DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Deutsche reagieren nüchtern auf Tod Bin Ladens

Stand: 05.05.2011 22:38 Uhr

Der Tod von Al-Kaida-Führer Bin Laden löst bei den wenigsten Deutschen Jubel aus. Das ist das Ergebnis des neuesten ARD-DeutschlandTrends. Zwar befürchtet nun eine Mehrheit, dass die Gefahr von Anschlägen nun gestiegen ist. Eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze stößt dennoch auf Skepsis.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Der Tod von Osama Bin Laden ist das Ereignis, das die Menschen in dieser Woche am meisten beschäftigt hat. Und die Frage, ob man, wie in Washington und New York geschehen, seinen Tod bejubeln darf, ob man sich, wie Kanzlerin Merkel in einem ersten Statement, darüber freuen darf, ist wohl die meistdiskutierte. Der ARD-DeutschlandTrend gibt eine relativ klare Antwort: Nur 28 Prozent der Deutschen sehen in der Tötung des Topterroristen einen "Grund zur Freude", 64 Prozent sehen keinen Grund sich zu freuen.

Etwas knapper sind die Verhältnisse, wenn es um die Frage geht, ob die amerikanische Regierung das Recht hatte, Bin Laden zu töten, und ob sie nicht zumindest den Versuch hätte machen müssen, ihn festzunehmen und ihn vor Gericht zu stellen. Immerhin 42 Prozent halten den Kurs von Präsident Obama für legitim und sind der Ansicht, die USA hatten das Recht, Bin Laden zu töten. Eine Mehrheit allerdings von 52 Prozent vertritt die Ansicht, dass die Sondereinheit sich hätte bemühen sollen, Osama Bin Laden festzunehmen. Vor allem die jüngeren Befragten vertreten deutlich diese Position.

US-Präsident Barack Obama ist in Deutschland immer noch ein hochgeachteter populärer Politiker, aber sein Handeln wird von einer Mehrheit der Deutschen missbilligt. Und wie schon in früheren Jahren ist es eine Frage von Leben und Tod, von Krieg und Frieden, in der die deutsche und die amerikanische Öffentlichkeit erkennbar unterschiedlich ticken. Es gibt bei den Befragten zwar erkennbare Unterschiede je nach politischer Position. So sehen die Anhänger der drei Oppositionsparteien am wenigsten Grund sich zu freuen angesichts der Ereignisse in der Nacht zum Montag. Aber selbst unter den Anhängern von Union und FDP sind es jeweils nur knapp die Hälfte der Befragten, die persönlich nachempfinden können, was Angela Merkel in einem ersten Statement am Montag formuliert hatte und später durch ihren Sprecher korrigieren ließ.

Größere Angst vor Anschlägen

Möglicherweise ist dieses Meinungsbild auch dadurch beeinflusst, dass sie die Welt nach dem Sondereinsatz in Pakistan nicht für sicherer, sondern eher für unsicherer halten. 51 Prozent glauben, dass mit der Tötung Bin Ladens die Gefahr von terroristischen Anschlägen gestiegen ist, nur zwei Prozent glauben, sie sei gesunken, 45 Prozent sehen keine Veränderung. Nimmt man die Festnahme von drei Terrorverdächtigen in Nordrhein-Westfalen Ende letzter Woche hinzu, dann erklärt sich, warum eine große Mehrheit der Befragten, 79 Prozent, auch Anschläge in Deutschland für eine realistische Möglichkeit hält. Allerdings scheint das eher eine nüchterne Einschätzung zu sein, von Hysterie ist, wie schon in früheren Befragungen keine Spur. 63 Prozent, also knapp zwei Drittel, halten die Bundesrepublik für "alles in allem gut geschützt gegen terroristische Angriffe".

Trotzdem sind ähnlich viele Befragte, 67 Prozent, der Ansicht, dass mehr getan werden müsse, um Sicherheitslücken zu entdecken. Trotz der relativ kritischen Lagebeurteilung wiegt die Skepsis gegenüber der Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze, die gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung diskutiert wird. Weniger als ein Viertel (23 Prozent) sind für die von Innenminister Hans-Peter Friedrich ursprünglich geforderte unbefristete Verlängerung der Gesetze. 28 Prozent können sich eine befristete Verlängerung vorstellen. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) plädiert allerdings dafür, nicht das ganze Gesetzespaket weiterhin gelten zu lassen, sondern alle Einzelmaßnahmen sorgfältig zu prüfen und dann zu entscheiden.

Union legt wieder zu

Die politische Stimmung wurde von den aktuellen Ereignissen wenig beeinflusst. In der Sonntagsfrage, die Infratest dimap für den DeutschlandTrend wieder am Montag, Dienstag und Mittwoch dieser Woche unter 1500 Befragten erhoben hat, bleibt die Bundesregierung weit entfernt von einer parlamentarischen Mehrheit. Die Union kann zwar gegenüber Anfang April wieder zwei Punkte zulegen und notiert nun bei 35 Prozent. Allerdings rutscht die FDP mit vier Prozent (- 1) wieder unter die kritische Marke und wäre nicht im Bundestag vertreten, würde am Sonntag tatsächlich gewählt. Kaum Veränderungen gibt es im Lager der Opposition. Die SPD lässt noch einmal einen Punkt nach und steht nun nur noch bei 26 Prozent. Die Grünen sind stabil bei 23 Prozent, die Linke bei sieben Prozent.

