Interview

Waffen für die syrische Opposition? "Assad ist vorerst nicht zu besiegen"

Stand: 27.05.2013 17:54 Uhr

Die EU-Staaten kippen das Embargo gegen Syrien. Sollte man angesichts des Wiedererstarkens Assads die Rebellen mit Waffen versorgen? ARD-Korrespondent Carsten Kühntopp warnt im Interview mit tagesschau.de vor einem "irrsinnigen Wettrüsten".

tagesschau.de: Die Außenminister der Europäischen Union haben das Waffenembargo gegen Syrien auslaufen lassen. Welche Rolle spielte der Einfuhrstopp für Assad und seine Gegner?

Carsten Kühntopp: Ich habe nicht den Eindruck, dass das Embargo Assad und seinem Regime militärisch bisher geschadet hat. Für Assad ist viel entscheidender, dass ihm seine Verbündeten Iran und Russland die Treue halten. Ganz anders die Opposition: Sie wünscht sich, dass die EU sich endlich durchringt, ihr Waffen jeder Art zu liefern.

tagesschau.de: Wie könnte ein Aufheben des Embargos die militärische Lage in Syrien beeinflussen?

Kühntopp: Egal, wie viele Tonnen Waffen aus der EU geliefert würden: Assad ist auf absehbare Zeit nicht zu besiegen. Überlegungen wie die aus Großbritannien, das Ende des Bürgerkriegs mit Waffennachschub zu beschleunigen, sind zu kurz gedacht. Assads Verbündete Iran und Russland legen dann ihrerseits mit Lieferungen nach. Es würde ein irrsinniges Wettrüsten beginnen. Die Einsicht mag herzzerreißend sein, weil man ja gern helfen möchte, aber man sollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.

Carsten Kühntopp
Zur Person

Carsten Kühntopp ist ARD-Nahostkorrespondent in Amman, er berichtet seit 2001 für den ARD-Hörfunk aus Tel Aviv, Amman und Dubai.

tagesschau.de: Wie könnten Waffenlieferungen aus der EU an die Assad-Gegner theoretisch ablaufen?

Kühntopp: Die Lieferungen würden wohl an die Freie Syrische Armee gehen, aber die hat keine echte Kommandostruktur. Es wäre schwer zu kontrollieren, ob nicht auch die Widerständler von der mit Al Kaida verbündeten Al-Nusra-Front Waffen bekämen. Man muss sich das mal vorstellen: Nach einem Sturz Assads könnten von der EU gelieferte Luftabwehrsysteme in die Hände von Al-Kaida-Kämpfern gelangen. Und die könnten damit den zivilen Luftraum über Syrien angreifen.

tagesschau.de: Noch Mitte März hieß es vom Bundesnachrichtendienst, eine Niederlage Assads im syrischen Bürgerkrieg sei sicher. Zuletzt war das Gegenteil zu lesen: Die militärische Situation des Assad-Regimes soll sich in den vergangenen Wochen massiv verbessert haben. Wie kam es zu der Wende?

Kühntopp: Die syrische Armee verfolgt seit einigen Wochen eine neue Strategie und ist damit erfolgreich: Man konzentriert sich jetzt auf strategisch wichtige Knotenpunkte und verzettelt sich nicht mehr damit, die Rebellen überall in der Fläche schlagen zu wollen. Der Westen des Landes soll gehalten und Knotenpunkte dort von den Rebellen zurückerobert werden. Der Osten wird dagegen weitgehend den Aufständischen überlassen, weil er strategisch weniger bedeutend ist.

Der Armee ist es gelungen, Nachschubwege der Rebellen zu kappen und Einheiten der Gegner voneinander abzuschneiden und zu isolieren. Die syrische Armee wird auch nicht mehr weiter von innen ausgehöhlt durch Überläufer. All das führt dazu, dass sich das Blatt in der ersten Hälfte dieses Jahres gewendet hat und Assad militärisch wesentlich besser dasteht. Deshalb hat auch der BND seine Lageeinschätzung revidiert.

tagesschau.de: Welche Regionen werden von Assad kontrolliert, welche von der Opposition?

Kühntopp: In und um Damaskus hat Assads Armee viele Viertel zurückerobert. Von insgesamt 14 Provinzhauptstädten hat die Regierung nur eine einzige an die Rebellen verloren. Jetzt sind Assads Truppen dabei, die strategisch wichtige Stadt Al Kussair einzunehmen, die den Rebellen als Nachschubweg für Nahrung und Waffen diente. Mit der Rückeroberung Kussairs hätte Assad wieder die Möglichkeiten einer Offensive in der Rebellenstadt Homs. Manche in der Opposition sagen, dass das den Bürgerkrieg entscheiden würde.

tagesschau.de: Welche Rolle spielt die Hisbollah bei den militärischen Erfolgen Assads?

Kühntopp: Früher hatten die Rebellen Vorteile, weil sie besser im Straßenkampf waren. Das hat sich durch die Beteiligung der Hisbollah geändert: Guerillakampf ist eine Spezialität der Hisbollah. Und sie hat jetzt syrische Armeeeinheiten darin ausgebildet. Außerdem kämpfen mittlerweile wahrscheinlich mehrere Tausend Milizionäre der Hisbollah an der Seite der Assad-Truppen. Darunter sind Eliteeinheiten, die lokal sogar die militärische Führung übernehmen.

tagesschau.de: Warum signalisiert die Assad-Regierung plötzlich ihre Bereitschaft zur Teilnahme an den Verhandlungen in Genf?

Kühntopp: Assad fühlt sich stark genug, die Ergebnisse der möglichen Verhandlungen in Genf diktieren zu können. Er scheint auch der Meinung zu sein, dass die USA ihren Standpunkt ein wenig geändert haben: Bisher wollte Washington Assad weghaben, jetzt deuten Äußerungen von US-Außenminister Kerry darauf hin, dass man einen Rücktritt Assads nicht mehr zur Bedingung für Verhandlungen macht. Die Opposition konnte sich im Gegensatz zu Assad bisher nicht zu einer Zusage für Genf durchringen – deshalb glaubt Assad, in der der öffentlichen Meinung im Westen bald besser dazustehen als die zersplitterte Opposition. 

tagesschau.de: Welches realistische Ergebnis könnten die Verhandlungen in Genf liefern?

Kühntopp: Im besten Fall als Anfang eines langen Prozesses. Assad wird eine Delegation schicken, die das Ziel hat, dass er bei den nächsten regulären Wahlen in einem Jahr wieder antreten kann. Ich glaube nicht, dass es die Opposition schaffen kann, Assad in Genf wegzuverhandeln.

Das Interview führte Florian Wöhrle, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. Mai 2013 um 14:00 Uhr.