FAQ zur Reform der Ausbildung Die Zukunft der Pfleger

Stand: 10.03.2016 05:02 Uhr

Die Bundesregierung will die drei Berufe Kranken-, Kinderkranken- und Altenpfleger ab 2018 zu einem verschmelzen. Der Deutsche Pflegetag beschäftigt sich ab heute mit dem Thema. Was sind die Hintergründe? Wo liegen die Streitpunkte? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Friederike Ott, tagesschau.de

Was ist geplant?

Am 13. Januar hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe beschlossen. Künftig soll es nicht mehr wie bislang drei unterschiedliche Fachberufe in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege geben. Die drei Fachberufe sollen zu einem Beruf verschmelzen: Menschen, die diesen Beruf ausüben, nennen sich dann "Pflegefachfrau" oder "Pflegefachmann". Der erste Jahrgang soll am 1. Januar 2018 starten.

Neu ist außerdem, dass das Schulgeld, das Pflegeschüler in einigen Bundesländern immer noch zahlen müssen, endgültig abgeschafft werden soll. Stattdessen bekommen sie eine Ausbildungsvergütung. Die Ausbildung dauert drei Jahre und besteht aus Unterricht an Pflegeschulen und praktischer Ausbildung. Die Auszubildenden können einen Schwerpunkt wie beispielsweise Altenpflege wählen, der auch auf dem Abschlusszeugnis als "Vertiefungseinsatz" ausgewiesen wird. Genauer Ausbildungs- und -lehrpläne gibt es noch nicht.

Laut Gesetzentwurf ist zudem ein Pflegestudium geplant, um die Berufs- und Karrierechancen zu verbessern. Das soll vor allem den Frauen zugute kommen, die fast drei Viertel der Pflegefachkräfte ausmachen.

Die abschließende Beratung der Reform von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ist für Ende Juni geplant. Zudem muss das Gesetz noch in den rot-grün dominierten Bundesrat.

Was ist der Grund für die Umstellung der Ausbildung?

Die Aufgaben von Alten- und Krankenpflegern überschneiden sich zunehmend. In Heimen müssen immer häufiger chronisch Kranke versorgt werden, in Kliniken werden zunehmend Altenpflegekenntnisse benötigt, z.B. bei Demenzkranken. Derzeit arbeiten rund eine Million Menschen in der Pflege, doch schon jetzt fehlen Zehntausende Fachkräfte. Dieser Mangel könnte durch die alternde Bevölkerung noch stark zunehmen. Nach Angaben von Gesundheits- und Familienministerium werden pro Jahr rund 133.000 Fachkräfte im Pflegebereich ausgebildet.

Menschen jeden Alters sollen künftig von den neuen "Pflegefachleuten" betreut werden können, stationär wie ambulant. Schwesig und Gröhe versprechen sich von der Vereinheitlichung der Ausbildung mehr Interesse am Pflegeberuf. Denn es fehlen überall in Deutschland Fachkräfte.

Wie hoch sind die Kosten?

Die Mehrausgaben für die Modernisierung der Pflegeausbildung belaufen sich auf rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Sie sollen von Ländern, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mitgetragen werden.

Wird sich die Bezahlung von Altenpflegern verbessern?

Nach Ansicht von Johanna Knüppel vom Deutschen Bundesverband für Pflegeberufe ist das definitiv so. "Altenheime haben in Zukunft durch die Krankenhäuser Konkurrenz zu fürchten", sagt sie. "Altenpfleger haben sehr wenig Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung. Sie können nicht in einem anderen Sektor arbeiten und auch nicht ins Ausland gehen, weil die Ausbildung dort nicht anerkannt ist. Sie befinden sich in einer beruflichen Sackgasse." Es sei deshalb nicht verwunderlich, dass die meisten nur wenige Jahre nach der Ausbildung den Beruf verlassen. Altenheime, die massiv am Personal sparen, um hohe Renditen zu erwirtschaften oder mit Dumpingpreisen Bewohner locken, würden durch die generalisierte Ausbildung unter Druck geraten. "Dass es einen Fachkräftemangel in Altenheimen gibt, liegt vor allem an den schlechten Bedingungen."

