Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken Stellungnahmen zu Recherchen von NDR, WDR, SZ

Stand: 22.10.2019 14:03 Uhr

Rund um Fabriken in Indien, wo fast alle großen Pharmakonzerne produzieren lassen, sind große Mengen an Antibiotika in der Umwelt. So entstehen gefährliche, resistente Erreger, die sich global ausbreiten. Das zeigen Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Hier einige Stellungnahmen der Unternehmen und der Verbände Pro Generika und BPI.

Teva (Mutterkonzern von Ratiopharm), 21.4.2017

"Sicherheit und Qualität unserer Arzneimittel haben höchste Priorität. Die hohen Qualitätsstandards legen wir auch für zugelieferte Rohstoffe für unsere Arzneimittel an. Teva führt jedes Jahr bei Zulieferern hunderte Audits auf der Grundlage der Good Manufacturing Practices (GMP) durch, um die geforderten Qualitätsstandards zu überprüfen.

Über die Herkunft der Wirkstoffe besteht Transparenz. Den Zulassungsbehörden liegen die entsprechenden Informationen über die Zulieferer der jeweiligen Wirkstoffe vor. Gleiches gilt für die Krankenkassen im Rahmen von Ausschreibungen für Rabattverträge. Die Behörden können so die Einhaltung der Produktionsstandards durch entsprechende Inspektionen bei Zulieferern überprüfen und sicherstellen.

Teva nimmt negative Auswirkungen, die unsere Produkte und deren Herstellung auf die Umwelt haben könnten, sehr ernst. Die für das gesamte globale Produktionsnetzwerk der Teva gültigen Vorschriften und Richtlinien für Abfall-, Abwasser- und Emissionsmanagement entsprechen höchsten Standards.

Um die Einhaltung entsprechender Standards auch in der gesamten Versorgungskette voranzutreiben, hat Teva 2017 einen "Code of Conduct" für Zulieferer eingeführt. Dieser "Supplier Code of Conduct" beinhaltet unter anderem klare Vorgaben für Zulieferer hinsichtlich Abfall-, Abwasser- und Emissionsmanagement. [...]

Wie der Verband Pro Generika in seiner Pressekonferenz im Februar deutlich gemacht hat, konzentrieren sich inzwischen wesentliche Teile der Weltmarktproduktion der APIs auf Indien und China. Unter anderem ursächlich für diese Entwicklung sind laut des im Rahmen der Pressekonferenz vorgestellten Gutachtens von Roland Berger die einerseits hohen Investitions- und Produktionskosten sowie andererseits das niedrige Preisniveau für Antibiotika in Deutschland, die einer vermehrten Produktion in der EU im Wege stehen.

Teva sieht die Verbreitung von multiresistenten Erregern als besorgniserregendes Problem der öffentlichen Gesundheit. Teva engagiert sich u.a. innerhalb der Arbeit des europäischen Verbandes Medicines for Europe aktiv im Kampf gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger."

Hexal / Sandoz / 1A Pharma, 21.4.2017

"Die Herkunft sämtlicher Wirkstoffe, welche für die Produktion unserer Arzneimittel eingesetzt werden, ist Bestandteil der Zulassungsunterlagen und somit für die Behörden transparent. Die Unterlagen sind die Voraussetzung für eine Zulassung und werden von der deutschen Zulassungsbehörde BfArM bzw. der europäischen Zulassungsbehörde EMA geprüft und genehmigt. Eine Zulassung ist nur dann möglich, wenn behördlich durchgeführte Audits belegen, dass die Produktion (einschließlich der Produktion möglicher Wirkstoffe) entsprechend der europäischen GMP-Standards erfolgt.

