Fake News
Exklusiv

Kampf gegen Desinformation Wo es bei der Bundesregierung hakt

Stand: 10.07.2020 06:26 Uhr

Der Bundesregierung fehlt eine integrierte Strategie zur Bekämpfung von "Fake News" - diesen Eindruck hinterlässt eine Kleine Anfrage der FDP. Insbesondere im technischen Bereich hinkt man noch hinterher.

Falsche und irreführende Informationen werden zunehmend zum gesellschaftlichen und politischen Problem - das hat auch die Bundesregierung erkannt. Man verfolge bei der Untersuchung des Phänomens einen "ganzheitlichen Ansatz", heißt es in der Antwort einer Kleinen Anfrage des FDP-Abgeordneten Mario Brandenburg.

Viele Zuständigkeiten

Die weiteren Antworten lassen jedoch nicht unbedingt auf eine integrierte Strategie schließen - vielmehr stößt man auf eine ziemlich zersplitterte Zuständigkeit: So ist für Aufklärung über Desinformation im Land unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung zuständig.

Auf internationaler Ebene wird das Problem in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der EU sowie der NATO und der G7 thematisiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst stünden zudem in einem "regelmäßigen fachlichen Austausch mit Partnerdiensten".

Datenbasis für Automatisierung fehlt

Laut der Bundesregierung können Methoden des maschinellen Lernens die Identifikation von Desinformation unterstützen - sofern diese genügend Daten zum Training des Algorithmus haben. Hierfür fördere das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Projekt "DORIAN".

Eines der ersten Ergebnisse: Maschinelles Lernen werde im Kontext von Desinformation "erst dann erfolgreich sein, wenn große Mengen von Texten und auch anderen Medien, die als Desinformation erkannt wurden, in Datenbanken gesammelt werden und entsprechend annotiert sind".

Eben jene Basis fehlt jedoch. So gibt es bis heute in Ministerien oder Behörden keine öffentliche Anlaufstelle, an die jedermann mögliche "Fake News" melden kann - diese sei auch nicht geplant, heißt es von der Bundesregierung. Zudem finde kein übergreifender Austausch der Daten über eine solche Plattform statt.

Verbesserungswillen erkennbar

Allerdings habe die Bundesregierung in den vergangenen Jahren dazugelernt, meint Julian Jaursch, Projektleiter "Stärkung digitaler Öffentlichkeit / Policy" bei der Stiftung Neue Verantwortung: So gebe es in mehreren Ministerien Stellen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit Desinformation auseinandersetzen. "Ein stringenter, ganzheitlicher Umgang mit dem Thema ist aber bisher ausgeblieben", erklärte Jaursch gegenüber tagesschau.de.

Erfolgversprechende Ansätze in anderen Ländern

In anderen Ländern sehe das anders aus, sagt Jaursch. "Finnland ist ein Beispiel dafür, wie der Umgang mit Desinformation bereits in der Schule in verschiedenen Fächern gelehrt wird." Auch die Erwachsenenbildung dürfe aber nicht vergessen werden. "In Estland, Litauen und Lettland sind viele freiwillige sogenannten 'Elfen' im Internet aktiv, die der Desinformation und Propaganda von 'Trollen' etwas entgegensetzen möchten." Dabei gehe es nicht darum, Desinformation unbedingt zu löschen, sondern darum, sie zu entdecken, zu hinterfragen und ihr etwas entgegenzuhalten.

Auch politisch habe das Thema Desinformation in anderen Ländern höhere Priorität: "In Großbritannien haben sich mehrere speziell dafür eingerichtete parlamentarische Ausschüsse des Themas angenommen", sagt Experte Jaursch. "Ein solches politisches Zeichen wäre auch in Deutschland wichtig, um die Gefahren von Desinformation gerade mit Blick auf die digitale Öffentlichkeit zu beleuchten."

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Mario Brandenburg (Archivbild)

Der FDP-Abgeordnete Brandenburg sieht viel Nachholbedarf bei der Bekämpfung von Desinformation.

Vorbild Taiwan?

Brandenburg, technologiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, kritisiert gegenüber tagesschau.de den Umgang der Bundesregierung mit Desinformation als "unkoordiniert und rückständig" - und verweist auf das Beispiel Taiwan: "Dort wird die Ausbreitung von aufkommenden Falschinformationen digital gemessen und sofort gekontert."

Mögliche "Fake News" würden dort vom zuständigen Ministerium geprüft, so Brandenburg. "Unterstützung erhalten die Ministerien dabei von einer breiten und engagierten Community von FactFindern, die Falschmeldungen nicht nur melden können, sondern eine Korrektur mit Quellen oft direkt mitliefern."

Experte Jaursch sieht die koordinierte Strategie des Landes ebenfalls positiv: "Was am Vorgehen in Taiwan vorbildlich ist, ist, dass bisher offenbar vermieden wurde, stark und einzig auf die Löschung von - vermeintlicher - Desinformation zu setzen, was immer die Gefahr von Zensur mit sich bringt." Vielmehr gehe es darum, mit technischen Lösungen wie einer Bürgerplattform ein schnelles Auffinden von Desinformation und Gegenrede zu ermöglichen. "So ein Ansatz, über Crowdsourcing Faktenchecks zu beschleunigen, ist sicher spannend."