Status Quo der Gesetzgebung FAQ - Gesetze gegen den Terrorismus

Stand: 14.01.2015 10:56 Uhr

Die Bundesregierung will die Sicherheitsgesetze verschärfen, unter anderem soll der Personalausweis entzogen werden können. Bislang war es lediglich möglich, den Reisepass zu entziehen. Frank Bräutigam und Christoph Kehlbach geben einen Überblick über die Gesetze zum Schutz vor Terror.

Von Frank Bräutigam und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Was gilt nach einem verübten oder gescheiterten Anschlag?

Der einzige vollendete Anschlag in Deutschland mit islamistischem Hintergrund war die Tötung von zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen im März 2011. Der Täter Arid U. gilt als Einzeltäter mit islamistischem Hintergrund. In einem solchen Fall sind die "klassischen" Vorschriften des Strafrechts wie Mord oder Totschlag anwendbar, es droht lebenslange Freiheitsstrafe. Bei einem Bombenattentat käme zum Beispiel noch "Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion" in Betracht.

Wenn ein Anschlagsplan nicht gelingt, kann auch schon der "Versuch" strafbar sein, wenn der Täter zur Tat entschlossen ist und schon "unmittelbar angesetzt" hat. Mögliches Beispiel: die Bombe am Bonner Hauptbahnhof im Dezember 2012. Sie war bereits am Bahnsteig deponiert worden und hätte nur noch zünden müssen, explodierte aber nicht. Die Anklage lautet daher unter anderem: versuchter Mord. Der Vorwurf muss nun im Prozess am Oberlandesgericht Düsseldorf geklärt werden.

Ein Anschlag hat aber einen langen Vorlauf. Materialien oder Waffen werden besorgt, eine Bombe gebastelt. Damit erreicht man rechtlich noch nicht das Stadium des "Versuchs". Trotzdem kann man sich auch weit im Vorfeld konkreter Gewalttaten oder sogar ohne sie strafbar machen.

Was bedeutet "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“?

Seit 1976 gibt es die Strafnorm der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" nach § 129 a im Strafgesetzbuch. Darauf steht mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Klassisches Beispiel für eine "terroristische Vereinigung" war die RAF. Es muss also keine konkrete Gewalttat vorliegen, auch kein Versuch. Strafbar macht sich, wer eine auf Dauer angelegte organisierte Gruppe gründet oder ihr beitritt, deren Zweck die Begehung von Morden oder anderer schwerer Straftat ist. Bloße Sympathie für die Gruppe reicht nicht aus.

Eine "terroristische Vereinigung" muss aus mindestens drei Personen bestehen. Im Anschluss an den 11. September 2001 wurde auch die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung unter Strafe gestellt (§ 129 b Strafgesetzbuch). Beispiele sind "Al Kaida" oder der "Islamische Staat". Dem kürzlich in Dinslaken verhafteten Syrien-Rückkehrer Nils D. wird zum Beispiel vorgeworfen, Mitglied in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat Irak und Großsyrien" zu sein. Immer wenn es um die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" geht, ist die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe für die Ermittlungen zuständig.

Ist auch die "Unterstützung" einer terroristischen Vereinigung strafbar, zum Beispiel durch Spendensammeln?

Ja. Strafbar ist nicht nur die Mitgliedschaft, sondern auch die "Unterstützung" einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Absatz 5 Strafgesetzbuch). Eine Unterstützungshandlung kann das Sammeln von Geld, Besorgen von Ausrüstung (Waffen, Nachtsichtgeräte, Kleidung) oder das Schleusen von Personen ins Ausland sein. Um solche Vorwürfe ging es zum Beispiel bei größeren Festnahme- und Durchsuchungsaktionen der Bundesanwaltschaft im Großraum Köln am 12. November 2014 und in Aachen am 18. Oktober 2014.

Voraussetzung für strafrechtliche Ermittlungen ist aber immer, dass ein Bezug zu einer terroristischen Vereinigung besteht. Vorbereitungshandlungen von potentiellen Einzeltätern werden nicht von den Paragrafen zur terroristischen Vereinigung erfasst. Aus diesem Grund wurden 2009 weitere Strafvorschriften eingeführt, die Handlungen weit im Vorfeld eines konkreten Anschlags betreffen.

Kann Terrorfinanzierung oder die Ausbildung in einem Terrorcamp schon nach aktuellem Recht strafbar sein?

Ja. 2009 wurde auch als Reaktion auf die "Kofferbomber" und die sogenannte "Sauerlandgruppe" die "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" unter Strafe gestellt (§ 89a Strafgesetzbuch), unabhängig vom Bezug zu einer "terroristischen Vereinigung". Die Überschrift des Paragrafen ist ein wenig missverständlich, denn sie kann durchaus den Eindruck erwecken, dass man sich einigermaßen nah an einer konkreten Gewalttat befindet. Tatsächlich geht es aber - im Gegensatz zum "Versuch" - um Handlungen weit im Vorfeld einer konkreten Tat, zum Beispiel:

  • Das "Bombenbasteln" und das Verschaffen von Material zum Bombenbau
  • Die Ausbildung in einem Terrorcamp im Ausland
  • Terrorfinanzierung durch Sammeln "nicht unerheblicher Vermögenswerte"

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom Mai 2014 betont, dass der Angeklagte bereits fest entschlossen sein müsse, später eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" zu begehen. Ort, Zeit und genaue Tatausführung können aber noch offen sein.

Auf Basis von § 89 a Strafgesetzbuch wurden in letzter Zeit immer wieder Personen festgenommen. Für die Verfolgung dieser Straftat sind die Staatsanwaltschaften der Länder zuständig. Das erklärt, warum in manchen Fällen eine Staatsanwaltschaft vor Ort Personen verhaftet oder Wohnungen durchsucht, in anderen Fällen aber die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe tätig wird, sobald es den Bezug zu einer "terroristischen Vereinigung" gibt.