Wie wir bereits mitgeteilt haben, werden mehr als 90 Prozent unserer antibiotischen Wirkstoffe und Produkte an unseren europäischen Standorten in Kundl (Österreich) und in Slowenien hergestellt. Selbstverständlich haben wir auch weitere Lieferanten für Wirkstoffe bzw. deren Vorstufen, vor allem um jederzeit Ausweich- und Ersatzkapazitäten verfügbar zu haben und so eine kontinuierliche Versorgung mit den entsprechenden Präparaten sicherzustellen. Unabhängig davon, wer diese Lieferanten und wo ihre Standorte sind, gelten weltweit unsere gleichen Standards. So ist es Standard, dass die Behörden, wie bereits vorab erwähnt, bei den Lieferanten Audits entsprechend europäischer GMP-Standards durchführen. Darüber hinaus werden auch von uns Audits bei den Lieferanten durchgeführt. Bei diesen Audits geht es nicht nur um das Thema Qualität sondern auch um den Themenbereich HSE (Health Safety and Environment). Dies dient dazu, die Qualität der Produkte und Produktionsbedingungen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben und unseren Standards sicherzustellen."

Stada, 21.4.2017

Anfrage des NDR (Antworten von Stada eingefügt, in kursiv):
Wir haben im vergangenen November vor Ort in Hyderabad recherchiert und dort Wasserproben aus der Umgebung von Pharma-Fabriken (aus Abwasserkanälen, -becken und  angrenzenden Seen) sowie aus dem Fluss Musi genommen und vom Universitätsklinikum Leipzig und einem privaten Labor analysieren lassen. Die Proben wurden auf Rückstände von insgesamt 25 Anti-Infektiva sowie auf das Vorkommen von mulit-resistenten Erregern untersucht. Die Ergebnisse liegen uns nunmehr komplett vor.
Die Untersuchungen haben ergeben, dass in allen Umweltproben diverse problematische Resistenz-Gene sowie teils extrem hohe Konzentrationen verschiedener Anti-Infektiva vorhanden waren. Konkret handelt es sich hierbei um die Wirkstoffe Fluconazol, Voriconazol, Moxifloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin (oder Ofloxacin), Linezolid, Clarithromycin, Trimethoprim, Sulfamethoxazol, Ampicillin und Doxycyclin.
Deshalb möchten wir Sie gern fragen:

- Hat Ihr Unternehmen (oder Tochterunternehmen wie Aliud oder Crinos) im vergangenen Jahr eine oder mehrere Substanzen (bzw. API) aus Fabriken in Hyderabad bezogen? Wenn ja, welche und von wem?

 "Einige der oben genannten Wirkstoffe werden von Unternehmen bezogen, die in Fabriken in oder im Umkreis von Hyderabad produzieren."

- Falls Sie Wirkstoffe von dort beziehen oder bezogen haben: Warum lassen Sie dort produzieren? Inwiefern haben Sie die Zulieferer kontrolliert oder kontrollieren lassen?

"Bei den oben genannten Herstellern handelt es sich um etablierte Unternehmen, die unter anderem auf die Herstellung dieser Wirkstoffe spezialisiert sind und den Weltmarkt damit beliefern. Gemäß den geltenden gesetzlichen GMP-Richtlinien ("GMP = Good Manufacturing Practice") werden diese Unternehmen regelmäßig auditiert, um den Anforderungen der geltenden Qualitätsvorgaben zu entsprechen. Ein Audit untersucht, ob Prozesse, Anforderungen und Richtlinien die geforderten Standards erfüllen. Ein solches Untersuchungsverfahren erfolgt häufig im Rahmen eines Qualitätsmanagements. Die Audits werden von einem speziell hierfür geschulten Auditor durchgeführt."

- Warum wird generell nicht transparent offengelegt, woher die jeweiligen Wirkstoffe von Medikamenten stammen?

"Generell werden Wirkstoffe nur von qualifizierten Herstellern bezogen, die entsprechend den vorgegebenen GMP-Richtlinien produzieren und deren Produkte den definierten Qualitätsanforderungen entsprechen, um die beste Patientensicherheit zu gewährleisten. Die Nennung des Herstellers erfolgt nach Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) und ist dort in § 11 beschrieben (siehe https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/BJNR024480976.html)."

