Personalfragen vor der Europawahl Wer bekommt welchen Posten?

Stand: 16.05.2014 10:54 Uhr

Bei ihrer gemeinsamen TV-Debatte in Brüssel haben die fünf Spitzenkandidaten der europäischen Parteien über einen härteren Kurs gegenüber Russland, die Sparpolitik und die Flüchtlingspolitik gestritten. In einem Punkt waren sich die fünf aber einig: einer von ihnen soll der nächste Präsident der EU-Kommission werden. Doch trotz deutlicher Drohgebärden der Spitzenkandidaten ist es ungewiss, ob die Staats- und Regierungschefs einen Automatismus in dieser Personalfrage akzeptieren. Nach der Europawahl sind auch andere Posten zu besetzen - und dabei spielen viele Aspekte eine Rolle.

Der Berufswunsch der Europawahl-Spitzenkandidaten ist eigentlich eine ziemlich eindeutige Sache: "Ich möchte Präsident der EU-Kommission werden", rief der sozialdemokratische Kandidat Martin Schulz Anhängern wie Gegnern mehr als ein Mal zu. Selbiges strebt auch sein ärgster Konkurrent Jean-Claude Juncker an. Die Frage ist aber: Wollen auch die Staats- und Regierungschefs einen der beiden Herren auf dem vermeintlich mächtigsten Posten in Europa sehen?

Das Vorschlagsrecht haben die Staats- und Regierungschefs

"Wenn die Regierungschefs das Wahlresultat nicht respektieren, dann wird es im Jahr 2019 so sein, dass noch weniger Menschen zur Wahl gehen als dies letztes Mal der Fall war", mahnt Juncker schon mal vorab. Für den Fall, dass Angela Merkel und Co. auf die Idee kommen könnten, bei ihrem Abendessen zwei Tage nach der Wahl einen ganz anderen Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten aus dem Hut zu zaubern. Was sie prinzipiell durchaus dürften - aber würden sie damit nicht das Wahlergebnis unter den Verhandlungstisch fallen lassen?

"Wer das nicht akzeptiert, verübt einen Anschlag auf die europäische Demokratie", findet der Kandidat Schulz. Nun sei allerdings bei dieser Wahl auch klar, dass sich gegen das Parlament kein Kommissionspräsident durchsetzen lasse, meint der Politikwissenschaftler Andreas Maurer von der Universität Innsbruck: "Gegen das Parlament kann ich keinen Kommissionspräsidenten durchsetzen."

Parlament sitzt am längeren Hebel

Und da sich dort die großen Parteien einig sind, nur einen der Spitzenkandidaten durchgehen zu lassen, sitzt das Parlament diesmal am längeren Hebel. Kanzlerin Merkel scheint dies - unter Schmerzen - eingesehen zu haben. Dem britischen Premier David Cameron allerdings sagt man noch nach, keinen der beiden Favoriten auf dem so wichtigen Posten sehen zu wollen - Wählervotum hin oder her.

"Wenn das nicht ernst genommen wird, dann wäre das eine offene Sabotage an der europäischen Einigung. Und das fühle ich bei den Staats- und Regierungschefs schon seit langem, dass sie Europa gerne klein halten wollen. Dass sie nicht wollen, dass da einer ihnen die Sonne wegnimmt. Aber das muss jetzt sein", warnt der grüne EU-Parlamentarier Jan-Philipp Albrecht.

Da es aber letztlich das Parlament ist, das den EU-Kommissionspräsidenten wählt, stehen die Chancen gut, dass es am Ende Juncker oder Schulz sein werden, die ihren Platz an der Sonne bekommen.

Der Posten des Kommissionschefs ist erst der Anfang

Wenn das allerdings geklärt sei, komme die nächste Frage, sagt  Politikwissenschaftler Maurer: Wer wird Hoher Repräsentant für die Außenpolitik? Der sollte nicht aus derselben Partei sein. Das könnte, meint Maurer, zum Beispiel der zweitplatzierte Spitzenkandidat werden. Wenn er denn will. Jedenfalls bekommen Merkel und Co. nach der Wahl jede Menge Möglichkeiten, mit Posten und Personalien zu jonglieren: "Es wird eben nicht nur um die Frage des Kommissionspräsidenten gehen, sondern auch um die Frage: Europäischer Ratspräsident, Hoher Repräsentant für die Außenpolitik und dann - etwas längerfristig gedacht - Europäischer Zentralbankpräsident und so weiter."

Dabei spielt dann die Parteifarbe ebenso eine Rolle wie die Frage: Wie ist der Süden oder der Osten der EU vertreten? Und schließlich: Sitzen auf den Sesseln am Ende nicht nur Männer?

Diese Wahl - nach der ein Spitzenkandidat auch einen Spitzenposten bekommt - dürfte Europa also zum einen gläserner, durchschaubarer machen. Gleichzeitig bleiben den Staats- und Regierungschefs noch genug Möglichkeiten, sich hinter verschlossenen Türen über die anderen Spitzenämter auszutauschen, bis ihnen die Köpfe rauchen.

Kai Küstner, K. Küstner, NDR Brüssel, 15.05.2014 19:32 Uhr