Rote Schleife
FAQ

Hintergrund Zahlen und Fakten zu HIV und Aids

Stand: 16.07.2019 04:02 Uhr

Heute stellen die UN neue Zahlen zur HIV-Problematik vor. Steigt die Zahl der Neuinfektionen oder sinkt sie? Wie viele Menschen sind in Deutschland betroffen? Ein Überblick über Fakten zu HIV und Aids.

Was ist der Unterschied zwischen HIV und Aids?

HIV steht als Abkürzung für den englischen Begriff "Human Immunodeficiency Virus", was man in etwa mit "menschliches Abwehrschwäche-Virus" übersetzen kann. Das HI-Virus schädigt oder zerstört bestimmte Zellen der Immunabwehr.

Ohne Behandlung kann der Körper Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze oder Viren nicht mehr bekämpfen. Dann treten - früher oder später - Erkrankungen auf wie zum Beispiel schwere Lungenentzündungen. Dann spricht man von Aids. Die Patienten sterben nicht direkt am HI-Virus, sondern an einer dieser Krankheiten, die der Körper nicht mehr bekämpfen kann.

Die ersten Aids-Fälle wurden 1981 in den USA diagnostiziert. Die Abkürzung steht für "Acquired Immunodeficiency Syndrome" und bedeutet "erworbenes Immunschwächesyndrom".

Ist die Krankheit noch immer tödlich?

In den 1980er-Jahren gab es noch keinerlei Medikamente, um eine Infektion mit dem HI-Virus zu behandeln. Die Infektion führte damit praktisch immer zum Ausbruch von Aids, die Diagnose "HIV positiv" kam einem Todesurteil gleich. Die Angst vor einer regelrechten Epidemie kam auf. Mitte der 1990er-Jahre kamen dann erste Medikamente auf den Markt, die den Krankheitsverlauf zumindest verlangsamen konnten. Sie hatten aber schwere Nebenwirkungen.

HIV ist auch heute noch nicht heilbar, aber behandelbar. Es gibt wirksame Medikamente, die das HI-Virus im Körper unterdrücken und damit den Ausbruch von Aids verhindern. Diese Medikamente haben auch nur noch geringe Nebenwirkungen, sodass HIV-positive Menschen heute ein normales Leben führen können und auch eine normale Lebenserwartung haben. Voraussetzung ist aber natürlich, dass die Infektion erkannt wird und der Betroffene dann auch Zugang zu den entsprechenden Medikamenten hat.

Und hier liegt das Problem: Es gibt auf der Welt noch immer viele Infizierte, die keine Medikamente bekommen - und ohne Behandlung führt HIV irgendwann zum Tod. Und es gibt auch immer noch viele Infektionen, die nicht erkannt werden - sei es, weil der Mensch nicht zum Arzt geht, weil die Symptome nicht richtig gedeutet werden oder weil es schlicht gar keinen (entsprechend ausgebildeten) Arzt gibt. Auch gibt es immer noch Regierungen, die das Problem HIV/Aids aus politischen oder ideologischen Gründen kleinreden oder totschweigen - und damit Menschen die Chance auf Behandlung nehmen.

Was sind die 90-90-90-Ziele der UN?

UNAIDS - das gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV und Aids - hatte 2014 die 90-90-90-Ziele gesetzt, um die Infektion und die Krankheit zu bekämpfen:

  • 90 Prozent der Menschen mit HIV sollen von ihrer Infektion wissen
  • 90 Prozent davon sollen Medikamente erhalten
  • 90 Prozent davon wiederum sollen "unter der Nachweisgrenze" sein

"Unter der Nachweisgrenze" bedeutet, dass der Mensch zwar "HIV-positiv" ist, das Virus mit den gängigen Methoden aber nicht mehr im Blut nachweisbar ist. HIV ist dann auch nicht mehr übertragbar.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Verlässliche Zahlen für Deutschland liefert das Robert Koch-Institut (RKI). Das aktuellste "Epidemiologische Bulletin" stammt aus dem vergangenen Dezember und enthält die Daten für das Jahr 2017. Sie werden aufgrund einer Modellrechnung abgeschätzt.

In Deutschland mit seinen rund 82 Millionen Einwohnern leben demnach etwa 86.000 Menschen mit einer HIV-Infektion. Das RKI unterscheidet dabei zwischen drei "Risikogruppen":

  • Männern, die Sex mit Männern haben
  • Menschen, die sich über Drogenspritzen anstecken
  • Menschen, die sich bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr infizieren

Die meisten Infizierten - etwa 53.000 - gibt es nach wie vor in der ersten Gruppe. Allerdings geht die Zahl der Neuinfektionen hier eindeutig zurück, während sie in den beiden anderen Gruppen leicht ansteigt. Das legt den Schluss nahe, dass schwule Männer sich des Risikos bewusst sind und die Strategien zur Prävention hier greifen. Bei den beiden anderen Gruppen scheint das nicht im selben Maß der Fall zu sein. Bei vielen Drogenkonsumenten ist laut Experten weiterhin der fehlende Zugang zu sauberen Spritzen ein großes Problem. Bei manchen Heterosexuellen herrscht vielleicht immer noch eine trügerische Sorglosigkeit, weil HIV als Problem von Schwulen eingeschätzt wird.

