Interview

Interview zu Protesten in Thailand "Kampf der alten Elite gegen die Landbevölkerung"

Stand: 02.09.2008 16:21 Uhr

Die Opposition in Thailand gibt sich demokratisch und protestiert gegen Wahlbetrug. Doch ARD-Korrespondent Musch-Borowska sagt im Interview mit tagesschau.de: In Bangkok tobt ein Machtkampf der Mittelschicht gegen die Landbevölkerung. Die alte Elite will ihren Einfluss zurück, so Musch-Borowska.

Die Opposition in Thailand gibt sich demokratisch und protestiert gegen Stimmenkauf und Korruption. Doch geht es ihnen tatsächlich um ein demokratischeres System? Wer steht hinter den Demonstranten in Bangkok, welche Ziele verfolgen die Oppositionellen und wie stark ist die Regierung noch? Darüber sprach tagesschau.de mit dem ARD-Hörfunkkorrespondenten Bernd Musch-Borowska in Bangkok.

tagesschau.de: Wer sind die Gegner der thailändischen Regierung, die seit Tagen das Regierungsgebäude belagern?

Bernd Musch-Borowska: Angeführt werden die Proteste von der so genannten Volksallianz für Demokratie, einem außerparlamentarischen Bündnis von Oppositionellen, Geschäftsleuten, Akademikern - im Grunde vom Mittelstand, also der einstigen politischen Elite. Sie werfen der Regierung vor, dass sie bei den Wahlen im vergangenen Jahr nur mit Stimmenkauf und Korruption an die Macht gekommen sei, sie werfen der Regierung Unfähigkeit vor und wollen, dass Pemierminister Samak deswegen zurücktritt.

Es ist ein Machtkampf zwischen der Mittelschicht in Bangkok und der Regierungspartei PPP, die ihren Rückhalt bei der armen, wenig gebildeten Bevölkerung auf dem Land hat, die bereit ist, sich für wenige Dollar ihre Stimme abkaufen zu lassen. Dieser Vorwurf ist ja inzwischen von der Wahlkommission bestätigt worden. Sie hat die Auflösung der Regierungspartei beantragt. Darüber müssen nun die Staatsanwaltschaft und das Oberste Gericht entscheiden, aber es verleiht den Demonstranten Rückenwind und ist für den Premier ein schwerer Schlag.

Saubere Verhältnisse

tagesschau.de: Hat es aber Stimmenkauf nicht schon immer in Thailand gegeben?

Musch-Borowska: Die Mittelschicht in Bangkok befürchtet, ihre Macht und ihren Einfluss zu verlieren, weil eine Partei regiert, die sich auf andere Schichten stützt. Diesen Einfluss hatte sie viele Jahre, verlor ihn dann aber unter dem vorherigen Premier Thaksin, der dann aus dem Amt geputscht wurde und nun, so der Vorwurf der Opposition, die Fäden hinter den Kulissen ziehen soll.

Natürlich hat es immer wieder bei Wahlen Stimmenkauf gegeben. Der Vorwurf ist nicht neu, aber er ist im Moment nachweisbar. Insofern haben die Demonstranten, die sich auf die Einhaltung der Demokratie berufen, durchaus recht, auch wenn man ihre Forderungen nicht gerade demokratisch nennen kann. Sie wollen, dass der König einen großen Teil der Parlamentsabgeordneten und auch die Regierung einsetzt. Erst nach einigen Jahren soll dann wieder gewählt werden, wenn zuvor die Wahlgesetze so geändert worden sind, dass es nicht mehr zu einem Stimmenkauf kommen kann.

tagesschau.de: Die Abschaffung der Demokratie zur Rettung der Demokratie?

Musch-Borowska: Dieser Protest trägt durchaus undemokratische Züge. Im Prinzip ist es ein Kampf gegen die Korruption. Die Demonstranten, mit denen ich gesprochen habe, wollen eine "saubere" Regierung. Sie werfen der Regierung vor, durch Korruption an die Macht gekommen zu sein und seither in die eigenen Taschen anstatt zum Wohl des Volkes zu wirtschaften.

tagesschau.de: Auf wen kann sich denn die Regierung noch stützen?

Musch-Borowska: Noch kann sich Premier Samak auf das Militär stützen, er hat offenbar gute Kontakte zur Armeeführung und er hat offensichtlich auch das Ohr des Königs. Er hatte in den vergangenen Tagen zwei Mal eine Audienz bei Bhumipol und kam danach gestärkt und selbstbewusst hinaus. Wenn sich aber die Situation dahin entwickelt, dass Samak nur Gewalt gegen die Demonstranten ausüben oder zurücktreten kann, sieht es schlecht aus für Samak. Er steht mit dem Rücken zur Wand. Einen Rücktritt hat er abgelehnt, aber ohne das werden die Proteste freiwillig nicht zu Ende gehen.

Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de

Das Interview führte Bernd Musch-Borowska, NDR