Sendungsbild
Reportage

Rheinland-Pfalz Drei Grenzen, drei Regelungen

Stand: 16.05.2020 12:42 Uhr

Absperrungen sind abgebaut, Paare können sich wieder besuchen: Auch in Rheinland-Pfalz werden Grenzkontrollen gelockert. Doch die Zeit hat Spuren hinterlassen - und die unterschiedlichen Regelungen sorgen für Ärger.

Dieses Wochenende kommt seine Lebensgefährtin zu Besuch, zum ersten Mal seit acht Wochen. Lucas Jakobi wohnt in der kleinen Stadt Konz an der Mosel in Rheinland-Pfalz, nicht weit entfernt von der Grenze zu Luxemburg. Seine Freundin ist Luxemburgerin und wohnt eigentlich bloß 30 Autominuten entfernt.

Weil die beiden nicht verheiratet sind, konnten sie sich wegen der restriktiven Grenzkontrollen in den vergangenen Wochen aber nicht besuchen. Selbst eine Beglaubigung der Partnerschaft vom zuständigen Ortsbürgermeister reichte nicht, um die Grenze passieren zu dürfen.

Brief an Politiker und Medien

Für Jakobi sind er und seine Partnerin nur ein Beispiel dafür, wie weit sich die Grenzkontrollen der vergangenen Wochen ins persönliche Leben hinein auswirken können. Das Paar hat zuletzt deutlich eine Grenze zu spüren bekommen, wo eigentlich seit Schengen gar keine mehr war. Der 26-Jährige war so verärgert über die Situation, dass er seiner Wut in einem Brief Luft machte. Er schrieb an Politiker und regionale Medien, kritisierte die Grenzschließungen als Willkür.

Jetzt ist er froh, dass damit Schluss ist. In Deutschland werden ab heute die Grenzkontrollen zu Österreich, Frankreich und der Schweiz gelockert - an der Grenze zu Luxemburg fallen sie ganz weg. Für Jakobi war das überfällig. Erst ein halbes Jahr sind er und seine Partnerin zusammen, nun können sie wieder Freizeit zusammen verbringen.

Wochenlange Absperrung

Auch Alfred Wirtz ist erleichtert. Er ist der Ortsbürgermeister der rheinland-pfälzischen Gemeinde Ralingen, die eigentlich nur der kleine Fluss Sauer vom benachbarten Rosport in Luxemburg trennt. Die zwei Gemeinden haben sogar eine gemeinsame Trinkwasserversorgung.

Nun aber stand wochenlang eine Absperrung auf der Brücke über die Sauer. Außerdem kontrollierten Bundespolizisten, dass niemand die Ländergrenze überquerte. Dabei sind sie hier im Grenzraum eigentlich stolz darauf, dass sie den europäischen Gedanken leben. Sie bringen mit den Luxemburger Nachbarn gemeinsame Projekte wie Spiel- und Sportplätze voran, finanziert durch europäische Gelder.

Risse müssen gekittet werden

Doch in den vergangenen Wochen waren wegen Corona die Uhren gewissermaßen auf die Zeit vor Schengen zurückgedreht. Das hat auf beiden Seiten für viel Unmut gesorgt, berichtet Wirtz. Freunde konnten sich nicht mehr besuchen, Landwirte, die auf beiden Seiten der Grenze Äcker besitzen, klagten über Umwege. Zwar durften sie als Berufstätige die Grenze mit Passierschein überqueren. Weil jedoch viele kleine Grenzübergänge wie der in Ralingen geschlossen waren, mussten sie Umwege von 20 Kilometern und mehr fahren - und das mit dem Traktor. Wirtz ist froh, dass sie an der Sauer nun wieder ihr Europa ohne Grenzen leben können.

Der Ortsbürgermeister von Ralingen sieht aber durchaus noch Arbeit auf sich zukommen: Risse in den gegenseitigen Beziehungen, die nach dem Unmut über die Grenzkontrollen nun wieder gekittet werden müssen. Außerdem hält Wirtz es für notwendig, Herausforderungen wie die Corona-Krise künftig grenzüberschreitend zu lösen und gemeinsam zu managen. Konzepte dafür will er vorantreiben.

Weiter Kontrollen an der Grenze zu Frankreich

Im gleichen Bundesland, in der Grenzregion zu Frankreich, sieht es etwas anders aus. Zwar sind auch im pfälzischen Scheibenhardt seit Schengen die Schranken des ehemaligen Grenzübergangs in normalen Zeiten bloß noch Kulisse. Doch in den vergangenen Wochen gab es hier eine provisorische Absperrung auf der Brücke über die Lauter. Der Bach trennt den deutschen Ort Scheibenhardt vom französischen Ort Scheibenhard. Offiziell passieren durfte niemand, immer wieder kontrollierten das auch Bundespolizisten.

Zwar ist die Absperrung nun wieder abgebaut, aber anders als an der Grenze zu Luxemburg soll es hier an der Grenze zu Frankreich auch weiterhin Kontrollen geben, zumindest stichprobenmäßig. Denn die Ländergrenze überqueren sollen auch weiterhin bloß bestimmte Gruppen wie Berufspendler oder Menschen, die einen triftigen Grund dafür haben, aber auch Schulkinder und Paare.

Ärger über Ungleichbehandlung

Wie die stichprobenartigen Kontrollen genau ablaufen werden, das weiß der Ortsbürgermeister von Scheibenhardt, Edwin Diesel, noch nicht. Der Kommunalpolitiker ist zunächst einmal froh über die Lockerungen. So dürften hier nun wenigstens Pendler die Ländergrenze wieder passieren und müssten keine Umwege mehr fahren. Auch könnten von heute an die Kinder eines getrennt lebenden Elternpaares die Grenze offiziell überqueren.

Gleichzeitig ärgert sich Diesel über die Ungleichbehandlung gegenüber den Grenzen zu Luxemburg: "Warum werden die Kontrollen an der Grenze dort ganz aufgehoben, bei uns hier an der Grenze zu Frankreich nicht?" Dafür hat der Ortsbürgermeister von Scheibenhardt kein Verständnis. Diesel sehnt die Zeit herbei, wenn sie im Grenzgebiet zwischen der Pfalz und dem Elsass endlich wieder ihr nachbarschaftliches Miteinander leben können.

Rheinland-Pfalz grenzt auch an Belgien. Dort ist das Grenzregime - also alle Regelungen, die einen Grenzübergang betreffen - wieder ein anderes. Auch in Corona-Zeiten wird dort auf der deutschen Seite gar nicht kontrolliert. Drei Ländergrenzen, drei Grenzregime, mitten in Deutschland.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. Mai 2020 um 12:00 Uhr.