EU-Sozialbericht vorgestellt Jedes 5. Kind in Europa von Armut bedroht

Stand: 25.02.2008 18:44 Uhr

Nahezu jedes fünfte Kind in der Europäischen Union ist von Armut bedroht oder lebt bereits unter schlechtesten Bedingungen. Der aktuelle Sozialschutz-Bericht der EU-Kommission rügt auch, dass es in Deutschland zu viele Kinder gibt, deren Eltern beide arbeitslos sind.

Nahezu jedes fünfte Kind in Europa lebt in Armut oder ist davon bedroht. Betroffen seien insgesamt 19 Millionen Minderjährige bis 17 Jahre, heißt es im Jahresbericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung der EU-Kommission. Die Kinderarmut liege damit seit sechs Jahren auf unverändert hohem Niveau, erklärte die EU-Kommission bei der Vorlage des Berichts.

Rasche Besserung ist nach Angaben von Experten nicht in Sicht: Die Sozialminister der 27 EU-Staaten seien bislang nicht bereit, gemeinsame Zielwerte zur Armutsbekämpfung zu beschließen. Sie wollen sich an diesem Freitag in Brüssel mit dem Bericht befassen, der sich auch mit Fragen eines längeren Arbeitslebens und Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung auseinandergesetzt hat. Demnach ist eine Folge von Armut eine schlechtere ärztliche Versorgung.

Kinder lösen Alte bei Armut ab

Im Jahr 2006 lebten laut EU-Bericht 19 Prozent aller europäischen Kinder in Familien, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in ihrem Land zur Verfügung hatten. Unterhalb dieser Schwelle beginnt für die EU das Armutsrisiko. Bis in die 90er Jahre seien vor allem alte Menschen von Armut bedroht gewesen, erläuterte ein Kommissionsbeamter. Seither seien besonders Kinder betroffen. In Deutschland liegt die Kinderarmut den Angaben zufolge mit zwölf Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Nur in Dänemark, Finnland und Zypern ist die Lage der Kinder besser. Im EU-Durchschnitt seien 16 Prozent aller Bürger von Armut bedroht. In Polen und Lettland ist jedes vierte Kind von Armut bedroht.

Am erfolgreichsten gehen dem Kommissionsbericht zufolge die skandinavischen Länder, Österreich, die Niederlande, Zypern und Slowenien gegen Kinderarmut vor. Sie kombinierten eine aktive Beschäftigungspolitik mit "relativ hohen und effektiven Sozialleistungen", schreibt die Brüsseler Behörde. Dabei spielten auch die guten Betreuungsangebote für Kinder berufstätiger Eltern eine Rolle.

EU-Kommission mahnt Bundesregierung

Trotz der vergleichsweise guten Zahlen mahnte die EU-Kommission die Bundesregierung, mehr gegen Kinderarmut zu tun. Immerhin jedes achte Kind in Deutschland ist dem Armutsrisiko ausgesetzt, bei fast jedem zehnten Kind sind beide Eltern arbeitslos - das bedeutet Platz 18 unter den EU-Staaten. Länder wie Slowenien, Portugal oder Dänemark schneiden hier deutlich besser ab. In Deutschland gilt eine Familie als arm, wenn sie bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern maximal 1596 Euro monatlich zur Verfügung hat.

Schätzungen zufolge leben in Deutschland inzwischen mehr als 2,5 Millionen Kinder auf oder unter dem Sozialhilfeniveau von 207 Euro pro Monat. Offiziell gelten laut dem Mitte November vorgestellten Kinderreport 2007 des Deutschen Kinderhilfswerks 14 Prozent aller Kinder in Deutschland als arm. Seit der Einführung des Arbeitslosengelds II am 1. Januar 2005 hat sich die Zahl der auf Sozialhilfe oder Sozialgeld angewiesenen Kinder verdoppelt.