Konflikt am Kaukasus Saakaschwili zwischen allen Stühlen

Stand: 13.08.2008 13:13 Uhr

Russland hat den Rücktritt von Präsident Michail Saakaschwili gefordert, und auch im Westen hat er gehörig verloren. Aber die Georgier stehen im Konflikt mit den Russen fest hinter ihm. Zudem hat Saakaschwili seine Machtstellung gerade erst bei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gesichert. Doch auch die Georgier müssen sich fragen, ob ihr Staatschef den Krieg heraufbeschworen hat - und welche Verantwortung trägt der Westen?

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Auf den Fernsehbildern wirkt er fahrig, seine Schläfen sind grauer geworden. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili ist schwer angeschlagen und steht unter enormem Druck. Mit dem Angriff auf Südossetien kam nicht nur unfassbares Leid über die Menschen in der Region. Die gnadenlosen Bombenangriffe der Russen auf strategische Ziele werfen Georgien zurück. Und schließlich verspielte Saakaschwili die letzten Sympathien im Westen.

Doch ist Saakaschwili der Kriegstreiber, als der er in vielen Medien dargestellt wird? Sind seine Handlungen nicht auch Konsequenz widersprüchlicher und wankelmütiger Außenpolitik des Westens gegenüber Georgien und Russland? Wird er von nationalistischen Hardlinern in seinem Land unter Druck gesetzt?

Angriff auf abtrünnige Regionen schon lange geplant?

Was in den Monaten zuvor in den Führungszirkeln um Saakaschwili besprochen und geplant wurde, dafür gibt ein Bericht der renommierten International Crisis Group von Anfang Juni einen Hinweis. Die Nichtregierungsorganisation hat Kontakte zur Regierung und zum Parlament in Tiflis.

In dem Report wird berichtet, dass die "Falken" in Saakaschwilis Umgebung zunehmend frustriert gewesen seien über die festgefahrene Situation in den abtrünnigen Gebieten. Vom Westen habe man umsonst erhofft, dass er die vorgeblich neutrale Rolle Russlands als Mediator und Friedenswächter in den Konflikten infrage stellt. Ausgeblieben sei auch ein erwünschtes Statement der EU, dass sie Abchasien nicht als unabhängig anerkennen werde.

So hätten einflussreiche Berater einerseits geglaubt, mit Diplomatie nichts mehr erreichen zu können. Andererseits sei man in Tiflis mehr und mehr davon überzeugt gewesen, mit einer Militäroperation zumindest einen Teil Abchasiens zurückzugewinnen. Anlass für den Armeeeinsatz sollte die Reaktion auf eine Provokation Russlands oder ein arrangierter Zwischenfall sein. Neben der International Crisis Group hatte auch der russische Militärexperte Pawel Felgenhauer kürzlich in einer georgischen Zeitung vor einem Angriff Georgiens auf Abchasien gewarnt. Die "Frankfurter Rundschau" hatte im Juli berichtet, die Regierung in Tiflis habe dies schon im Frühjahr vorgehabt.

Saakaschwili polarisiert

In der Öffentlichkeit hatte Saakaschwili immer wieder betont, eine friedliche Lösung der Konflikte herbeiführen zu wollen. So hatte er noch im März einen Friedensplan für Abchasien vorgelegt. Doch sprach er auch von „Schwarzen Löchern“, wenn er die abtrünnigen Regionen meinte und bezeichnete deren Führungen als Kriminelle. So schaffte er es immer wieder, die beteiligten Seiten zu polarisieren und sich selbst als kompromissbereit darzustellen. Bei seinem Amtsantritt 2004 hatte er zudem einen enormen Druck aufgebaut mit der Ankündigung, in den nächsten fünf Jahren die territoriale Integrität Georgiens wiederherzustellen und sein Land in die EU und die Nato zu führen.

Beide Ziele dienten dazu, sich aus der Umklammerung Russlands zu befreien. Hier ruhten die Hoffnungen in Tiflis auch auf dem Westen, er möge Druck auf Moskau ausüben.

Der Westen trug nicht zur Konfliktlösung bei

Die USA kamen den Georgiern zu Hilfe. Sie unterstützten den wirtschaftlichen Aufbau des Landes und halfen beim Aufbau der georgischen Armee. Doch indem sie die georgische Seite stärkten und sich kaum bei der Lösung der Konflikte um Abchasien und Südossetien engagierten, trugen sie noch zu einer Verschärfung der Lage bei. So wurde die Unterstützung der USA für einen Nato-Beitritt Georgiens in Abchasien und Südossetien als Bedrohung wahrgenommen.

Schwierig ist auch die Rolle der EU. Sie scheute sich über all die Jahre vor klaren Worten gegenüber Russland und brachte sich wenig in die Konfliktlösung ein. Strategie war es, mit Wirtschaftshilfe und der Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen zu einer Entspannung der Lage beizutragen. So nahm die EU Georgien auch in den Europäischen Nachbarschaftsplan auf. Doch Hoffnungen auf eine Aufnahme in die EU wurde mehr oder weniger deutlich eine Absage erteilt. Am größten war jedoch die Enttäuschung im April beim Nato-Gipfel in Bukarest, als die von den USA forcierte Aufnahme Georgiens in den "Aktionsplan für die Nato-Mitgliedschaft" vor allem von Deutschland und Frankreich verhindert wurde.

Fehleinschätzung Saakaschwilis

Als eine erste Reaktion auf die Enttäuschung zog Georgien seine 150 Soldaten von der KFOR-Truppe im Kosovo ab. Der Westen hatte die Signale verstanden und schickte Diplomaten und Politiker zur Vermittlung - Saakaschwili hatte es geschafft, den Kaukasus auf die internationale Agenda zu bringen. Doch verschätzte er sich darin, dass Russland dies von einer harten Reaktion abhalten könnte.

Außerdem hatte sich bereits in den beiden Konfliktregionen eine unheilvolle Dynamik aus Provokation und Gegenprovokation in Gang gesetzt, die – einmal in Fahrt gekommen – nicht mehr aufzuhalten war. So trugen viele äußere Faktoren zur Eskalation bei. Doch bleibt die Tatsache, dass Saakaschwili den Befehl zum Einmarsch in Tschinwali gegeben und damit Leid und Opfer für die Bevölkerung in Kauf genommen hat. Das georgische Volk muss entscheiden, ob es diesem Präsidenten weiter folgen will.