Monatliche Brutto-Gehälter in Pflegeberufen

Im Osten verdient eine Krankenschwester im Durchschnitt 2738 Euro (brutto) im Monat. Ein Altenpfleger hingegen nur 1945 Euro. Im Westen kommt eine Krankenschwester auf 3139 Euro (brutto), eine Altenpflegekraft auf 2568 Euro. (Quelle: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), 2015)

Familienministerin Schwesig ist davon überzeugt, dass die gemeinsame Ausbildung zu einer Aufwertung und besseren Bezahlung besonders der Altenpflege führen kann, in der zu 80 Prozent Frauen beschäftigt sind. Das würde dann auch eine Aufwertung eines typischen Frauenberufs bedeuten. Sie hofft, dass mehr Wahlmöglichkeiten für Pflegekräfte auch in der Altenpflege zu höheren Löhnen führen werden.

Wer sind die Befürworter?

Wohlfahrts- und Pflegeverbände begrüßen die Pläne. Der Deutsche Pflegerat sprach nach dem Kabinettsbeschluss von einem "Meilenstein für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe". Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begrüßt die Ziele der Reform grundsätzlich, Berufschancen in allen Feldern der Pflege zu eröffnen. Er kritisiert jedoch, dass die Inhalte in dem Gesetz nicht genauer benannt würden.

Was sagen die Kritiker?

Vor allem Altenpflegeverbände üben Kritik. Sie befürchten, dass Fachwissen verloren geht. Zudem könnte es viele Fachkräfte in die Krankenpflege ziehen, weil dort bessere Gehälter bezahlt werden. Schon jetzt gibt es in der Altenpflege einen Mangel an Fachkräften.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz lehnt eine Zusammenlegung der Ausbildung in den Pflegeberufen ab. Stiftungsvorstand Eugen Brysch sagt, Krankenpflege - etwa bei Kindern oder Unfallpatienten - sei auf Heilung akuter Beschwerden gerichtet, Heimbewohner brauchten lebenslang gute Pflege.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband und die AWO warfen der Koalition vor, zu viele Fragen offenzulassen. Unklar bleibe etwa, wo all die Einsatzstellen für die Ausbildung der Nachwuchs-Pflegekräfte herkommen sollten, insbesondere in der Kinderkrankenpflege.

Auch die Grünen kritisieren den Gesetzentwurf. Sie fürchten einen Verlust an Spezialisierung und Qualifizierung. Zudem sei die erwartete Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs keineswegs sicher, so die Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg.

Die Grünen fordern daher eine fundierte Risikoabschätzung, wie sich die Reform auf die Qualität der pflegerischen Versorgung und die Zahl der Auszubildenden auswirken könnte. Zudem sei eine Aufschlüsselung der Mehraufwendungen nötig, die auf die jeweiligen Kostenträger zukämen.

Die Ausbildungsinhalte der integrierten Pflegeausbildung, die in einer Verordnung zum Gesetz geregelt werden sollen, müssen nach der Forderung der Kritiker noch vor der ersten Lesung im Bundestag veröffentlicht werden, so dass die Fachleute genügend Zeit zur Bewertung haben. Bis dahin müsse das gesetzgeberische Verfahren ausgesetzt werden, verlangen Scharfenberg und die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens in einem "Moratorium Pflegeberufsreformgesetz". Die Risiken, durch eine übereilte und unvollständige Reform Fachkräfte einzubüßen statt das Interesse am Pflegeberuf zu erhöhen, sei zu hoch.

Wie sieht die Pflegeausbildung in anderen Ländern aus?

In keinem anderen EU-Land sind die Zugangsvoraussetzungen in die Berufe der Kranken- und Altenpflege so niedrig wie in Deutschland. Es reicht eine abgeschlossene zehnjährige allgemeine Schulbildung, zum Beispiel ein Realschulabschluss, um die Ausbildung zu beginnen.

Damit steht Deutschland europaweit allein da. Alle anderen EU-Länder schreiben eine zwölfjährige Schulbildung als Bedingung für eine Pflegeausbildung vor. Zudem müssen angehende Pflegefachkräfte in den meisten Ländern akademische Ausbildungsgänge absolvieren und sie mit einem Bachelor abschließen. Eine generalisierte Grundausbildung gibt es damit dort schon längst. Die Spezialisierung auf etwa Altenpflege oder Kinderkrankenpflege erfolgt erst anschließend. Im November 2014 zog auch Österreich nach und akademisierte die Pflegeausbildung. "Deutschland ist mit weitem Abstand Schlusslicht", kritisiert Johanna Knüppel vom Deutschen Bundesverband für Pflegeberufe gegenüber tagesschau.de.