- Aus Sicht anerkannter Experten sind die hohen Mengen an Anti-Infektiva, die wir in unseren Untersuchungen in Hyderabad nachgewiesen haben, nur durch Verschmutzungen aus pharmazeutischen Herstellungsprozessen zu erklären. Inwiefern können Sie sicherstellen, dass etwaige Zulieferer von Ihnen keine Produktionsreste unsachgemäß entsorgen?

"Grundsätzlich müssen die Hersteller den lokalen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Diese werden u.a. durch Audits der lokalen Behörden überprüft. Zudem werden im Zuge der von STADA durchgeführten Qualitätsaudits auch Mängel im kontrollierten Sicherheitsbereich ("HSE = Health Safety Environment") aufgezeigt, auch wenn diese nicht unmittelbarer Bestandteil von GMP-Audits sind. Zudem fragt STADA über so genannte Selbstbewertungsfragebögen ("self assessment questionaires") den Stand zu internationalen gesellschaftlichen Compliance-Standards ("social compliance") bei den wichtigen Herstellern ab. Diese Fragebögen enthalten auch grundsätzliche Fragen zu Umweltschutz sowie Gesundheits- und Sicherheitsstandards."

- Unsere Untersuchungen belegen, dass in Abwässern rund um die Pharma-Fabriken in Hyderabad sowie im dortigen Fluss Musi nicht nur hohe Konzentrationen von Antibiotika zu finden sind, sondern auch gefährliche, multi-resistente Erreger. Darüber hinaus zeigen aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen, dass sich solche Erreger global ausbreiten und zu enormen Schwierigkeiten bei der Behandlung von Erkrankten und zu Todesfällen führen. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Ergebnissen?

"Das Thema der Antibiotikaresistenz wird bei STADA sehr ernst genommen. Unter anderem ist STADA Mitglied im internationalen Verband "Medicines for Europe" und arbeitet somit an der Initiative "Industry AMR (Antimicrobial Resistance) Alliance" des Verbandes mit."

Pro Generika, 21.4.2017

"Dem Problem der deutlichen Zunahme Antibiotika-resistenter Keime stellen wir uns als Verband und auch die durch uns vertretenen Unternehmen seit längerer Zeit. Uns ist bewusst, dass dabei auch den Herstellungsbedingungen von antibiotischen Wirkstoffen erhebliche Bedeutung zukommt. Vor diesem Hintergrund legen unsere Mitgliedsunternehmen die Herkunft der zur Herstellung von Antibiotika verwendeten Wirkstoffe den zuständigen Behörden im Rahmen der Arzneimittelzulassung generell offen. Allen für Deutschland maßgeblichen Zulassungsbehörden (EMA, BfArM) sind somit sämtliche relevanten Daten und Zulieferer bekannt. Damit wird sichergestellt, dass die Zulassungsbehörden und die zuständigen Stellen entsprechende Inspektionen durchführen und die Einhaltung der hohen EU-Produktionsstandards weltweit überwachen können.  Die Unternehmen unseres Verbandes stellen diese Informationen auch den Krankenkassen im Rahmen von Rabattverträgen lückenlos zur Verfügung.  

Außerdem unterliegt jeder Herstellungsbetrieb der Überwachung seiner lokalen Behörde. Generikaunternehmen haben eine Zero Liquid Discharge Policy implementiert, um sicherzustellen, dass in der genannten Region keine Flüssigabfälle das Gelände verlassen. Die Einhaltung wird durch das State Pollution Control Board der Region sichergestellt. 

Wir nehmen über die Information gegenüber den zuständigen Behörden hinaus unsere Verantwortung wahr, indem wir als deutscher Verband Politik und Öffentlichkeit valide Informationen zur Verfügung stellen und insbesondere auf Entwicklungen aufmerksam machen, die die Versorgungssicherheit mit Antibiotika in Deutschland gefährden können. Dazu gehört auch, öffentlich auf die Risiken der Abhängigkeit Deutschlands hinzuweisen, die durch den sehr hohen Anteil der Produktion von antibiotischen Wirkstoffen außerhalb der EU entstanden ist. 

