DFB-Präsident Reinhard Grindel
Interview

Streit wegen Özil "Schlechtester DFB-Präsident seit 50 Jahren"

Stand: 23.07.2018 09:57 Uhr

Die Özil-Debatte ist auch eine Debatte über den Umgang des DFB mit dem Fall. Harald Stenger, Ex-Sprecher der Verbandes, macht DFB-Präsident Grindel mitverantwortlich - und fällt im Interview mit dem ARD-Morgenmagazin ein vernichtendes Urteil.

ARD-Morgenmagazin: Die Reaktion von Özil war längst überfällig, sein Rücktritt aus der Nationalmannschaft möglicherweise auch erwartbar. Aber die harte Kritik an DFB-Präsident Reinhard Grindel - teilen Sie die?

Harald Stenger: Der Rücktritt kommt nicht überraschend, und die harte Kritik an Reinhard Grindel kommt auch nicht überraschend. Sie ist auch berechtigt.

Aber vielleicht sollte man, bevor man darauf eingeht, noch einmal auch Mesut Özil hinterfragen. Er hat sich in der Sache Erdogan-Foto in keiner Weise einsichtig gezeigt. Er ist stur geblieben, so wie das auch von ihm zu erwarten ist, wie das seine Art ist. Man muss einfach sagen: Bei allem Respekt vor seinen türkischen Vorfahren - einem Nationalspieler und Aushängeschild der Nationalmannschaft wie Mesut Özil war klar, und das bestätigt er ja jetzt noch einmal, dass dieses Foto viel Wirbel verursacht. Und es muss ihm entgegen seiner Darstellung auch klar sein, dass dieses Foto ein politisches Signal ist - ohne Wenn und Aber. Und dafür muss er mit dieser Kritik leben.

Harald Stenger (Archivbild 2014)
Zur Person: Harald Stenger

Harald Stenger arbeitete viele Jahre für die Sportredaktion der "Frankfurter Rundschau", ehe er 2001 Mediendirektor des Deutschen Fußball-Bundes wurde. In dieser Funktion leitete er u.a. die Pressekonferenzen der Nationalmannschaft. 2012 wurde sein Vertrag vom DFB nicht verlängert.

Dass die Kritik teilweise überzogen war, dass sich rechtspopulistische Trittbrettfahrer daran angehängt haben, dass er zum Sündenbock für das WM-Versagen gemacht wird - was ein völlig abstruses Argument ist, weil es viel schlechtere Spieler gab -, das wollen wir jetzt alles so zur Kenntnis nehmen. Aber insgesamt ist seine Reaktion absolut unglücklich, man könnte fast sagen: selbstherrlich.

Und jetzt brechen natürlich in der totalen Tragweite die Diskussionen auf: Wie ist das beim DFB gelaufen? Und da steht nun mal der Präsident an erster Stelle. Er trägt die politische Verantwortung dafür, wie sich dieser Fall gestaltet hat. Er hat selbst durch verschiedene Statements keine gute Rolle gespielt. Er trägt für das ganze Kommunikationsdesaster die Verantwortung, und deshalb muss ab sofort über seinen Rücktritt diskutiert werden, und die Diskussion ist ja teilweise schon im Gange.

Harald Stenger, ehemaliger DFB-Pressesprecher: "Reinhard Grindel als Präsident nicht mehr haltbar"

Morgenmagazin

"Grindel ist nicht mehr haltbar"

ARD-Morgenmagazin: Was wäre Ihre persönliche Meinung zu DFB-Präsident Grindel? Für sie ist er nicht mehr haltbar und tragbar?

Stenger: Ich habe eine klare Position: Er ist nicht mehr tragbar und haltbar. Er hat erst im Fall Özil deutlich gesagt, dass es nicht geht, dass ein Nationalspieler sich mit einem Präsidenten ablichten lässt, der Werte wie Pressefreiheit und Menschenrechte nicht vertritt. Das war richtig. Dann ist er zurückgerudert und hat gesagt, alles ist nicht so schlimm. Als dann das WM-Aus besiegelt war, kam er wieder aus der Deckung und hat gesagt, nun muss aber Özil eine Erklärung abgeben.

Und wer so einen Wischiwaschi-Kurs fährt, der ist einfach nicht der ideale Repräsentant eines so großen Verbandes wie des Deutschen Fußball-Bundes. Sicherlich haben auch andere noch Fehler gemacht. Aber er ist die Nummer eins und ich sage es noch einmal: Damit trägt er die sportpolitische Verantwortung.

Ich will es noch mal aus anderer Perspektive sagen. Ich kenne die DFB-Präsidenten seit 50 Jahren alle sehr, sehr gut und kann nur sagen: Nicht nur im Fall Özil, sondern insgesamt in den verschiedensten Dingen, die ich jetzt gar nicht im Detail aufzählen will, ist Reinhard Grindel der schlechteste DFB-Präsident in den letzten 50 Jahren. Und deshalb wäre er gut beraten, den Weg für einen Nachfolger frei zu machen. Und dann wird es eine intensive Diskussion geben.

Es ist momentan noch kein klarer Nachfolgekandidat in Sicht. Ich glaube, der DFB und die Deutsche Fußball-Liga sind gut beraten, sich im Gegensatz zu der Phase vor der Wahl Grindels wirklich mal Zeit zu lassen, sich in Ruhe miteinander zu unterhalten. Nicht wie zuletzt, dass der DFB vorschnell einen Vorschlag wie Grindel präsentiert, der sich dann als Flop herausstellt. Und vielleicht kann es ja sogar so kommen, dass es wieder wie im Sommermärchen-Skandal zunächst mit einem Interimspräsidium funktioniert mit Reinhard Rauball und Reinhard Koch. Aber das sind Fragen, die die DFB-Gremien entscheiden müssen.

Die Fragen stellte Okka Gundel, ARD-Morgenmagazin

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Morgenmagazin am 23. Juli 2018 um 8.25 Uhr.