärung des BND konfrontiert. Er sagte, der Bundesnachrichtendienst habe während des Krieges sehr viele Informationen über zivile Einrichtungen, wie z.B. Kindergärten und Schulen, weitergegeben, die dann von Bombardements möglichst verschont wurden. Aber der BND hat darüber hinaus - und da bleibt unser Informant bei seinen Aussagen - Aufträge erledigt.

Man muss sich die Situation so vorstellen: Die Amerikaner hatten keine eigenen Leute vor Ort. Sie hatten zwar irakische Quellen, aber die stuften sie als unzuverlässig ein. Bestimmte Informationen ließen sie sich von den BND-Agenten vor Ort deshalb bestätigen. Informationen bestätigen heißt natürlich nicht Ziele aussuchen und Koordinaten weitergeben - da hat der BND in seiner offiziellen Stellungnahme auch Recht. Aber unsere Quelle hat auch nie behauptet, dass Ziele von den Deutschen ausgesucht worden sind. Die Agenten haben die Informationen, die die Amerikaner schon hatten, bestätigt beziehungsweise überprüft.

"Für die USA waren die Informationen sehr wertvoll"

tagesschau.de: Es könnte also durchaus sein, dass die BND-Agenten über diesen einen konkreten Fall hinaus noch weitere militärische Ziele bestätigt haben.

Goetz: Ja. Unsere Quelle sagt, dass es diese Bitten der Amerikaner an die deutschen Agenten über den gesamten Krieg hinweg gegeben hat.

tagesschau.de: Wenn das stimmt, was Sie sagen, hat der deutsche Geheimdienst den USA substanziell geholfen.

Goetz: Ja. Für die Amerikaner waren das sehr wertvolle Informationen.

tagesschau.de: Was heißt das für die damalige rot-grüne Regierung? Hat sie eine Doppelstrategie gefahren: Öffentlich war sie gegen den Krieg, aber im Geheimen hat sie den USA doch geholfen?

Goetz: Inwieweit der BND die Bundesregierung in Gestalt vom damaligen Kanzleramtsminister Frank Walter Steinmeier oder andere informiert hat, das ist nicht Gegenstand meiner Recherchen. Eines ist aber klar: Das parlamentarische Kontrollgremium wurde nicht über die Sache informiert

Geheimdienste kommen "sehr gut miteinander klar"

tagesschau.de: Wie groß ist eigentlich die Macht des BND? Führt der Geheimdienst ein Eigenleben, das von der Politik nur unzureichend kontrolliert werden kann?

Goetz: Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Aber: BND und der US-Militärgeheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) sind zwei militärische Geheimdienste, die sehr gut miteinander klar kommen. Wir wissen von einem Treffen im Dezember 2002 in Pullach, wo die deutsche Hilfe geplant wurde - bis zum Krieg und auch während des Krieges. Am Anfang der Sitzung haben sich zwei der anwesenden BNDler - mindestens einer davon war ein leitender Angestellter - für die Haltung der Bundesregierung im Irak-Krieg entschuldigt. Sie sagten, dass es zwischen Militär und Geheimdiensten einerseits und der Politik andererseits eine klare Trennung geben müsse.

tagesschau.de: Warum haben die USA keine eigenen Agenten nach Bagdad geschickt?

Goetz: Es gab bereits seit Beginn der 90er Jahre, seit dem ersten Irak-Krieg keine diplomatische Vertretung der USA mehr im Irak. Deutschland hatte diplomatische Beziehungen, die Deutschen waren vor Ort und kannten sich mit den Gegebenheiten viel besser aus als die Amerikaner. Da war es naheliegend, auf die Deutschen zu vertrauen.

Die Fragen stellte Sabine Klein, tagesschau.de