
Parteitag der Linkspartei Kontroverse um Staat und Kirche
Stand: 11.06.2017 11:47 Uhr
Nach heftiger Debatte haben die Linken einen Beschluss vom Vortag gekippt: Dieser sah die Kündigung aller Kirchenstaatsverträge vor sowie die Abschaffung von Seelsorge in Bundeswehr und Krankenhäusern. Der Beschluss hatte gestern eine knappe Mehrheit erhalten.
Nach nicht einmal zwölf Stunden hat die Linkspartei auf ihrem Parteitag einen Beschluss über das Verhältnis von Staat und Kirchen zurückgenommen. Gestern am späten Abend hatten die Delegierten mit knapper Mehrheit gegen den Willen des Vorstands die Forderung beschlossen, dass die Staatsverträge mit den Kirchen gekündigt werden sollen.
Die staatliche Finanzierung der theologischen Ausbildung und Seelsorge in Bundeswehr, Krankenhäusern und Strafanstalten sollte der umstrittenen Forderung gemäß abgeschafft werden.
Erneute Abstimmung
Heute stimmten die Delegierten noch einmal über die Frage ab und erteilten der Forderung doch noch eine Absage. Die Delegierten lieferten sich eine heftige Debatte.
'Die Linke' beschließt Bundestagswahlprogramm
tagesschau 13:15 Uhr, 11.06.2017, Christoph Hamann, NDR
Berlins Kultursenator Klaus Lederer nannte den Beschluss "verheerend". Denn nach diesem müsste er eigentlich den Berliner Staatsvertrag mit der jüdischen Gemeinde kündigen, die unter anderem auch den Schutz der jüdischen Einrichtungen in Berlin regelten.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sagte, die Staatsverträge seien gerade Ausdruck der erwünschten Trennung von Staat und Kirche. Sie seien nicht zu verwechseln mit den staatlichen Leistungen für die Kirchen, gegen die auch sie eintrete.
Abschaffung der Kirchensteuer
Die Kirchen sollten "ihre Mitgliedsbeiträge selbstständig und selbstverantwortlich erheben". Bislang werden sie in Form der Kirchensteuer eingezogen.
Änderungen will die Partei auch bei der Militärseelsorge durchsetzen: Künftig solle ein Vertrag die religiöse Betreuung durch alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr garantieren.
Keine prominenten Fürsprecher
Bei der ersten Abstimmung am Samstagabend setzte sich der Änderungsantrag zum Vorstandsentwurf knapp mit 196 Ja-Stimmen bei 185 Gegenstimmen durch. Beim zweiten Mal erhielt derselbe Antrag 234 Nein- und nur 141 Ja-Stimmen.
Prominente Fürsprecher für den umstrittenen Antrag fanden sich nicht. Die Befürworter argumentierten etwa, dass nicht gläubige Menschen durch die Staatsverträge benachteiligt würden.
Mehr zu diesem Thema auch heute im Bericht aus Berlin ab 18.30 Uhr im Ersten.
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