Insgesamt gibt das RKI die Zahl der Neuinfektionen für das Jahr 2017 mit 2600 an. Zum Höhepunkt Mitte der 1990er-Jahre waren es noch mehr als doppelt so viele. Bis zum Jahr 2000 ging die Zahl der Neuinfektionen dann deutlich zurück, stieg danach wieder an und sinkt seit Mitte der 2000er-Jahre leicht.

Zu den drei oben genannten "Risikogruppen" kommen noch zwei weitere, sehr kleine Gruppen: 800 Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene, die sich vor während oder nach ihrer Geburt über ihre Mutter infiziert haben. Und Menschen, die sich über eine Bluttransfusion angesteckt haben. Davon leben etwa 450 in Deutschland, die sich meist in den frühen 1980er-Jahren angesteckt haben. In beiden Fällen besteht heute - dank des medizinischen Fortschritts - praktisch kein Infektionsrisiko mehr.

In der RKI-Statistik extra ausgewiesen werden zudem Menschen ausländischer Herkunft, die in Deutschland leben, sich aber im Ausland infiziert haben. Das RKI gibt ihre Zahl mit 13.000 an. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus Afrika, dem Kontinent, der von HIV und Aids am stärksten betroffen ist.

Von den drei "90-90-90-Zielen" der UN (siehe oben) erreicht Deutschland laut den RKI-Zahlen übrigens nur zwei: 92 Prozent der Menschen, bei denen die Infektion diagnostiziert ist, erhalten Medikamente. Von ihnen wiederum sind 95 Prozent "unter der Nachweisgrenze", also nicht mehr ansteckend. Allerdings werden nur 87 Prozent der Infektionen überhaupt diagnostiziert. Hier erreicht Deutschland die UN-Ziele also nicht.

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?

Viren sind für zahlreiche Infektionskrankheiten beim Menschen verantwortlich. Manche Viren, wie etwa Grippe-Viren, fängt man sich relativ schnell ein. Hier kann es schon reichen, in der U-Bahn angehustet zu werden.

Der HI-Virus ist hingegen nur äußerst schwer übertragbar. Die Deutsche Aidshilfe macht deshalb auch gleich zum Beginn des entsprechenden Kapitels auf ihrer Internetseite darauf aufmerksam: "Im Alltag ist HIV nicht übertragbar - auch nicht beim Küssen, Anhusten oder Benutzen derselben Toilette."

Ein HIV-Risiko besteht nur, wenn Körperflüssigkeiten, die eine große Menge Viren enthalten, in den Körper gelangen: Das kann - grob gesagt - in drei Situationen der Fall sein:

  • beim Sex
  • beim Drogenkonsum, wenn es über Spritzen oder ähnliches zu einem direkten Kontakt mit infiziertem Blut kommt
  • während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder beim Stillen

Damit es tatsächlich zu einer Infektion kommt, muss aber natürlich überhaupt erst einer der Betroffenen HIV-positiv sein - und es muss eine große Virenmenge übertragen werden. Bei HIV-Positiven "unter der Nachweisgrenze" reicht die Virusmenge laut dem aktuellen Stand der Forschung nicht aus, um andere anzustecken. Deshalb sind den UN die 90-90-90-Ziele auch so wichtig. Denn von einer erfolgreichen Therapie profitieren nicht nur die Betroffenen, sie senkt auch das Risiko für andere ganz erheblich.

Die größte Ansteckungsgefahr geht von Menschen aus, die von ihrer Infektion nichts wissen. Das liegt zum einen daran, dass sie vielleicht gar nicht auf den Gedanken kommen, andere infizieren zu können, und sich entsprechend verhalten. Zum anderen ist die Virusmenge im Körper bei einer frischen HIV-Infektion besonders groß - und damit auch die Gefahr, die Infektion in einer der beschrieben Risikosituationen zu übertragen.

Grundsätzlich kann man sich heute aber in allen Situationen mit hoher Sicherheit vor einer HIV-Infektion schützen. Informationen dazu finden sich unter anderem auf Internetseiten der Aidshilfe oder des Robert Koch-Instituts. Dort werden auch wichtige Fragen zum Risiko in verschiedenen Situationen beantwortet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Juli 2019 um 11:00 Uhr.