Daher haben wir, wie Sie wissen, am 14.2.2017 auf einer Pressekonferenz in Berlin Gutachten vorgelegt, die auf die Risiken hinweisen, die mit Produktionsstätten außerhalb der EU verbunden sein können. Vor diesem Hintergrund haben wir auch durch Experten von Roland Berger untersuchen lassen, ob und unter welchen Bedingungen die Produktion von Antibiotika in die EU zurückverlagert werden kann.  

Wir setzen das Thema auf die Agenda der Politik und des "Pharmadialog 2.0". Alle relevanten Akteure gehören an einen Tisch und müssen sich der Tatsache stellen, dass Krankenhäuser bzw. Krankenkassen Generikaunternehmen oft nur wenige Cent für eine Tagesdosis eines Generikums (z.B. Amoxicillin: 6 Cent/Tag) erstatten. Bei diesem Preisniveau kann die Produktion weder in Deutschland noch in der EU kostendeckend stattfinden.  

Krankenkassen wählen zudem einzelne Generikaunternehmen aus, die sie zur Versorgung ihrer Versicherten in Deutschland zulassen. Dies tun sie, indem sie ihre Zuschläge in den EU-weiten Rabattvertragsausschreibungen von Generika ausschließlich nach einem Kriterium vergeben: dem niedrigsten Preis. Wir engagieren uns seit langem dafür, dass auch andere Kriterien berücksichtigt werden sollten. Das Vergaberecht ermöglicht es den Krankenkassen bereits heute, in ihren Ausschreibungen auch soziale und Umweltaspekte zu berücksichtigen. 

Das Thema der Antibiotikaresistenzen lässt sich aber nicht allein national lösen. Dem entsprechend ist der europäische Generikaverband der "Davos Deklaration" beigetreten, mit der sich die Unterzeichner u.a. auch verpflichten, Umweltverschmutzungen durch Antibiotika zu reduzieren.  

Zusätzlich arbeitet unser EU-Dachverband mit an der Entwicklung des Eco-Pharmako-Stewardships. Die zweite Säule dieses Konzepts befasst sich explizit mit Abwässern aus Produktionsanlagen.

Der europäische Generikaverband beteiligt sich aktiv am Diskussionsprozess mit der EU-Kommission bzw. den Zulassungsbehörden zu diesem Thema. Das Thema Umwelt gehört für uns zwingend auf die Agenda der regulatorischen Zusammenarbeit zwischen der EU und Indien. "

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), 4.5.2017

"Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI): "Pharmaunternehmen kontrollieren die Qualität ihrer Zulieferer im Ausland mindestens nach den gesetzlichen pharmazeutischen Standards, die für Deutschland gelten. Pharmaunternehmen, die Arzneimittelbestandteile aus Asien einkaufen oder dort herstellen lassen, werden den Bericht zum Anlass nehmen, auf die Einhaltung vereinbarter Umweltrichtlinien stärker einzuwirken. Die Industrie hat jedoch keinen Einfluss auf die von den jeweiligen Ländern gesetzten Umweltstandards.

Die Definition und Einhaltung von Umweltstandards ist eine globale Herausforderung und ein komplexes Problem - nicht nur für die Pharmabranche. Zum Schutz der Umwelt und aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit begrüßen und fordern wir international einheitliche Mindeststandards und deren Durchsetzung. Zustände, wie sie vom NDR dokumentiert wurden, sind inakzeptabel. Dieser Herausforderung müssen sich die Pharmaindustrie, alle vergleichbar betroffenen Branchen, Politik aber auch die Gesellschaft gemeinsam stellen.

Antibiotikaresistenzen sind ein erhebliches Problem. Anders als virale Epidemien (wie etwa die Vogelgrippe) sind unsere Resistenzprobleme überwiegend hausgemacht, verursacht durch den in der Vergangenheit häufig unkritischen, nicht immer sachgerechten Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin. Hier müssen wir ansetzen und auch die Rahmenbedingungen schaffen für die angemessene Verordnung vorhandener Antibiotika, aber auch für die Entwicklung von Alternativen."