Diskussion über gesetzliche Quote Wie kommen mehr Frauen auf den Chefsessel?

Stand: 20.09.2012 15:36 Uhr

Spätestens im Herbst will die zuständige EU-Kommissarin Reding hart durchgreifen: Auch Deutschland soll eine gesetzliche Frauenquote einführen müssen. Der Bundesrat könnte sich bereits heute dafür aussprechen. Aber die Quote hat auch Gegner. tagesschau.de erklärt Hintergründe und Alternativen.

Wie sieht's mit dem Frauenanteil in den Unternehmen aus?

Die neuesten Zahlen über Frauen in Führungspositionen liefert die Personalberatung Egon Zehnder International. Danach waren Mitte 2012 12,8 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder weiblich. 2010 lag der Anteil noch bei 8,7 Prozent. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums liegt die Frauenquote in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen derzeit bei rund 20 Prozent. Unternehmen, die sich die Frauenförderung zum Ziel gesetzt hätten, kämen auf eine Quote von 25 Prozent.

Betrachtet man nur die Vorstandsposten, bleibt der Frauenanteil auf niedrigem Niveau. Lediglich in 4,5 Prozent der befragten Unternehmen sitzen der Zehnder-Studie zufolge Frauen im Vorstand. Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellte einen noch geringeren Wert fest. "In den Vorständen der 200 größten Unternehmen waren Frauen Ende 2011 mit einem Anteil von drei Prozent nur eine Randerscheinung", schreibt das DIW.

Egon Zehnder International untersuchte rund 350 der größten europäischen Unternehmen in 17 Ländern. Die dabei befragten 41 deutschen Unternehmen hatten zwischen Mai 2011 und Mai 2012 insgesamt 81 Führungsposten neu zu besetzen, von denen 41 Prozent an Frauen gingen. Damit liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt. Demnach wurden rund 33 Prozent der vakanten Positionen mit Frauen besetzt. Spitzenreiter war Frankreich, wo rund 53 Prozent der Posten an Frauen gingen.

Was plant EU-Kommissarin Viviane Reding?

Justizkommissarin Reding will den europäischen Ländern ab 2020 eine Quote von 40 Prozent des jeweils "unterrepräsentierten Geschlechts" in Aufsichtsräten vorschreiben. Dabei sollen Frauen nur bei gleicher Eignung bevorzugt werden. Die Quote würde für große börsennotierte Unternehmen gelten. Firmen mit Staatsbeteiligung sollten voran gehen und die Quote 2018 einführen. Auf dem Deutschen Juristentag zeigte sich Reding überzeugt, dass die Quote bis 2015 in Deutschland eingeführt sein wird. Elf EU-Mitgliedsstaaten hätten bereits unterschiedliche Quotenregelungen.

Neun europäische Regierungen haben in einem Brief an die EU-Kommission gegen Redings Pläne protestiert. Unter ihnen sind neben Großbritannien, das den Vorstoß initiierte, die Niederlande und Tschechien. Die deutschen Familienministerin Kristina Schröder von der CDU und die deutsche Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger von der FDP haben ihrerseits die britische Initiative gelobt. Sie hoffen darauf, die Pläne aus Brüssel aufhalten zu können.

Vieviana Reding

EU-Kommissarin Reding will die gesetzliche Quote für Deutschland vorschreiben.

Wer ist für, wer ist gegen die gesetzliche Quote?

Die FDP lehnt jede Form von Quote ab, das sei kein Zukunftsmodell. Entscheidend müssten Leistung und Qualifikation sein. Die CDU kann sich nicht einigen: Parteivorstand und Familienministerin sind für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen in Form einer Flexi-Quote. Arbeitsministerin und Frauenunion sind für die gesetzliche Quote. Es sei empörend, so Ursula von der Leyen in einem Zeitungsinterview, wie wenig sich in den letzten zehn Jahren getan hätte: "So geht's nicht mehr weiter." In den Unternehmen gelte noch immer, dass die Frauen in der Breite mitarbeiten dürften, in der Spitze aber nicht.

Ähnlich wie die Ministerin äußert sich auch die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm: "Man muss den Druck erhöhen, um der Wirtschaft deutlich zu machen: Ihr seid in der falschen Richtung unterwegs." Stamms Partei CSU hatte 2010 eine Frauenquote von 40 Prozent für die oberen Parteietagen eingeführt. Allein: Es fehlt an Kandidatinnen für die nächste Landtagswahl. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer ist gegen die Quote: "Ich bin dagegen, dass wir jetzt alles mit Paragrafen lösen", sagte der bayerische Ministerpräsident zum Abschluss der CSU-Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz und ergänzte: "Wir sollten uns jetzt um die wirklich wichtigen Fragen dieses Landes kümmern."

Logo CDU / CSU

In der Union scheiden sich die Geister am Thema "Frauenquote".

Überzeugt von der gesetzlichen Quote zeigt sich Renate Künast von den Grünen. Die Fraktionsvorsitzende betonte, das Thema habe eine breite Diskussion in der Mitte der Gesellschaft ausgelöst: "Da ist Druck im Kessel. Die Quote wird kommen - und zwar für Aufsichtsräte und Vorstände." Die SPD befürwortet die gesetzliche Frauenquote. Die Linkspartei fordert sogar eine Quote von 50 Prozent für alle Führungspositionen.

Welche Alternative zur gesetzlichen Quote gibt es?

Familienministerin Schröder bewirbt nach wie vor ihre Idee der Flexi-Quote, für sie das wichtigste Projekt ihrer Amtszeit. Der Flexi-Quote zufolge verpflichten sich Firmen, einen individuellen Anteil von weiblichen Führungskräften festzulegen. Bei 28 DAX-Unternehmen sei das auch inzwischen geschehen, so Schröder und verweist noch auf eine andere Zahl: "Von den freigewordenen Aufsichtsratsmandaten sind 2012 rund 40 Prozent mit Frauen nachbesetzt worden." Allerdings hatte Schröder einräumen müssen, dass der Koalitionspartner FDP ein Gesetz zur Einführung der Flexi-Quote verhindert hat.

Die CDU-Parteispitze wie auch die Vorsitzende Angela Merkel aber unterstützen Schröder. So verbindet der Entwurf des Leitantrags für den nächsten Parteitag in Hannover den Einsatz der Flexi-Quote mit einer politischen Forderung: "In Zukunft muss es ein stärkeres Maß an Verbindlichkeit geben, damit 2020 im Schnitt 30 Prozent der Aufsichtsratsmandate der mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mit Frauen besetzt sind".

Was kann der Bundesrat entscheiden?

Der Bundesrat entscheidet über eine Hamburger Gesetzesinitiative, die eine gesetzliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten vorschlägt. Ab 2018 muss ihr Anteil demnach mindestens 20 Prozent betragen, ab 2023 dann mindestens 40 Prozent. Dem will auch das Saarland, regiert von einer schwarz-roten Koalition zustimmen. Auch die Große Koalition aus Sachsen-Anhalt hat Zustimmung signalisiert. Zusammen mit den von SPD, Grünen und Linken geführten Ländern wäre damit eine Mehrheit in der Länderkammer erreicht. Der Hamburger Vorschlag würde dann in den Bundestag eingebracht und müsste hier eine Mehrheit finden. Christel Humme, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, glaubt nicht daran.

Zusammengestellt von Ute Welty, tagesschau.de