Europäisch-türkischer Flüchtlingsdeal Türkei drängt auf Visa-Erleichterung

Stand: 28.04.2016 04:25 Uhr

Seit Ende März gilt das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Doch die Türkei pocht immer stärker auf die versprochenen Gegenleistungen, vor allem auf die Aufhebung der Visumspflicht. Ansonsten stehe der Deal mit der EU ganz schnell auf wackeligen Füßen.

Aus Sicht der Türkei ist eines völlig klar: Sie hat ihren Teil der Abmachung erfüllt. Sie hat Wort gehalten und die Zahl der Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln ankommen, dramatisch verringert.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini: "Die Türkei muss alle Bedingungen erfüllen."

Jetzt sind aus ihrer Sicht die Europäer dran: Mit dem Schritt, die Visumspflicht für Türkinnen und Türken, die in die Europäische Union reisen wollen, wie versprochen bis Ende Juni aufzuheben.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stellte nun im Auftrag der EU-Kommission klar: "Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, dann sprechen wir die Empfehlung dafür aus. Wenn nicht, dann nicht. So einfach ist diese Frage zu beantworten." Die Kommission will bis kommenden Mittwoch darüber befinden, ob die Türkei den Bedingungskatalog, der 72 Punkte umfasst, abgearbeitet hat.

"Wir werden alle Auflagen erfüllen"

Die Türkei selbst jedenfalls sieht sich so gut wie am Ziel. "Fast alle Auflagen haben wir bereits umgesetzt. Und die noch ausstehenden Fragen werden wir bis zum 4. Mai klären", versicherte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel auf Nachfrage der ARD.

Und der Regierungschef der Türkei, Ahmet Davutoglu, hatte am Wochenende den Herzenswunsch seiner Landsleute so in Worte gefasst: "Für die Türkei ist die Abschaffung der Visapflicht lebenswichtig. Es ist ein Versprechen der Regierung an ihre Bürger."Davutoglu ließ es zuletzt aber auch an Warnungen nicht mangeln: Scheitert die Abschaffung der Visapflicht, platzt auch der ganze Flüchtlingsdeal - das stellte er ein ums andere Mal klar. 

Es hapert am Datenschutz

"Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum die türkische Seite Angst haben sollte. Falls und sobald alle Bedingungen erfüllt sind, wird die Kommission die Empfehlung zur Visaliberalisierung aussprechen", bekräftigte die EU-Außenbeauftragte Mogherini. Dem Vernehmen nach haperte es zuletzt unter anderem noch an Datenschutzvorgaben, die die Türkei erfüllen muss. Eine ganz andere Frage ist: Sollte die EU-Kommission ihren Segen geben, was machen dann das EU-Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten, die dem auch zustimmen müssen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt nochmals betont: "Ich habe die Absicht, dass wir uns an die Verabredungen halten. Vorausgesetzt natürlich, dass die Türkei die entsprechenden Ergebnisse auch liefert. Da sind wir in einem sehr engen Kontakt mit der Türkei - sowohl die EU-Kommission als auch Deutschland - weil wir die Sorgen und die Befürchtungen, die wir haben, sehr offen miteinander diskutieren."

Türkei sieht keinen Verhandlungsspielraum

Es ist kein Geheimnis, dass die Deutschen und auch die Franzosen am liebsten noch nachträglich Sicherungen oder Beschränkungen in die Visavereinbarung einbauen würden. Doch ob sie damit durchkommen, ist fraglich. "Es gibt für uns hier keinen Verhandlungsspielraum. Wir wollen, dass das Abkommen in Gänze und für alle türkischen Staatsbürger umgesetzt wird", stellte der türkische EU-Botschafter Yenel noch einmal klar.

Und auch noch bei einem anderem Punkt klopft die Türkei der EU jetzt schon vorab auf die Finger: In Absatz 4 des Mitte März verabredeten Flüchtlingsabkommens erklären sich die Europäer zu einer freiwilligen Aufnahme von in der Türkei gestrandeten Schutzsuchenden bereit. Insgesamt erwartet die Türkei, dass die EU von ihr pro Jahr etwa 150.000 bis 250.000 Syrer übernimmt, sagte Yenel weiter. Sollten sich die Europäer damit zu viel Zeit lassen, könnten sie sich sicher sein, dass die Türkei sie schon bald abermals - mehr oder weniger sanft - an ihre Versprechen erinnern werde.

Kai Küstner, Kai Küstner, NDR Brüssel, 27.04.2016 23:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 28. April 2016 um 06:42 Uhr