Aus für "Sophia" Marine-Operation ohne Schiffe

Stand: 27.03.2019 16:49 Uhr

Die Mittelmeer-Operation "Sophia" steht vor dem Aus. Künftig will die EU nur den Luftraum überwachen und die Küstenwache ausbilden. Dass die Anti-Schlepper-Mission damit ihre Kernaufgaben erfüllt, glaubt selbst Brüssel nicht.

Flüchtlingsboote versenken, um nebenbei Flüchtlinge zu retten: Die Idee eines Militäreinsatzes gegen kriminelle Schleuser im Mittelmeer war von Anfang an umstritten. Die einen beklagten den mutmaßlichen Pull-Effekt - dass also Migranten durch die Operation "Sophia" einen zusätzlichen Anreiz erhielten, sich auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa zu machen.

Die anderen, vor allem Hilfsorganisationen wie Amnesty International oder Pro Asyl, kritisierten, das eigentliche Problem - die Fluchtursachen - würden dadurch nicht gelöst.

Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist der Marineeinsatz alles in allem ein Erfolg: Deutschland habe Personal der Küstenwache ausgebildet, Schmugglerboote aufgebracht und allein 22.000 Flüchtlingen das Leben gerettet.

Faktisch vor dem Aus

Dass die Operation "Sophia" nach gut dreieinhalb Jahren nun faktisch trotzdem vor dem Aus steht, liegt an dem Land, das die Mission einst dringend gefordert hatte und das bis heute den Oberbefehlshaber stellt: Italien.

Die populistisch geprägte Regierung aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega von Innenminister Matteo Salvini versuchte monatelang vergeblich, eine Änderung der Einsatzregeln in ihrem Sinne herbeizuführen.

Kein Verteilmechanismus

Rom möchte erreichen, dass die aus Seenot geretteten Menschen nicht mehr automatisch nach Italien gebracht werden. Stattdessen sollten sich die Mitgliedsstaaten auf einen Verteilmechanismus einigen. Der Plan: Auch andere Mittelmeer-Anrainer wie Frankreich oder Malta könnten Flüchtlinge aufnehmen, die dann in Asylzentren in der gesamten EU Schutz fänden.

Lösung nicht in Sicht

Wenige Tage vor dem regulären Ende des "Sophia"-Mandats musste die Sprecherin von EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini offiziell einräumen, dass im Rat nach wie vor keine Lösung des Problems in Sicht ist. Auch die Tatsache, dass Italien im vergangenen Sommer aus Protest mehrmals seine Häfen für Rettungsschiffe geschlossen hatte, konnte den Widerstand der osteuropäischen EU-Länder, voran Polen und Ungarn, gegen einen wie auch immer gearteten Kompromiss offensichtlich nicht aufweichen.

Spätestens seit Anfang des Jahres stand die Marine-Operation ohnehin auf der Kippe, nachdem Deutschland entschied, vorerst kein Schiff der Bundeswehr mehr für den Einsatz zur Verfügung zu stellen.

Flüchtlinge sitzen in einem Gummiboot

Flüchtlinge im Mittelmeer: Die Operation "Sophia" steht vor dem Aus.

"Ohne sinnvolle Aufgaben"

"Wir sind seit etwa einem Dreivierteljahr vom italienischen Kommando in die entlegenste Ecke des Mittelmeers geschickt worden, wo es überhaupt keine Schmuggelrouten gibt und wo es auch keine Flüchtlingswege gibt", sagt von der Leyen. "Die Soldaten waren seit Monaten ohne sinnvolle Aufgaben."

Logische Konsequenz aus der politischen Pattsituation wäre eigentlich gewesen, das Mandat für den ausgedünnten Marineeinsatz Ende des Monats auslaufen zu lassen. Diese peinliche Niederlage wollten kurz vor der Europawahl weder die Mehrheit der Mitgliedsstaaten noch die EU-Kommission einfach so hinnehmen.

Ausbildung der Küstenwache soll weitergehen

Stattdessen wurde einstimmig beschlossen, die Operation "Sophia" weitere sechs Monate fortzuführen. Mit der Einschränkung freilich, dass bis auf Weiteres nur noch Hubschrauber und Flugzeuge über dem Einsatzgebiet zwischen Süditalien und Libyen patrouillieren werden, um Luftaufklärung zu betreiben. Die Ausbildung der libyschen Küstenwache soll weitergehen.

Paradoxe Botschaft

Eine Marinemission ganz ohne Schiffe? Die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Mogherini ist sich der paradoxen Botschaft, die Brüssel da sendet, durchaus bewusst. Es sei klar, dass "Sophia" ihre Kernaufgaben so nicht wirklich erfüllen könne. Die wären: kriminelle Schleuser stoppen, illegalen Waffen- und Erdölschmuggel bekämpfen und Menschen aus Seenot retten.

Man arbeite jedoch weiter intensiv an einer Lösung. Eine solche fordert auch die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller: "Wir brauchen endlich eine Seenotrettung, die koordiniert stattfindet", sagt sie. "Und Leute, die helfen wollen, sollen es auch dürfen." Sie fordert eine europäische Seenotrettung.

Mogherini selbst hatte die EU-Staaten in den vergangenen Monaten immer wieder eindringlich aufgerufen, Operation "Sophia" nicht sterben zu lassen.

Immerhin sei die Zahl der illegal ankommenden Migranten im Verlauf des Einsatzes um mehr als 80 Prozent gesunken. Seit Beginn der europäischen Marinepräsenz vor der Küste Libyens im Jahr 2015 wurden allerdings auch knapp 50.000 Migranten nach Italien gebracht.       

Holger Romann, Holger Romann, BR Brüssel, 27.03.2019 15:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 27. März 2019 um 16:05 Uhr.