Gesetz soll Dauerstreit beenden Was das Beschneidungsgesetz regelt

Stand: 12.12.2012 16:58 Uhr

Die religiöse Beschneidung hat für heftigen Streit gesorgt: Befürworter sehen sie als ein Teil der Religionsausübung, Gegner als Verstoß gegen das Kindeswohl. Ein Gesetz soll den Streit beenden. Der Bundestag hat es nun beschlossen. tagesschau.de erklärt, was das Beschneidungsgesetz genau regelt.

Von Laura Will für tagesschau.de

Für wen gilt das Beschneidungsgesetz?

Das Beschneidungsgesetz gilt für Jungen, bei denen eine Beschneidung aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist und die zu jung sind, um diesem Eingriff selbst zuzustimmen. In diesem Fall haben die Eltern das Recht, zu entscheiden. Da die religiöse Beschneidung häufig in den ersten Wochen und Lebensmonaten durchgeführt wird, liegt hier die Entscheidung fast immer bei den Eltern. Das Beschneidungsgesetz gilt allerdings nicht für Mädchen: Die weibliche Beschneidung ist nach wie vor verboten, weil die negativen Folgen für die Gesundheit und Sexualität zu groß sind.

Wer darf eine Beschneidung durchführen?

Nach dem Gesetz dürfen sowohl Ärzte als auch religiöse Beschneider den Eingriff vornehmen. Ein religiöser Beschneider ist dazu allerdings nur berechtigt, wenn er zwei Bedingungen erfüllt: Erstens, muss er speziell ausgebildet sein. Zweitens darf er nur Säuglinge beschneiden, die nicht älter als sechs Monate sind. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der religiöse Beschneider mit einem Arzt gleichgestellt.

Ist das Gesetz auf die religiöse Beschneidungen beschränkt?

Das Gesetz ist bewusst allgemein gehalten, regelt also die religiöse und die nichtreligiöse Beschneidung. Bei einer Beschränkung auf die religiöse Beschneidung hätte die religiöse Motivation der Eltern herausgefunden werden müssen. Das ist nahezu unmöglich. Außerdem können Eltern eine Beschneidung nicht nur aus religiösen Gründen für sinnvoll halten. Zum Beispiel sind in den USA Männer sehr häufig aus gesundheitlichen Gründen beschnitten.

Wie wird das Wohl des Kindes berücksichtigt?

Das Kindeswohl wird dadurch sichergestellt, dass eine Beschneidung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. So muss die Beschneidung "nach den Regeln der ärztlichen Kunst" erfolgen. Das bedeutet zum einen, dass die Beschneidung von einem Fachmann durchgeführt wird.

Zum anderen bedeutet die Formulierung "nach den Regeln der ärztlichen Kunst", dass das Kind bei der Beschneidung so wenig Schmerzen wie möglich haben soll. Demnach bekommt ein Kind im Einzelfall eine Betäubung. Zudem müssen die Eltern vor dem Eingriff über alle möglichen Risiken aufgeklärt werden. Doch generell gilt: Ist das Wohl des Kindes gefährdet, ist die Beschneidung verboten. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Kind krank ist.

Wie wird die Beschneidung rechtlich begründet?

Die Bundesregierung beruft sich bei dem Beschneidungsgesetz auf das im Grundgesetz geregelte Sorgerecht der Eltern. Demnach dürfen Eltern ihre Kinder "grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen" erziehen und ihnen religiöse Überzeugungen vermitteln. Somit ist es Eltern erlaubt, ihr Kind beschneiden zu lassen, auch wenn dies medizinisch nicht notwendig ist.

Warum wird die Beschneidung in Deutschland gesetzlich geregelt?

Auslöser der Beschneidungsdebatte in Deutschland war ein Urteil des Kölner Landgerichts Anfang Mai. Das Gericht hatte die rituelle Beschneidung eines vierjährigen Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet. Obwohl das Urteil rechtlich nicht bindend war, hat es sowohl bei Juden als auch bei Muslimen Proteste ausgelöst. Nach heftigen Diskussionen forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, eine gesetzliche Regelung zur Beschneidung auszuarbeiten. Laut Bundesregierung ist Schweden übrigens das einzige Land weltweit, in dem die Beschneidung auch gesetzlich geregelt ist.

Was war der Streitpunkt?

Ganz allgemein ging es um die Frage, was wichtiger ist: Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit oder auf Religionsfreiheit. Juden und Muslime hatten befürchtet, dass sie im Falle eines Beschneidungsverbots ihre Religion in Deutschland nicht mehr ausüben könnten. Denn in beiden Religionen gehört der Eingriff zur Tradition. Im Judentum gilt die Beschneidung männlicher Neugeborener als Akt der Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft. Im Islam ist die Beschneidung bei Sunniten und Schiiten Pflicht. Kritik kam unter anderem von der Deutschen Kinderhilfe. Nach ihrer Auffassung verstößt die Beschneidung gegen das Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Gibt es noch einen anderen Gesetzentwurf?

Neben der Gesetzesvorlage der Bundesregierung haben 66 Abgeordnete von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen Entwurf vorgelegt. Dieser enthält den Zusatz, dass Beschneidungen aus nicht-medizinischen Gründen erst ab 14 Jahren zulässig sind. Dieser Alternativ-Votschlag fand im Bundestag aber keine Mehrheit.