Beispiel dafür ist wiederum der in Dinslaken festgenommene Nils D. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen den Syrien-Heimkehrer wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" (§ 89 a) ermittelt. Nach den Anschlägen von Paris muss es Hinweise auf die Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" gegeben haben. Deshalb hat die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen und die Verhaftung erwirkt. Es ist gut möglich, dass es solche "Übernahmen" aus Karlsruhe in den kommenden Monaten immer wieder mal geben wird.

Warum gibt es auch Kritik an der Strafbarkeit weit im Vorfeld möglicher Anschläge?

§ 89 a im Strafgesetzbuch ist durchaus umstritten. Die Vorschrift sei sehr allgemein formuliert und erkläre Handlungen weit im Vorfeld konkreter Taten für strafbar, die für sich betrachtet nicht unbedingt strafwürdig sind. Zum Beispiel können Sprengsätze auch aus gebräuchlichen Haushaltsgegenständen hergestellt werden. Solche Dinge werden in deutschen Haushalten ständig angeschafft. Strafwürdig wird dieser alltägliche Vorgang also nur durch den Vorsatz des Täters, daraus eine Bombe zu bauen und sie terroristisch zu verwenden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich im Mai 2014 mit der Vorschrift beschäftigt. Angeklagt war ein Mann, der nach einer Anleitung aus dem Internet eine Rohrbombe gebaut hatte. Der BGH forderte eine "verfassungskonforme Auslegung" der Strafnorm, also eine Einschränkung. Für eine Verurteilung müssten die Gerichte feststellen, dass der Angeklagte bereits fest entschlossen ist, später eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen. Es reiche nicht aus, dass er dies lediglich für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Solche subjektiven Vorstellungen sind vor Gericht oft schwer nachzuweisen. Die Anmerkungen des obersten Strafgerichts wird der Gesetzgeber auch bei möglichen neuen Gesetzen beachten müssen.

Welche neuen Gesetze sind geplant?

Justizminister Maas hat angekündigt, noch im Januar neue Gesetze vorzulegen. Allerdings waren diese Themen schon vor den Pariser Anschlägen auf der Agenda.

  • Die Finanzierung von Terrorismus soll stärker als bisher schon möglich unter Strafe gestellt werden. Bislang sind diese Fälle unter die oben genannte Vorschrift § 89 a StGB eingeordnet worden. Allerdings ist dort von "nicht unerheblichen" Vermögenswerten die Rede. Die Grenze zwischen "unerheblichen" und "nicht unerheblichen" Vermögenswerten zu ziehen, ist nicht immer leicht. Möglicherweise wird diese Grenze abgeschafft.
  • Der Aufenthalt in einem Terrorcamp  mit entsprechenden Absichten ist schon nach aktueller Rechtslage strafbar. Nun soll auch schon die Ausreise in ein Land, in dem es Terrorcamps gibt, bei Vorliegen der einschlägigen Absichten strafbar werden. Eine UN-Resolution sieht dies vor, die Deutschland nun umsetzen will.

Allerdings muss man noch abwarten, was die neuen Tatbestände genau umfassen werden. Es geht jedenfalls darum, die Strafbarkeit noch weiter als bisher vorzuverlegen. Die kritischen Anmerkungen des Bundesgerichtshofs zum bisherigen Recht wird man dabei einbeziehen müssen. Nicht auszuschließen, dass die neuen Regeln irgendwann auch vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Außerdem will die Bundesregierung Terrorverdächtige an ihrer Ausreise hindern, indem man ihnen schon im Vorfeld ihre Personalausweise entzieht. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachte das Kabinett bereits auf den Weg. Der Entzug des Reisepasses ist unter bestimmten Voraussetzungen schon jetzt möglich. Die praktische Umsetzung dieses Plans dürfte aber nicht ganz einfach werden - zum Beispiel bei der Frage, an welche Art von Verdacht man einen Entzug des Ausweises knüpft.

Wann und wie können die Behörden gegen Verdächtige vorgehen?

Die Ermittlungsbehörden können nur tätig werden, wenn es den "Anfangsverdacht" einer Straftat gibt. Die Tendenz der letzten Jahre und der neuen Pläne des Gesetzgebers ist es, die strafbaren Handlungen immer weiter ins Vorfeld konkreter Anschläge zu verlagern. Das führt dazu, dass die Ermittler immer früher bestimmte Personen verfolgen können, also etwa ein Ermittlungsverfahren einleiten, mit richterlicher Genehmigung Wohnungen durchsuchen oder Telefone abhören.

Ein Haftbefehl kommt dann in Betracht, wenn ein "dringender Tatverdacht" besteht und ein gesetzlicher Haftgrund hinzukommt, zum Beispiel Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Ist die Bundesanwaltschaft zuständig, beantragt sie beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl. Nach der Festnahme wird die verdächtige Person dann in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Nach einer Anhörung kann dieser den Vollzug der Untersuchungshaft anordnen.

Liegen keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vor, können Bundesanwaltschaft oder Staatsanwaltschaft nicht tätig werden. In diesen Fällen gehört es zu den allgemeinen Aufgaben der Polizei, für "Gefahrenabwehr" zu sorgen. In Sachen "Terrorismus" ist das Bundeskriminalamt dafür zuständig. Aufgabe der Geheimdienste ist es, Informationen und Erkenntnisse weit im Vorfeld möglicher Straftaten zusammenzutragen, die für die Abwehr von Terrorismus von Bedeutung sind.