Haushaltsberatungen im Bundestag "Lassen Sie den Quatsch mit der Maut"

Stand: 10.09.2014 18:30 Uhr

Von einem Schlagabtausch kann keine Rede sein, erneut aber bewies Oppositionsführer Gysi sein rhetorisches Talent. Bei der Aussprache zum Kanzleramtsetat nahm er die Pkw-Maut aufs Korn und bot Finanzminister Schäuble eine Art Monopoly an.

Mit gemäßigten Tönen hat die Opposition die Generaldebatte im Bundestag über den Haushalt 2015 für Kritik an der Regierungspolitik genutzt.

Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi warf der Regierung vor, für den angestrebten Stopp der Neuverschuldung dringend notwendige Investitionen zu vernachlässigen. "Für ein sehr zweifelhaftes Denkmal verzichten Sie auf alles, was Zukunft ausmacht", sagte er.

Statt mehr in Kitas und den Breitbandausbau zu investieren, Straßen und Brücken zu sanieren und die kalte Progression abzubauen, halte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) krampfhaft am Ziel fest, erstmals seit 1969 keine neuen Schulden mehr zu machen.

Die Pkw-Maut schloss Gysi als Maßnahme der Mittelbeschaffung jedoch aus: "Lassen Sie den ganzen Quatsch mit der Maut. Das bringt nichts, liebe CSU, packen Sie die einfach weg", sagte er.

Gysi unterstellte Schäuble, die Bundesstraßen verkaufen zu wollen, um neue Einnahmen zu generieren. Dann würden auch Länder und Kommunen am Ende ihre Straßen verkaufen. Für den Fall, dass das passiert, machte Gysi dem Finanzminister klar:

Dann werde ich mit allen Mitteln versuchen, die Straße zu kaufen, in der Sie wohnen. Und dann wird das für Sie sehr teuer, wenn Sie nach Hause wollen. Und außerdem benenne ich dann die Straße um. Und es wird Ihnen am peinlichsten sein, immer schreiben zu müssen, dass Sie 'Zum Gysi Nr. 1' wohnen.

Merkel: "Die Maut gehört dazu"

Bezugnehmend auf Gysi bekannte sich Kanzlerin Angela Merkel erneut zur Pkw-Maut. Für den Erhalt der Verkehrswege würden zusätzliche Mittel gebraucht, sagte sie. Diese sollten zum einen aus der Lkw-Maut gewonnen werden. "Und auch die Einführung einer Pkw-Maut gehört dazu."

Merkel verteidigte außerdem die Schuldenpolitik von Finanzminister Schäuble und nahm zu auslandspolitischen Themen Stellung. So pochte sie auf die Einhaltung der Haushaltsziele in der EU. Ihrer Ansicht nach wäre die Abkehr vom Reformkurs das größte Risiko für einen Wirtschaftsaufschwung. "Damit wir unsere Ziele erreichen, wird strikte Ausgabendisziplin erforderlich sein. Das, was für Deutschland gilt, gilt unverändert auch für Europa", betonte sie.

Im Fall der Ukraine-Krise sprach sie sich für eine sofortige Anwendung der geplanten EU-Sanktionen gegen Russland aus. Sie betonte aber auch, dass die Sanktionen wieder zurückgenommen würden, wenn die zwölf Punkte der Waffenstillstands-Vereinbarung für die Ostukraine erfüllt würden.

Zudem begrüßte die Kanzlerin die Bildung der internationalen Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Sie bereitete den Bundestag auf ein längeres Engagement vor, da die Bekämpfung des IS "nicht von heute auf morgen gelingen" werde.

Der Kampf gegen IS erfordert ein entschlossenes und ein geschlossenes Vorgehen aller, die sich gegen Unterdrückung Andersdenkender und gegen barbarische Vernichtung von Minderheiten auflehnen. Wir alle, Menschen jedweden Glaubens, bieten den Extremisten und Islamisten gemeinsam die Stirn.

Gabriel: Investitionen sind Deutschlands "Achillesferse"

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warb in seiner Rede vor dem Bundestag für einen wachstumsorientierten Kurs. "Wenn Deutschland eine Achillesferse hat, dann in der Tat sind es die fehlenden Investitionen", sagte er in der Haushaltsdebatte. Das Land habe sich stets gerne mit dem Titel des Exportweltmeisters geschmückt, "aber Investitionsweltmeister sind wir schon sehr lange nicht mehr".

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bezeichnete den Investitionsstau in Deutschland als "real existierendes Problem". Er zitierte Experten, nach deren Ansicht jährlich etwa sieben Milliarden Euro allein im Verkehrsbereich investiert werden müssten. Daher dürfe die Maut-Debatte nicht auf die Pkw-Maut verengt werden, sondern man müsse rasch die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausweiten.

Wichtig sei auch, dass mehr privates Kapital - "statt in hochspekulativen Anlagen im Ausland verbrannt zu werden" - für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur generiert werde. Zugleich betonte Oppermann, dass der Verzicht auf eine Neuverschuldung des Bundes 2015 richtig sei: "Wir wollen keine Politik mehr zulasten der künftigen Generationen machen."

Göring-Eckardt: Etatausgleich - ein PR-Gag

Dies genau aber tut die Große Koalition nach Ansicht der Grünen. Die mangelnden Investitionen in die Zukunft seien das Gegenteil von Generationengerechtigkeit, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Deutschland lebt von der Substanz." Der Etatausgleich sei ein PR-Gag. Das Geld hole sich der Finanzminister bei der Kranken- und Rentenkasse sowie durch unterlassene Investitionen. "Diese Politik ist falsch und zukunftsvergessen." Die Haushaltspolitik sei nur ein Wette auf eine gute Konjunktur.

Von der Leyen will Verteidigungsetat nicht erhöhen

Außerdem wurde über die Etats für Wirtschaft, Entwicklungspolitik und Verteidigung beraten. Für letztgenanntes Ressort hatte Kanzlerin Merkel bereits zuvor angekündigt, dass es nicht mehr Geld geben werde. Sie hatte damit Überlegungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Absage erteilt, die kürzlich im "Bericht aus Berlin" andeutete, sich - maßvoll - für einen Nachschlag einsetzen zu wollen.

In der Generaldebatte erklärte von der Leyen dann, sie sehe keine Notwendigkeit für eine kurzfristige Steigerung des Wehretats. Ihr Ziel sei es vielmehr, "das vorhandene Geld möglichst effizient und effektiv auszugeben". Der Budgetentwurf sieht für das Verteidigungsministerium rund 32,3 Milliarden Euro vor. Sie warnte allerdings eindringlich vor Kürzungen in ihrem Haushalt. Angesichts der vielen internationalen Krisen wäre dies "hochriskant", sagte von der Leyen.