Fragen und Antworten Wie realistisch ist das Energiekonzept?

Stand: 28.09.2010 16:38 Uhr

Die schwarz-gelbe Koalition feiert ihr Energiekonzept als "historisch". Der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis 2050 auf 60 Prozent steigen, die CO2-Emissionen um 80 Prozent sinken. Ehrgeizige Ziele - doch wie realistisch sind sie? Fragen und Antworten von tagesschau.de

Wie will die Bundesregierung erneuerbare Energien fördern?

Die Regierung setzt vor allem auf Windenergie. Dort sieht sie das größte wirtschaftliche Potenzial. Die Investitionen in große Offshore-Windparks in Ost- und Nordsee sollen 75 Milliarden Euro betragen. In einem Sofortprogramm werden die ersten zehn Anlagen staatlich gefördert, um Investitionen anzuschieben. Die staatseigene KfW-Förderbank wird dazu ein Kreditprogramm mit einem Volumen von fünf Milliarden zur Verfügung stellen. Auch die Genehmigungsverfahren für die Off-Shore-Anlagen sollen vereinfacht werden. Bei den bestehenden On-Shore-Anlagen geht es vor allem um mehr Effizienz. Alte Anlagen sollen gegen neue, leistungsstärkere Windkrafträder ausgetauscht werden.

Auch die Stromnetze werden erneuert und ausgebaut: mehr als 1000 Kilometer neue Leitungen soll es geben; da Wind- und Sonnenenergieproduktion stark vom Wetter abhängig sind, werden neue Stromspeicher gebaut. Die Details zum Ausbau von Stromnetz und Speicherung müssen allerdings mit den Netzbetreibern noch erarbeitet werden.

Effizienz - wie will Schwarz-Gelb Energie sparen?

40 Prozent der Energie wird im Gebäudesektor verbraucht, deshalb hatte für Umweltminister Röttgen die Wärmedämmung und Gebäudesanierung besondere Priorität. Doch gerade hier gab es im Verlauf der Verhandlungen die meisten Zugeständnisse. Auf Druck von Hauseigentümern, dem Bauministerium und der FDP wurde die Vorgabe komplett gestrichen, nach der sämtliche Gebäude in Deutschland bis 2050 klimaneutral sein sollen. Jetzt ist nur noch von um 80 Prozent reduzierten Emissionen die Rede. Und: Es wird keinen Zwang zu umweltgerechten Sanierungen geben, stattdessen setzt die Regierung auf finanzielle Anreize und Freiwilligkeit. Drei bis fünf Milliarden Euro, so schätzen Umweltexpterten, wäre für die Gebäudesanierung notwendig. Vorgesehen sind aber für 2011 erst einmal 500 Millionen Euro. Für die Folgejahre gibt es noch keine Zahlen.

Klimaschutz - welchen Beitrag leistet die Autoindustrie?

Um die Treibstoffemissionen zu senken, will die Regierung bis 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen. Bis 2030 sollen es sechs Millionen sein. Auch die Nutzung von Biokraftstoffen soll ausgebaut werden. Allerdings fehlen auch hier verpflichtende Maßnahmen für die Autoindustrie. Im Papier der Bundesreiguerng heißt es lediglich, die Industrie werde "aufgefordert", technische Voraussetzungen für die Einführung und Nutzung von Elektroenergie und Biokraftstoffen zu schaffen.

Warum werden die AKW-Laufzeiten überhaupt verlängert?

Die Regierung spricht von einer Brückentechnologie. Sie geht davon aus, dass nur durch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten die sichere Versorgung mit Energie gewährleistet ist. Deshalb sollen die Laufzeiten der vor 1980 ans Netz gegangenen Meiler um acht, die der anderen zehn Akw um 14 Jahre verlängert werden. Die Konzerne sollen einen Teil der Zusatzgewinne abtreten.

Was geschieht mit den abgeschöpften Gewinnen?

Das Geld fließt nicht, wie von Umweltverbänden gefordert und der Regierung anfangs versprochen, ganz oder weitgehend in den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen wird zur Sanierung des Haushalts verwendet. Über die Brennelementesteuer zahlen die Atomkraftwerksbetreiber jährlich rund 2,3 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt. Zusätzlich sollen die Konzerne in einen Öko- und Klimafonds einzahlen - zunächst 300 Millionen, später 200 Millionen Euro pro Jahr. Nach dem Auslaufen der Brennelementesteuer in sechs Jahren sollen die Konzerne dann neun Euro pro Megawattstunde in den Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien entrichten

Wo wird der Atommüll endgelagert?

Mit der Verlängerung der Laufzeiten fällt zusätzlicher Atommüll an, darunter allein 10tausend Kubikmeter zusätzlich an schwach- und mittelradioaktivem Abfall. Dieser soll im Endlager Konrad gelagert werden. Für hochradioaktiven Müll gibt es noch kein Endlager. Die Erkundung des Salzstocks Gorleben soll im Oktober wieder aufgenommen werden.

Wie realistisch sind die Klimaziele?

Die Bundesregierung betont: Sie setzt auf Freiwilligkeit und finanzielle Anreize. Viele Verbindlichkeiten wurden auf Druck der Wirtschaft wieder aus dem Konzept herausgenommen. In vielen Bereichen ist also offen, ob und in welchem Maße die Wirtschaft bereit ist, ihren Anteil zur Umsetzung der Ziele zu leisten. Angesichts des im Laufe der Verhandlungen ziemlich gerupften Energiekonzepts zweifeln auch Politiker aus der Koalition an der Realisierung der Klimaziele. EU-Energiekommissar Oettinger hält die Ziele der Regierung für "zu ehrgeizig".