Kabinett beschließt Versorgungsstärkungsgesetz Kampf dem Ärzte- und Terminmangel

Stand: 17.12.2014 11:01 Uhr

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz will Bundesgesundheitsminister Gröhe den Ärztemangel vor allem auf dem Land beheben. Außerdem sollen Kassenpatienten schneller einen Termin bekommen. Das hat das Kabinett beschlossen. Doch wie genau soll das gehen? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Achim Wendler, ARD Berlin

Wie groß ist der Ärztemangel wirklich?

In ganz Deutschland stehen derzeit gut 2000 Hausarzt-Praxen leer. Vor allem auf dem Land. Das klingt bei insgesamt knapp 50.000 Hausärzten erstmal nicht so dramatisch. Aber: Viele von ihnen werden in den nächsten Jahren aufhören, und von diesen wiederum haben die meisten bisher keinen Nachfolger gefunden. Das gilt so oder ähnlich auch für die Fachärzte. Darum ist das, was wir derzeit sehen, erst der Anfang des Ärztemangels.

Was ist das Problem?

Eigentlich gibt es genug Ärzte - nämlich so viele wie noch nie. Das Problem ist ihre Verteilung: Wie so viele Menschen streben auch die Ärzte in die Stadt. Da gibt es Kitas, Theater und Jobs für den Partner. Auf dem Land dagegen gibt es das eher weniger - aber dafür weite Wege bei Hausbesuchen und lange Arbeitszeiten.

Was hat die Politik bisher getan?

Seit ein paar Jahren versucht die Politik, Ärzte aufs Land zu locken: Die Altersgrenze wurde gekippt, weg ist auch die "Residenzpflicht", also die Pflicht der Ärzte, bei ihrer Praxis auch zu wohnen. Auch die Budgetgrenze ist für Landärzte gefallen. Außerdem gibt es Förderprogramme für Praxisgründer, zum Beispiel in Bayern: 60.000 Euro Zuschuss.

Zugleich versucht die Politik, Ärzte von den überversorgten Städten fernzuhalten: Wenn dort Mediziner in den Ruhestand gehen, dann können die "Kassenärztlichen Vereinigungen" die Praxen aufkaufen. Aber getan haben sie das nur ein einziges Mal. Fazit: Es gibt Anreize und Druckmittel - aber viel bewirkt hat das alles bisher nicht.

Was plant Gesundheitsminister Gröhe jetzt mit dem neuen Gesetz?

Hermann Gröhe entwickelt im wesentlichen die bestehenden Instrumente weiter. Ein Beispiel: Künftig können Praxen in Städten nicht nur vom Markt genommen werden, sondern sie sollen. Noch ein Beispiel: Krankenhäuser sollen häufiger ambulante Medizin anbieten, also sie sollen die Aufgaben niedergelassener Ärzte bei Bedarf stärker mit erledigen. Und: Praxisnetze sollen stärker gefördert werden - also regionale Verbünde von Arztpraxen. Davon gibt es bundesweit bisher rund 30, in Bayern sind es zehn. Diese Netze sollen vor allem mehr Geld bekommen.

Wird das neue Gesetz den Ärztemangel beheben?

Das wohl eher nicht. Sogar Koalitionspolitiker wie die bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar sagen: "Nach der Reform ist vor der Reform." Wenn es gut geht, wird das Gesetz das Wachstum des Ärztemangels bremsen.

Wann gibt es eine Termingarantie beim Facharzt?

Das Recht auf eine "Zweitmeinung": Künftig soll jeder Patient Anspruch darauf haben, vor bestimmten Operationen einen zweiten Arzt zu fragen: Ist die OP wirklich nötig? Und: Es soll eine Termingarantie geben. Also Schluss mit dem teils monatelangen Warten auf einen Besuch beim Facharzt. Innerhalb von vier Wochen muss künftig ein Termin feststehen. Dafür sollen sogenannte "Terminservicestellen" sorgen, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen einzurichten sind. Wobei das Gesetz zugleich Ausnahmen von dieser Termingarantie definiert: nämlich "Bagatellkrankheiten oder ähnliche, vergleichbare Fälle". Liegt so etwas vor, dann kann es auch künftig neun Wochen dauern bis zum Facharztbesuch. Das ist ein Schlupfloch, mit dem auch die Sozialdemokratin Dittmar nicht einverstanden ist. Deshalb wird es da in den parlamentarischen Beratungen Anfang nächsten Jahres bestimmt noch Änderungen geben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen um 22:15 Uhr.