Bundesregierung reagiert auf Türkei-Kritik "Wir lassen uns nicht erpressen"

Stand: 01.08.2016 20:54 Uhr

Die Türkei will, dass ihre Bürger ohne Visum in die EU einreisen können. Zugesagt ist der Schritt, doch noch nicht umgesetzt. Deshalb hatte Ankara ein Ultimatum gestellt. Doch erpressen lassen will sich die Bundesregierung nicht.

Die Bundesregierung hat unbeeindruckt auf die Drohungen aus der Türkei im Visa-Streit reagiert. Nur wenn die Bedingungen seitens der Türkei erfüllt seien, wäre eine Liberalisierung der Einreisebestimmungen möglich, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Damit schloss er sich ausdrücklich der Auffassung der EU-Kommission an.

"In keinem Fall darf sich Deutschland oder Europa erpressen lassen", bestätigte auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die deutsche Haltung. "Es liegt an der Türkei, ob es Visa-Freiheit geben kann oder nicht." Mit Blick auf die Entwicklungen in der Türkei mahnte Gabriel: "Ein Land, das sich auf den Weg macht, die Todesstrafe wieder einzuführen, entfernt sich so drastisch von Europa, dass natürlich damit auch alle Beitrittsverhandlungen letztlich überflüssig werden." Die Einführung der Todesstrafe widerspreche der EU-Grundrechtecharta.

Steinmeier: "Türkei muss nacharbeiten"

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht die Bedingungen für eine Liberalisierung der Visa-Bestimmungen in der Europäischen Union nicht erfüllt. "Deshalb kann es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht Sache der EU sein, über Visa-Liberalisierungen zu entscheiden", sagte der SPD-Politiker. Die Türkei werde nacharbeiten müssen.

Ultimatum aus Ankara

Zuvor hatte die türkische Regierung mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts gedroht, wenn kein konkreter Termin für die zugesagte Visafreiheit genannt würde. In einem Zeitungsinterview hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gesagt: "Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein - aber wir erwarten ein festes Datum." Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger sollte ursprünglich ab Juli aufgehoben werden.

Dass sich Cavusoglu für diese Äußerung mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eines deutschen Mediums bediente, dürfte kaum ein Zufall gewesen sein.

72 Bedingungen - aber noch nicht alles erfüllt

Die Türkei hatte im EU-Türkei-Deal zugesagt, 72 Bedingungen zu erfüllen, um dafür im Gegenzug die angestrebte Visafreiheit zu bekommen. Bisher erfüllte die Regierung in Ankara erst einen Teil der Forderungen. Nicht umgesetzt wurde bislang unter anderem die Reform der Anti-Terror-Gesetze. Mit der Vereinbarung wurde der Flüchtlingsandrang über das Mittelmeer eingedämmt.

Andreas Meyer-Feist, A. Meyer-Feist, HR Brüssel, 01.08.2016 14:31 Uhr