Geschlossene Strandkörbe stehen nebeneinander in Norddeich.

Nach Corona-Ausbruch Gäste aus Gütersloh unerwünscht

Stand: 23.06.2020 18:24 Uhr

Der Landkreis Gütersloh steht kurz vor den Sommerferien unter einem "Lockdown". In den Urlaub können die Bewohner trotzdem fahren, sagt Ministerpräsident Laschet - nur sind sie schon jetzt nicht mehr in allen Urlaubsregionen willkommen.

Am kommenden Montag starten in Nordrhein-Westfalen die Sommerferien. Doch nach dem Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies gelten im Landkreis Gütersloh erneut strenge Einschränkungen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Und das könnte sich auch auf die geplanten Urlaubsreisen der Anwohner auswirken.

Ein direktes Ausreiseverbot gilt für die rund 370.000 in dem Landkreis lebenden Bewohner zwar nicht, wie Ministerpräsident Armin Laschet betonte: "Wer Urlaub plant, kann das natürlich machen." Im nächsten Atemzug rief er die Bürger aber dazu auf, "jetzt nicht aus dem Kreis heraus in andere Kreise zu fahren". Das solle auch kontrolliert werden.

Und selbst ohne Ausreisesperre könnte die Ferienreise für die Gütersloher schwierig werden. Denn schon jetzt stehen mehrere Urlaubsregionen bundesweit den potenziellen Gästen aus der "Lockdown"-Region skeptisch gegenüber.

Usedom ruft Urlauber zu vorzeitiger Abreise auf

Bereits gestern mussten 14 Touristen, die auf die Insel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern gereist waren, wieder ihre Koffer packen. Sie seien aufgefordert worden, vorzeitig abzureisen und sich mit den zuständigen Gesundheitsbehörden ihres Bundeslandes in Verbindung zu setzen, teilte Achim Froitzheim mit, Sprecher des Kreises Vorpommern-Greifswald. Zu den betroffenen Urlaubern zählte mindestens ein Ehepaar, dass direkt aus dem Landkreis Gütersloh stammt. Ob alle der 14 Gäste aus der Region kommen, ist aber nicht klar.

"Natürlich schicken wir nur ungern Urlauber zurück, aber das ist unsere Aufgabe: Das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen", so Froitzheim. Damit zielte er nicht nur auf Usedom ab, das betreffe die "gesamte Urlaubsregion Mecklenburg-Vorpommern".

Einreise richtet sich nach Grenzwert für Neuinfektionen

In dem Bundesland gelte die Verordnung, dass keine Gäste aus Regionen einreisen dürfen, in denen in den vergangenen sieben Tagen der von Bundesregierung und Bundesländern festgelegte Grenzwert an Corona-Infektionen überschritten worden sei. Der liegt bei 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche.

In dem Schlachtbetrieb Tönnies haben sich nachweislich mehr als 1500 Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Hinzu kommen bislang mehr als 20 Fälle unter den Angehörigen der Beschäftigten. Auch in dem benachbarten Landkreis Warendorf wurde der Grenzwert bereits überschritten. Im Kreis Gütersloh gab es nach Angaben des Robert Koch-Institutes 257,4 Infektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen, im Kreis Warendorf 68,4.

Allerdings, so fügte Froitzheim hinzu, könnten auch Urlauber aus sogenannten Risikoregionen nach Mecklenburg-Vorpommern kommen. Dafür müssten sie allerdings ein ärztliches Zeugnis vorlegen, dass ihnen bescheinigt, das keine Hinweise auf eine Corona-Infektion vorliegen.

Keine Gäste aus Gütersloh in bayerischen Hotels

Die gleiche Linie fährt nun auch Bayern: Das Landeskabinett habe beschlossen, dass Hotels und Herbergen keine Gäste aus Regionen aufnehmen dürfen, in denen der Grenzwert für Neuinfektionen überschritten worden sei, teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann mit. Auch hier gelte die Ausnahme: Wer einen negativen Corona-Test vorlegen könne, der sei auch weiterhin willkommen.

Herrmann wundere es, dass für den Kreis Gütersloh keine Ausreisesperre gebe. Er verwies auf den bayerischen Landkreis Tirschenreuth. Mitte März hatte der Landkreis für die Stadt Mitterteich als erste Stadt in Bayern eine Ausgangssperre erlassen. Auch habe man für Bewohner des Landkreises die Ausreise untersagt, betonte Herrmann. Und in Gütersloh gebe es nun sogar mehr Corona-Fälle.

Schleswig-Holstein verhängt Quarantäne-Pflicht

Schleswig-Holstein hingegen schließt die Einreise von Urlaubern aus Risikogebieten nicht direkt aus. Allerdings müssen diese sich aber direkt in ihre Wohnung oder eine andere Unterkunft begeben, wo sie 14 Tage lang unter Quarantäne stehen sollen, kündigte die Landesregierung in Kiel an.

Als ungeeignet für die Isolation gelten demnach Herbergen mit gemeinschaftlichen sanitären Anlagen, ebenso wie Campingplätze.

Morgen sollen die Gesundheitsminister aller Bundesländer per Telefonkonferenz über einen einheitlichen Umgang mit Reisenden aus Risikogebieten beraten.

Gesundheitsexperte Lauterbach pocht auf Test vor Ausreise

Auch der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, knüpft eine mögliche Urlaubsreise für die Gütersloher an eine Bedingung: Vor einer Ausreise aus dem eigenen Landkreis sollten sich die Bewohner auf das Coronavirus testen lassen. Täten sie das nicht, "besteht die Gefahr, dass das Virus aus Gütersloh wieder verbreitet wird", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post". Im Umgang mit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies sei es nicht wichtig, dass auch der letzte Mitarbeiter gefunden werde. "Man muss sich jetzt um die Bevölkerung kümmern", betonte der SPD-Politiker.

Bei den Bewohnern in Gütersloh schürt der Lockdown die Wut auf den Schlachtbetrieb. "Wir hatten schon so viel Ärger durch den ersten Lockdown und jetzt soll das Ganze von vorne losgehen", äußerte sich etwa Kai Drees aus der Gemeinde Steinhagen gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Und der 52 Jahre alte Anwalt Drees sieht die Sommerreise mit seiner Familie auf der Kippe: "Wir haben schon im Frühjahr den Urlaub umbuchen müssen, weil wir eigentlich fliegen wollten. Jetzt soll es mit dem Auto nach Norderney gehen." Doch nun sei er verunsichert, da er von Leuten gehört habe, "die nicht mehr dorthin fahren durften, weil sie aus dem Kreis Gütersloh kommen".

Laschet warnt vor "Generalverdacht"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet versuchte noch, an Urlaubsregionen zu appellieren: Die Bewohner aus dem Landkreis Gütersloh dürften nun nicht "stigmatisiert" oder "unter Generalverdacht gestellt" werden. "Dazu gibt es überhaupt keinen Anlass", betonte der Landeschef. Denn abseits der Infektionen unter der Tönnies-Belegschaft gebe es in dem Landkreis derzeit nur 24 weitere bekannte Corona-Fälle.

(Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand kurzzeitig eine falsche Zahl von Neuinfektionen im Kreis Warendorf. Wir haben dies korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 23. Juni 2020 um 13:00 Uhr.