Damit setzt sich fort, was wir seit Monaten beobachten: Auf Bundesebene kann von der schwierigen Lage der Regierung und der massiven Krise der Regierungspartei FDP nur eine Oppositionspartei profitieren - die Grünen. Dramatisch ist das angesichts zusätzlicher Befragungsergebnisse vor allem für die SPD. Nach der Rekordniederlage bei der Bundestagswahl 2009 mit 23 Prozent hatten die Sozialdemokraten auf einen politischen Neuanfang mit einem neuen Führungsteam gesetzt. Knapp zwei Jahre später urteilen mehr als zwei Drittel der Befragten (69 Prozent), dieser Neustart sei nicht gelungen. Ganze 26 Prozent kommen zu dem Schluss, die SPD habe überzeugende Führungspersönlichkeiten an der Spitze. Und gerade mal 22 Prozent erklären, die SPD sei eine Partei, "bei der man genau weiß, wofür sie steht".

Sarrazin-Debatte belastet SPD

Dabei war der Eiertanz um die Parteimitgliedschaft des ehemaligen Berliner Senators Thilo Sarrazin alles andere als hilfreich. Nur 35 Prozent der befragten Bundesbürger sind der Ansicht, die SPD hätte Sarrazin besser "wie ursprünglich angekündigt aus der Partei ausgeschlossen". Schlimmer aber dürfte für die Parteiführung sein, dass die eigene Anhängerschaft komplett gespalten ist. 43 Prozent der SPD-Wähler sprechen sich für, 47 Prozent gegen den Parteiausschluss von Thilo Sarrazin aus.

Schließlich spricht einiges dafür, dass der Partei Führungsdiskussionen nicht erspart bleiben werden. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel rutscht nach der neuerlichen Sarrazin-Debatte erneut um sechs Punkte ab und wird nur noch von 34 Prozent der Befragten positiv beurteilt. Das ist für ihn vor allem deshalb kritisch, weil es zwei ehemalige Bundesminister in der SPD-Fraktion gibt, die deutlich besser abschneiden: Frank-Walter Steinmeier gehört mit 52 Prozent Zustimmung in die Spitzengruppe aller Politiker, ebenso Peer Steinbrück mit 51 Prozent. Allerdings sind auch die beiden jeweils um acht Punkte abgerutscht.

Unzufrieden trotz Aufschwung

Viele Ergebnisse des Deutschlandtrends zeichnen ein Bild der Unzufriedenheit, der Reserviertheit gegenüber fast allen Parteien und Politikern. Das ist vor allem deshalb beachtlich, weil die Wirtschaftslage weiterhin von 65 Prozent der Befragten als gut oder sehr gut beurteilt wird - fast ein Rekordwert. Trotzdem sieht eine Mehrheit der Befragten (54 Prozent) bei den derzeitigen Verhältnissen in Deutschland eher Anlass zur Beunruhigung. Trotz des anhaltenden Wirtschaftsbooms haben nur 30 Prozent das Gefühl, auch persönlich von diesem Aufschwung zu profitieren, und satte 71 Prozent sind unzufrieden mit der Leistung der Bundesregierung.

Sichtbares Zeichen der tristen Stimmung ist aber auch die monatliche Hitliste der beliebtesten Politikerinnen und Politiker. Mit mageren 54 Prozent Zustimmung erreicht im Mai Wolfgang Schäuble den Spitzenplatz. Es ist zwölf Jahre her, dass zuletzt ein Politiker mit so geringen Zustimmungswerten diese Liste angeführt hat. Es war Gerhard Schröder im Januar 1999 mit damals 53 Prozent. In der aktuellen Liste folgen hinter Schäuble auf den Plätzen Thomas de Maizière, wie erwähnt Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel mit je 52 Prozent, Peer Steinbrück und Ursula von der Leyen mit 51 Prozent.

Umso auffälliger angesichts dieser mäßigen Werte ist, dass zwei Bundesminister sich erkennbar nach vorne arbeiten konnten. Da ist zum einen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der fünf Punkte zulegt und mit 46 Prozent Zustimmung jetzt nicht mehr weit hinter der Spitzengruppe liegt. Da ist aber auch der immer noch weit unbekannte neue Minister Hans-Peter Friedrich, dessen positive Bewertung immerhin von 22 auf 37 Prozent gestiegen ist.

Zeit für eine Atempause

Es ist erkennbar, dass die Parteien gegenwärtig versuchen, Luft zu holen. Die SPD bemüht sich um Ruhe nach dem Sarrazin-Streit, die FDP ringt um die Klärung ihrer Führungsprobleme. Und die Union versucht rechtzeitig vor Auslaufen des Atommoratoriums im Juni ihren Kurs zu klären, damit sie dann in der Lage ist, zusammen mit ihrem Koalitionspartner auch klare Gesetze zu formulieren.

All das sind Indizien dafür, dass die in zwei Wochen stattfindende Landtagswahl in Bremen bundespolitisch keine große Rolle spielen wird. Dann aber, sofort nach der Sommerpause, stehen zwei weitere Landtagswahlen an, zunächst in Mecklenburg-Vorpommern, dann in Berlin. Und vor allem diese letzte Wahl wird der Schlussspurt für dieses Superwahljahr sein. Von den Grünen mal abgesehen werden alle Parteien ihre Mühe und Not haben, ihr inhaltliches Profil und ihre Glaubwürdigkeit bis dahin zumindest ein wenig aufzupolieren.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend

Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1001 Befragte
Erhebungszeitraum: 02. und 03. Mai
Fallzahl Sonntagsfrage: 1501 Befragte
Erhebungszeitraum: 02. bis 04. Mai 2011
Fallzahl Frage "Terrorgefahr": 1000 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 04. Mai 2011
Fallzahl Frage "Freude über Tod Osama Bin Ladens": 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 05. Mai 2011
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%