Hintergrund

Vorbereitungen auf Olympische Winterspiele Sotschi gleicht einer Festung

Stand: 30.01.2014 08:53 Uhr

Eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele in Sotschi ist die Angst vor Terroranschlägen groß. Eine Selbstmordattentäterin soll sich in der Stadt aufhalten. Präsident Putin setzt auf Sicherheit durch militärische Abschreckung und totale Überwachung.

Von Sandra Stalinski, tagesschau.de

Ein "neues Russland mit all seinen Facetten und Möglichkeiten" will Wladimir Putin der Welt präsentieren, wie er sagt. Die Olympischen Winterspiele in Sotschi sind die teuersten Spiele aller Zeiten - und sie sind das Prestigeprojekt des russischen Präsidenten. Putin will alles dafür tun, dass die glamouröse Inszenierung seiner Macht nicht gestört wird. Doch die Vorbereitungen auf die Spiele zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus werden von der Angst vor Terroranschlägen überschattet.

Höchste Alarmstufe in Sotschi

Das Auswärtige Amt weist auf seiner Homepage auf Anschlagsdrohungen russischer Extremisten-Gruppen gegen die Winterspiele in Sotschi hin und rät, "Demonstrationen und größere Menschenansammlungen" zu meiden. Die wird es aber zwangsläufig geben bei einem Großereignis, zu dem etwa 600.000 Besucher erwartet werden. Seit den Selbstmordattentaten in Wolgograd, rund 700 Kilometer nordöstlich von Sotschi, bei denen 34 Menschen getötet wurden, herrscht in Sotschi höchste Alarmstufe. In einem Dschihadistenforum hat sich die islamistische Gruppe Wilajat Dagestan zu den Anschlägen bekannt und weitere Gewaltakte angekündigt. Der Terroristenführer Doku Umarow drohte, Olympia "mit allen Mitteln, die Allah erlaubt", zu verhindern.

Solche Drohungen lassen auch die deutschen Athleten nicht unberührt. Von einem "mulmigen Gefühl" spricht der Biathlet Erik Lesser. Auch die Rodel-Weltmeisterin Natalie Geisenberger ist kurz vor der Abreise ein wenig skeptisch: "Im ersten Moment ist es für einen Sportler nicht schön zu wissen, dass man da hin muss." Andere geben sich zuversichtlicher, wie die fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, Claudia Pechstein. Sie habe bereits 2002 bei Olympia in Salt Lake City - nach den Anschlägen vom 11. September 2001 - nie dagewesene Sicherheitsvorkehrungen erlebt. "In Russland wird das nicht anders werden. Sotschi ist während Olympia der sicherste Ort der Welt", sagt sie.

BKA und Bundespolizei schützen Athleten

Mit 152 Athleten reist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach Sotschi. Die Anschlagsdrohungen nimmt der DOSB-Präsident Alfons Hörmann zwar ernst, versucht aber dem Thema nicht zu viel Raum zu geben. "Wir werden unser Team mit den entsprechenden Anleitungen vorbereiten und die Athleten sowie Betreuer sensibilisieren, wo sie sich bewegen dürfen und wo nicht", sagt er. Genaueres ist über die Sicherheitsvorkehrungen weder beim DOSB, noch bei den deutschen Behörden zu erfahren. Über Details zu sprechen, könnte wiederum ein Sicherheitsrisiko bedeuten.

Auch das BKA sieht eine "hohe abstrakte Gefährdung". "Wir schicken drei Verbindungsleute des BKA nach Sotschi, die den Athleten bei Sicherheitsfragen zur Verfügung stehen", sagt eine BKA-Sprecherin gegenüber tagesschau.de. Die deutsche Botschaft Moskau wird während der Winterspiele sogar eine Außenstelle nahe der alpinen Sportstätten in Krasnaja Poljana eröffnen, um deutschen Staatsangehörigen mit Rat und Beistand zur Seite zu stehen. Zusätzlich werde die Bundespolizei das Deutsche Haus im olympischen Dorf schützen, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Dennoch sei man überzeugt, dass die russischen Sicherheitsbehörden ihren Aufgaben nachkommen werden.

Selbstmordattentäterin soll in Sotschi sein

Die US-Regierung scheint da besorgter. Das Pentagon bot der russischen Regierung seine Hilfe an und hat vorsichtshalber zwei Kriegsschiffe im Schwarzen Meer. Das FBI will mehrere Dutzend Agenten nach Sotschi und Moskau schicken. Außerdem wurden die amerikanischen Athleten gewarnt, außerhalb der Sportstätten offen die Team-Kleidung mit der US-Flagge zu tragen.

Zuletzt beunruhigten Medienberichte über drei mutmaßliche Selbstmordattentäterinnen, die von den russischen Behörden gesucht würden. Zwei Reporter der Nachrichtenagentur AP hatten in einem Hotel in Sotschi Flugblätter gesehen, auf denen die drei Frauen abgebildet waren. Eine von ihnen, die 22-jährige Rusanna Ibragimowa, soll sich bereits in Sotschi aufhalten. Sie soll, wie die beiden anderen gesuchten Frauen, Angehörige eines getöteten Extremisten sein und als sogenannte schwarze Witwe für Terroranschläge trainiert worden sein.

Putin setzt auf totale Überwachung

Doch Putin tut alles, was in seiner Macht steht, um Gewalt bei den Spielen zu verhindern. Spezialeinheiten melden "erfolgreiche" Anti-Terror-Einsätze in der nordkaukasischen Konfliktregion, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen. Schon vor Monaten hätten zahlreiche muslimische Frauen Speichelproben abgeben müssen, um im Fall eines Selbstmordanschlags die Täterinnen per DNA-Test zu identifizieren.

Ein US-Sicherheitsexperte bestätigt, dass während der Spiele 100.000 Polizisten, Soldaten und Spezialagenten vor Ort sein sollen. U-Boote, Helikopter, Drohnen, Abwehrraketensysteme und Kampfjets sind ständig einsatzbereit. Der Inlandsgeheimdienst FSB will Experten zufolge Mobilfunktelefonate, E-Mails und Chats überwachen, zudem sollen 5500 Überwachungskameras im Einsatz sein. Die Geheimdienste, beklagen Menschenrechtler, hätten durch die Terrorgefahr quasi unbegrenzte Vollmachten.