Claudia Roth
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Claudia Roth als Staatsministerin Fake-Profil sorgt für Verwirrung

Stand: 30.11.2021 11:51 Uhr

Claudia Roth soll Staatsministerin werden: Seit dieser Plan bekannt ist, steht die Grünen-Politikerin wieder besonders im Fokus. Und einmal mehr taucht ein Fake-Profil auf - das bemerkenswert erfolgreich ist.

Von Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder

Innerhalb weniger Stunden sammelt das Profil @CRothKultur auf Twitter Tausende Abonnenten. Darunter finden sich der Deutsche Kulturrat, Politikerinnen und Politiker sowie Journalistinnen und Reporter. Die designierte Staatsministerin für Kultur wird mit freundlichen Worten und auch vielen ablehnenden Kommentaren in der deutschen Twitter-Gemeinschaft begrüßt.

Der Haken an der Sache: Genau dieser fehlt. Das Profil ist nicht durch einen blauen Haken, den Twitter vergibt, als authentisch verifiziert - und es ist auch nicht von Claudia Roth oder ihrem Team angelegt worden. Es handelt sich um eine Fälschung; längst nicht die erste. Die bisherige Bundestagsvizepräsidentin ist seit Jahren mit irreführenden Behauptungen, Beleidigungen und erfundenen Zitaten konfrontiert. Auch falsche Twitter-Konten sind bereits mehrfach aufgetaucht, so trat über mehrere Jahre das Profil @greenclaudia als Roth auf, 2017 tauchte ein bemerkenswert professionell gestalteter Account auf, der im Namen der Politikerin sogar Fernsehauftritte ankündigte. Derzeit sind weitere falsche Twitter-Profile aktiv, so eines mit dem Namen @CR0thKultur.

Der Zweck von solchen Accounts: Verwirrung stiften und gefälschte Zitate verbreiten. Ein Fake-Profil twittert beispielsweise etwas - und per Screenshot wird danach das angebliche Zitat skandalisiert. Diese Strategie ging sogar so weit, dass ein angeblicher Grünen-Politiker erfunden wurde, der radikale Aussagen in den sozialen Medien veröffentlichte. Doch dieser Politiker existiert gar nicht - die Zitate wurden aber den Grünen immer wieder untergeschoben.

Fakes wiederholen sich

Falsche Roth-Zitate kursieren seit Jahren. 2017 mahnte Roth beispielsweise Erika Steinbach ab, die eine erfundene Aussage verbreitet hatte. Dieses angebliche Zitat war bereits mehrfach als Fälschung gekennzeichnet worden und lässt sich bis ins Jahr 2010 zurückverfolgen.

2018 wurde Roth unterstellt, sie habe ein Alkoholverbot in Deutschland während des islamischen Fastenmonats gefordert. Die ehemalige CDU-Abgeordnete Steinbach verbreitete dies ebenfalls und forderte, Roth solle "endlich eine Burka tragen und konvertieren". Tatsächlich war die angebliche Forderung frei erfunden - als vermeintliche Satire.

Daumen runter für Seehofer?

Aber auch in größeren Medien wurde Roth auf Basis von irreführenden Darstellungen attackiert. Beispielsweise soll sie 2020 als Vizepräsidentin des Bundestags durch eine "Daumen-runter"-Geste ihre Neutralitätspflicht verletzt haben. Kritiker warfen ihr vor, mit diesem Zeichen die Rede von Innenminister Horst Seehofer kommentiert zu haben. Ein entsprechendes Foto lieferte den vermeintlichen Beweis.

Tatsächlich hatte Roth in Richtung CDU/CSU-Fraktion signalisiert, dass Seehofer seine Redezeit deutlich überzieht und dass diese Minuten bei anderen Reden abgezogen werden würden. Dies geht aus Video-Mitschnitten hervor. Das Beispiel zeigt anschaulich, dass Fotos stets in ihrem Zusammenhang betrachtet sowie bewertet werden müssen.

Umdrehen als angebliche Nazi-Methode

Einen ähnlichen Fall hatte es 2018 gegeben, als Roth sogar Nazi-Methoden vorgeworfen wurden, weil sie sich während einer Rede von Alice Weidel demonstrativ weggedreht habe. Roth selbst sagte dazu, sie habe sich während der Rede kurz umgedreht, um mit einem anderen Abgeordneten zu sprechen. Die vorliegenden Videoaufnahmen aus dem Plenarsaal bestätigten diese Darstellung: Auf den vorhandenen Einstellungen während der Weidel-Rede sitzt Roth mit dem Gesicht in Richtung Rednerpult.

In einer kurzen Einstellung ist zu sehen, wie Roth halb umgedreht mit einem anderen Abgeordneten spricht und sich danach wegdreht - für einen Moment, wie sie betont. Es ist der Moment, der im Folgenden tausendfach als Screenshot in sozialen Netzwerken kursiert. In allen anderen Einstellungen schaut Roth in Richtung Weidel.

"Deprimierend"

Die Liste der irreführenden Darstellungen, der gefälschten Profile und Zitate ist also lang, dennoch folgten Tausende Nutzerinnen und Nutzer umgehend dem angeblichen Twitter-Profil der designierten Staatsministerin für Kultur. Der WDR-Journalist Dennis Horn bezeichnete es als "deprimierend", dass so viele auf die Fälschung hereingefallen seien.

Tatsächlich ist ein wichtiger Hinweis für ein authentisches Profil, wie viele bekannte Nutzerinnen und Nutzer einem Account folgen. Durch eine große Zahl von Followern, die selbst über eine relevante Reichweite verfügen, wird die Glaubwürdigkeit eines Kontos erhöht. Das Büro von Roth erklärte umgehend auf Anfragen, dass es sich um kein authentisches Profil handele. Twitter sperrte es mittlerweile auch.

"Mich als Person diskreditieren"

Roth selbst sagte auf Anfrage des ARD-faktenfinder, es habe sich um einen "gezielten Angriff gehandelt, um Desinformation zu streuen, mich als Person zu diskreditieren und Zweifel zu säen, in der Hoffnung, dass im Netz immer etwas hängen bleibt. Die Spalter und Fake-News-Verbreiter, ihnen geht es mit diesen Strategien darum, die Öffentlichkeit zu verunsichern und einen Menschen zu verleumden, ihn unglaubwürdig oder lächerlich zu machen, ihn zum Schweigen oder zum Rückzug zu bringen".

Das Beispiel zeige, wie schnell Menschen Falschinformationen aufsitzen können, sagt die Publizistin Pia Lamberty im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder. Häufig habe "das weniger etwas mit dem absichtlichen Teilen von Falschinformationen oder fehlendem Wissen als mit Unaufmerksamkeit" zu tun.

"Doppeltes Feindbild"

Auch im Wahlkampf zur Bundestagswahl habe sich gezeigt, dass die Grünen und hier vor allem Politikerinnen besonders häufig Ziel von Desinformationskampagnen seien, betont die Expertin. "Zum Einen sind die Grünen und wofür sie stehen ein Feindbild von rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften", erklärt Lamberty, "zum Anderen werden Frauen besonders häufig attackiert". Eine selbstbewusste Frau und Politikerin der Grünen stelle also ein doppeltes Feindbild dar.

Die Expertin meint zudem, "dass die Attacken gegen die Grünen in Zukunft noch zunehmen könnten, da sie jetzt Regierungsverantwortung haben und gleichzeitig die von Rechtspopulisten und Verschwörungsideologen verhassten Klimaschutzmaßnahmen symbolisieren".