Blick in das Atommülllager Asse
FAQ

Aus für Gorleben Wo soll der Atommüll nun gelagert werden?

Stand: 28.09.2020 19:25 Uhr

Der Salzstock in Gorleben fällt als Endlager für Atommüll raus. Doch wo soll das hochgefährliche Material dann in Deutschland verwahrt werden? Es droht ein enger Zeitplan. Fragen und Antworten zur Suche nach einem Endlager.

Warum wird überhaupt ein Endlager gesucht?

Spätestens Ende 2022 geht in Deutschland der letzte Atomreaktor vom Netz. Was übrig bleibt, sind hochgefährliche Abfälle, die noch viele Tausend Jahre strahlen - und zwar etwa 1900 Behälter oder 27.000 Kubikmeter. Wo dieser Müll hin soll, ist offen. Es braucht ein Endlager, und es soll in Deutschland unterirdisch entstehen, nach 500 Jahren soll der Atommüll wieder geborgen werden können, falls das notwendig oder sinnvoll ist. Weltweit suchen viele Länder nach Standorten und verfolgen Endlager-Projekte, fertig ist noch keines damit.

Wie läuft die Suche ab?

Der Zeitplan klingt großzügig, ist aber eng. 2031 soll der Standort gefunden sein und 2050 soll das Endlager in Betrieb gehen. Ausgehend von einer "weißen Landkarte", auf der erst mal jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, wird nach und nach eingegrenzt. Es gibt Ausschlusskriterien, notwendige Bedingungen und Abwägungskriterien. So will man sich langsam rantasten - wissenschaftsbasiert und transparent. Am Ende soll der Bundestag die endgültige Entscheidung für einen Standort treffen. Teilgebiete festzulegen ist der erste Schritt. Aus diesen werden Standortregionen ausgewählt. Sie werden übertägig erkundet, einige davon dann untertägig in Bergwerken.

Welche Regionen kommen infrage?

Wirtsgesteine können Salz, Ton und Kristallin wie etwa Granit sein. 300 Meter Gestein sollen es sein zwischen Erdoberfläche und Endlager. Der Standort ist dann ungeeignet, wenn es dort Bergwerke, Erdbeben-Risiken, vulkanische Aktivitäten und junges Grundwasser gibt. Aber auch die Besiedlung und andere Kriterien an der Oberfläche spielen eine Rolle. In der ersten Phase wurden nur Daten ausgewertet, die man schon hat. In der zweiten Phase wird an möglichen Standorten dann auch gebohrt und gemessen - dabei werden weitere Regionen ausgeschlossen. In einer dritten Phase werden dann Erkundungsbergwerke gebaut, um noch gründlicher zu prüfen, welches der beste Ort sein könnte.

Warum kommt Kritik vor allem aus Bayern?

Praktisch über Nacht wurden fast 42.000 Quadratkilometer des Freistaats zum zumindest geologisch geeigneten Standort eines Atommüllendlagers ausgewählt. Kein anderes Bundesland geht damit mit mehr Fläche in die weitere Endlagersuche. Obwohl man in Bayern durchaus wusste, dass die gesuchten Wirtsgesteine - Granit, Salz und Ton - auch hier vielerorts vorkommen, war sich die Staatsregierung immer sicher, dass die Geologie dennoch nicht ausreicht, um den strahlenden Müll für eine Million Jahre zu verstecken. Nachdem aber laut der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) auch eine Barriere aus Gestein und technischen Maßnahmen, also etwa Betonbunker, und spezielle Container, als ausreichend angesehen werden, sieht Bayern einen Grundsatz der Endlagersuche beschädigt. Hinzu kommt, dass CSU und Freie Wähler das Gefühl haben, das Verfahren sei nicht wissenschaftlich geführt, also fair, sondern politisch motiviert.

Können die Bürger diesmal mitreden?

Ja. Es wurde ein Nationales Begleitgremium eingesetzt, das den Behörden auf die Finger schaut. Es darf auch Daten einsehen, die zunächst nicht veröffentlicht werden. Die Fachkonferenz Teilgebiete startet am 17./18. Oktober in Kassel. Bis Juni 2021 gibt es dann noch drei Beratungstermine. Sind die Standortregionen ausgewählt, gibt es dort Regionalkonferenzen, die etwa eine Überprüfung der bisherigen Suchergebnisse fordern können. Vertreter dieser Konferenzen bilden wiederum den Rat der Regionen. Klagen sind immer wieder möglich.

Bayerische Stadt Hauzenberg ist Teilgebiet bei der Atommüll-Endlagersuche

Christian Riedl, BR, tagesthemen 22:45 Uhr

Was ist mit den Atommüll-Zwischenlagern?

An mehreren Orten in Deutschland lagern hochradioaktive Abfälle in Zwischenlagern. Sie sind mit Sicherheitspersonal, Mauern und Stacheldraht gesichert - aber längst nicht so sicher wie das geplante Endlager in der Tiefe. Die Genehmigungen für diese Zwischenlager laufen ab der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre aus. Das wird wegen des Neustarts der Endlager-Suche nicht ausreichen. Über Verlängerungen wird schon beraten. Zentrale Zwischenlager gibt es in Gorleben und Ahaus, dazu kommen zahlreiche dezentrale Zwischenlager an Atomkraftwerken sowie Lager in Jülich und Lubmin.

Was bedeutet die Endlagersuche für die Bundespolitik?

Schon immer hat die Endlagersuche das Potenzial, das Verhältnis zwischen Parteien massiv zu belasten. Dies zeigt sich auch jetzt, wo sich neue Gräben zwischen CSU und Grünen auftun. CSU-Chef Markus Söder wirft den Grünen im Bund ein unfaires Vorgehen gegen Bayern vor, im eigenen Land sieht er im Verhalten der Grünen ein anbiedern für ein Endlager. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl in knapp einem Jahr birgt das Thema also jede Menge Sprengkraft, immerhin wird von vielen ein Bündnis zwischen Union und Grünen als sehr wahrscheinliche Option in Erwägung gezogen. Doch auch darüber hinaus wird die Endlagersuche die politische Kultur im Bundestag beeinflussen, denn hier muss am Ende des Suchverfahrens eine politische Mehrheit den Standort festlegen.

Warum ist der Salzstock Gorleben raus?

Geologische Mängel haben den Salzstock Gorleben ausgeschlossen. Unter anderem weist der Salzstock ein nicht intaktes Deckgebirge vor, auch die Gewässerchemie spricht laut BGE-Zwischenbericht gegen den Standort. Die Entscheidung, Gorleben schon in einem frühen Stadium aus dem Suchverfahren zu nehmen, sei rein wissenschaftlich erfolgt, es habe keinen politischen Druck gegeben. Gorleben weise keine "günstige Gesamtsituation" auf.

Was wird aus dem Zwischenlager in Niedersachsen?

Schon vor der Entscheidung, Gorleben doch aus der Endlagersuche herauszunehmen, befand sich der Standort in einer Art "Winterschlaf". Seit der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes 2013 ruhen sämtliche Erkundungsarbeiten. Das Zwischenlager ist weiterhin normal in Betrieb, nimmt jedoch bereits seit 2011 keine neuen Atommülltransporte mehr auf. Die Wiederaufarbeitung von Brennelementen im Ausland lief 2005 aus, inzwischen gibt es keine Transporte mehr.

Wie es mit Gorleben weitergeht, ist derzeit noch unklar. Für das Bergwerk gibt es eigentlich keine Verwendung mehr. Nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gilt für diesen Fall eine Zusicherung, es wieder mit Salz zu verfüllen. Allerdings ist unklar was mit dem hochgefährlichen Material im Zwischenlager passiert, wenn die Genehmigung für den Betrieb 2034 ausläuft und bis dahin kein Endlager bereit stehen sollte.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. September 2020 um 20:00 Uhr.